Er gilt als bester Etappenläufer der Welt. Das unterstrich Rainer Koch zuletzt beim TransEspana, der über 18 Etappen und 1080 Kilometer vom französischen Urdos bis nach Malaga in Südspanien verlief. Der Dettelbacher hat zwei Kinder und arbeitet bei einem Software-Unternehmen. Im Steilpass erklärt der 41-Jährige was für ihn die Faszination Ultra-Lauf ausmacht und wie er schon in jungen Jahren zu der Sportart kam.
Rainer Koch: Angespielt wurde ich von einem guten Freund und Vereinskollegen - Christoph Hoffmann. Christoph war nicht nur Gründungsmitglied und viele Jahre Vorstand unseres Laufvereins (Laufgemeinschaft Würzburg), auch setzte er sich immer für Sport und die Städtepartnerschaften Würzburgs ein. Besonders sein Engagement im Bereich des Behindertensports habe ich schon immer bewundert und sehr an ihm geschätzt.
Koch: Meine ersten offiziellen Wettkampf machte ich 1998, nachdem ich meine Ausbildung begonnen hatte. 1989, fast zehn Jahre vorher absolvierte ich mit meinem Vater meinen ersten IVV-Wandermarathon (Internationale Volkssport Verein). Es war quasi mein Geburtstagsgeschenk, nachdem ich meine Eltern die ganze Zeit genervt hatte, mit meinem Vater mitwandern zu dürfen.
Nach einigen Jahren, als auch meine Mutter und Schwestern mit auf die großen Strecken gingen, war das Tempo für mich schon zu langsam und es wurde "langweilig". Bekannte, welche später starteten und uns einholten, boten mir dann an mit ihnen mitzulaufen. Am Ende musste ich ja "nur" auf meine Eltern warten. Doch auch dieses Warten wurde mir zu langweilig. Die Lösung des Problems lag darin mehr zu laufen. Dementsprechend ging ich nach meinem Marathon noch einmal los und lief eine weitere kleine Strecke. Dies steigerte sich und ging am Ende so weit, dass ich zwei Marathons hintereinander lief. Alles ohne Wettkampf und Zeitdruck.
Ab 1996 ging es dann steil nach oben. Im August nahm ich an meiner ersten Wanderung über 100 Kilometer teil. Dort erzählte mir jemand vom Trans Amerika (circa 4500 Kilometer), welcher von dort ab mein großer Traum war. Knapp zwei Jahre später nahm ich auch am ersten Wettkampf teil – die 50 Kilometer in Schwäbisch Gmünd. Von da ab richtete sich mein Augenmerk immer mehr auf Herausforderungen bei Wettkämpfen und die IVV Veranstaltungen nutzte ich am Wochenende als Training. Es dauerte auch nicht lange, bis mich mein Weg zur LG Würzburg führte. Damals wurde ich von Karlheinz Kobus an die LG verwiesen, als ich eine Mitfahrgelegenheit nach Rodenbach zur Deutschen Meisterschaft im 50 Kilometer-Lauf suchte. Am Ende blieb es nicht bei der Mitfahrt, sondern ich entschloss mich gleich noch diesen "Verrückten" beizutreten. Seitdem wechselten sich meine beruflichen und läuferischen "Erfolge" quasi immer wieder ab. Eines baute auf das andere auf und die Kombination brachte beide weiter.
Nach der Ausbildung begann ich mein Abitur an der BOS nachzuholen. Das Abitur in der Tasche ging es zum Trans Gaule (Frankreichdurchquerung), meiner ersten Länderdurchquerung. Hier konnte ich gleich meine zweite Fremdsprache üben. Als nächstes kam das Studium an der jetzigen TH Nürnberg (damals Fachhochschule). Wie schon während der Schulzeit, musste ich läuferische Ziele hinten anstellen und auf den ersten Trans Europalauf verzichten. Während meines Studiums standen auch zwei Praxissemester an, welche ich in den USA absolvierte. Motiviert und unterstützt wurde ich auch hier wieder von einigen Bekannten aus dem IVV-Umfeld. Meine Zeit an der Ostküste der USA nutzte ich auch, um dort viele Wettkämpfe zu sammeln.
Zurück in Deutschland mit beendetem Studium ging es ans Geld verdienen. Meine erste Station war weiterhin die TH-Nürnberg. Das Institut ELSYS bot mir nicht nur die Möglichkeit im Forschungs- und Entwicklungsbereich von Leistungselektronik Erfahrungen zu sammeln, vielmehr ebnete es mir den Weg am Trans Europalauf teilnehmen zu können. Ich hatte somit die Möglichkeit meine Projekte und meinen langen Urlaub (fast drei Monate) für den Lauf zu vereinen. Nachdem dies aber noch nicht genug war, fing ich mit einigen Kollegen noch parallel ein Masterstudium an. Ja, das war stressig. Aber das Laufen half mir den Kopf frei zu bekommen und bot mir die nötige Erholung vom Beruf und Studium.
Kurz nachdem ich den Transeuropalauf gewonnen und meinen Mastertitel in der Tasche hatte, öffnete sich eine neue Tür. Vor dem Lauf spielte ich noch mit dem Gedanken in die Industrie zu wechseln, um dort eine neue Herausforderung zu suchen. Während des Laufes änderte sich die Planung jedoch komplett. Zwei Jahre später sollte es wieder einen Trans Amerika von Los Angeles nach New York geben. Es bestand also die Möglichkeit meinen Traum wahr werden zu lassen. Wie es der Zufall wollte gab es auch eine Lösung für mein berufliches Ziel, denn an der TH wurde ein neues Labor eröffnet und ich bekam das Angebot dieses mit aufzubauen. Eine neue berufliche Herausforderung zu haben und mir meinen Traum zu realisieren war aber noch nicht genug!
Kurz nach meinem Start im Labor bekam ich mit, dass mein Chef einen Promovierenden sucht. Während meiner Zeit im Institut hatte ich zwar schon einmal mit dem Gedanken gespielt, aber ihn dann wieder verworfen. Die Robotik hatte eine gewisse Faszination und somit war es ein recht kurzes Gespräch bevor mein neues berufliche Ziel klar war. Bis dieses erreicht war, gab es aber noch den Trans Amerika und den Jogle (Englanddurchquerung) die als sportliche Meilensteine dienten. Nach der Promotion führte mich mein Weg in die Industrie, zu Valeo. Seitdem bin ich dort im Bereich der Softwarentwicklung für automotive Laserscanner tätig. Zu meiner beruflichen und sportlichen Karriere kam ein viertes Standbein hinzu – die Familie. Ja, richtig. Es gab bis dahin mehr als nur Laufen und Sport. Schon seit meiner Realschulzeit war ich aktiv in der Freiwilligen Feuerwehr und hatte mich dort auch im lange Zeit als Schriftführer engagiert. Nach meiner Heirat stand als erstes der Umbau des Hauses meines Großvaters