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Steilpass
Warum Torjäger Sebastian Knüttel mal für Deutschland traf und fast beim FC Bayern München gelandet wäre
Hinter dem einstigen Großbardorfer Torschützenkönig liegt eine bewegte Karriere, die mit einer schweren Verletzung ihr vorzeitiges Ende fand. Heute züchtet er Birnen.
Der Großbardorfer Stürmer Sebastian Knüttel probiert es akrobatisch. Das Derby im Jahr 2006 verlor sein TSV gegen den FC 05 Schweinfurt aber mit 0:3.
Foto: Wetterich | Der Großbardorfer Stürmer Sebastian Knüttel probiert es akrobatisch. Das Derby im Jahr 2006 verlor sein TSV gegen den FC 05 Schweinfurt aber mit 0:3.
Michael Kämmerer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:55 Uhr

"Es knüttelt im Grabfeld", lautete eine Schlagzeile in dieser Zeitung, als wieder einmal ein Mann den TSV Großbardorf zum Sieg geschossen hatte: Sebastian Knüttel war der Inbegriff eines Mittelstürmers. Als langjähriger Kapitän riskierte er für den Erfolg die Gesundheit, bei einem Länderspiel in 3000 Metern Höhe ging ihm fast die Luft aus und sogar Bayern München klopfte bei ihm an, wie der 41-Jährige, der in Hassenbach bei Oberthulba zu Hause ist, im Interview erzählt.

Frage: Wer hat Sie angespielt?

Sebastian Knüttel: Hansjürgen Ragati, mein ehemaliger Trainer, unter dem ich etwas mehr als eine Saison bis zu meinem Karriereende in Großbardorf gespielt habe. Er ist ein absoluter Fachmann. Sportlich waren wir nicht immer einer Meinung, wenn es um den Matchplan ging, aber menschlich hat es immer gepasst. Wir kennen uns schon lange: Vor über 20 Jahren habe ich ihm in den Sommerferien bei Trainingslagern im Jugendfußball geholfen.

Wie war Ihr Laufweg?

Knüttel: Es ging als Kind los in meinem Heimatort Diebach. Mit 13 Jahren bin ich zum FC Schweinfurt 05 gewechselt und nach der Jugend zum TSV Großbardorf. Wir haben in der Landesliga, Bayernliga und eine Saison sogar in der drittklassigen Regionalliga gespielt. Mit Anfang 20 habe ich es ein Jahr bei der SpVgg Greuther Fürth II in der Bayernliga probiert, um in den Profifußball zu kommen. 2012 musste ich wegen einer schweren Knieverletzung aufhören. Seitdem liegt mein Spielerpass beim SV Hassenbach, wo ich in der zweiten Mannschaft ohne Training zwei, drei Mal als Torwart in der B-Klasse ausgeholfen habe. Alte Herren tue ich mir nicht an: Bei meinem einzigen Einsatz habe ich bei jedem Ballkontakt auf die Socken bekommen.

Inwieweit hat der Fußball Spuren an Ihrem Körper hinterlassen?

Knüttel: Ich hatte in meiner ganzen Karriere mit Verletzungen zu kämpfen. Vor allem am rechten Knie gab es immer wieder Probleme. Fünf Operationen am Meniskus musste ich über mich ergehen lassen. So habe ich fast die komplette Regionalliga-Saison 2008/09 verpasst. Durch den Knorpelschaden konnte ich irgendwann nicht mehr spielen.

Das klingt nach Schmerzen im Fußball-Ruhestand.

Knüttel: Es geht. Ich jogge und fahre regelmäßig Rad – ohne Beschwerden. Das Knie wird nur manchmal dick, wenn ich auf unebenem Untergrund renne. Zum Glück spüre ich sonst keine Einschränkungen. Rückblickend war es unvernünftig, mehrere Wochen mit einem Meniskusabriss zu spielen. Als ehrgeiziger Kapitän wollte ich in den entscheidenden Spielen nicht fehlen, als es für Großbardorf um den Aufstieg ging. Anschließend bin ich ein Dreivierteljahr ausgefallen.

Ein teuer erkämpfter Erfolg.

Knüttel: Die Regionalliga war das Größte, was ich mit der Mannschaft erreicht habe. Es war eine andere Liga als heute – mit Gegnern wie Mannheim, Darmstadt und Heidenheim. Gerade mal fünf Spiele konnte ich in dem Jahr bestreiten, kein einziges Mal über die volle Zeit, insgesamt nur 192 Minuten.

Immerhin ein Tor ist Ihnen am letzten Spieltag noch gelungen. Aber es wird andere Spiele und Treffer in Ihrer Laufbahn gegeben haben, die stärker in Erinnerung geblieben sind.

Knüttel: Da fällt mir vor allem ein Heimspiel gegen 1860 München II ein. Wir haben 4:1 gegen eine namhaft besetzte Mannschaft gewonnen. Ich habe zwei Tore geschossen, eines ganz untypisch mit links außerhalb des Strafraums. Das Wetter war traumhaft, die Kulisse toll. An diesem Tag hat alles gepasst. Dass ich Torschützenkönig in der Bayernliga und in der Landesliga war, zähle ich auch zu meinen Erfolgen.

Wer so viele Tore schießt, erhält sicherlich verlockende Angebote von größeren Vereinen.

Knüttel: Bayern München ist mal auf mich zugekommen und hat für die zweite Mannschaft einen Stürmer gesucht. Es gab das ein oder andere Treffen, doch dann hat sich der Verein für einen anderen entschieden. Auch sonst kamen immer wieder Anfragen, ein, zwei Ligen höher zu wechseln, zum Beispiel nach Bayreuth. Allerdings hatte ich nach der Station in Fürth den Profifußball abgehakt. Ich wollte mein Studium nicht mehr zurückstellen für eine Chance, bei der ich nicht wusste, was dabei herauskommt.

Sie standen an der Schwelle zum Profifußball. Woran ist der letzte Schritt gescheitert?

Knüttel: In der Studenten-Nationalmannschaft habe ich mit Alexander Rosen gespielt, dem heutigen Sportdirektor der TSG Hoffenheim. Er hat damals gesagt, ich hätte das Zeug für die zweite Liga. Entscheidend ist, als Spielertyp ins System eines Trainers zu passen, der auf dich setzt. Dieses Glück hatte ich in Fürth in der zweiten Mannschaft nicht. Wenn bei mir alles optimal gelaufen wäre, hätte es vielleicht reichen können. Ich bin deswegen nicht traurig.

Sie hatten einen Plan B. Was macht die Karriere nach der Karriere?

Knüttel: Ich unterrichte Latein und Sport am Gymnasium in Bad Brückenau. Als ich gemerkt habe, dass es mit dem Profifußball nichts wird, habe ich das Lehramtsstudium in Erlangen begonnen.

In dieser Zeit haben Sie sogar in Afrika ein Tor geschossen.

Knüttel: Für die Studenten-Nationalmannschaft im Spiel gegen Lesotho in der Hauptstadt Maseru. Wir haben bei dieser Länderspielreise auch in Namibia und Südafrika gespielt. Es waren schöne Erlebnisse mit der Uni-Auswahl und teils extreme Erfahrungen wie in Quito in Ecuador auf knapp 3000 Metern Höhe, wo die Luft so dünn ist, dass ich im Spiel nicht wusste, wie mir geschieht.

Sebastian Knüttel im Trikot der deutschen Studenten-Nationalmannschaft im Jahr 2006.
Foto: Alex Deml | Sebastian Knüttel im Trikot der deutschen Studenten-Nationalmannschaft im Jahr 2006.
Fehlt Ihnen der Fußball?

Knüttel: Ich vermisse nichts, zumal ich seit fünf Jahren in Oberthulba die Jugendmannschaft meines jüngeren Sohnes trainiere. Ich bin durch Familie, Beruf und das ein oder andere Hobby wie den Gartenbauverein ausgelastet.

Züchten Sie etwa Rosen?

Knüttel: Nein, Birnen. Wir haben ein Projekt gestartet, um alte Sorten zu erhalten. 30 Birnensorten kann ich auf den ersten Blick bestimmen, 30 weitere anhand von Fachliteratur.

Also Haus gebaut, Kind gezeugt, Baum gepflanzt.

Knüttel: Ja (lacht).

Wen spielen Sie an?

Knüttel: Meinen Kumpel Steffen Stockmann aus Diebach. Er kann mit Sicherheit interessante Geschichten aus seiner Karriere, unter anderem als Zweitliga-Profi in Schweinfurt, erzählen.

Das Interview-Format "Steilpass"

In unserem Interview-Format "Steilpass" übernehmen die Interviewten die Regie. Am Ende des Gespräches dürfen sie entscheiden, wer als Nächstes an der Reihe ist, von uns befragt zu werden – sie spielen also den nächsten Protagonisten oder die nächste Protagonistin an.
Quelle: cam

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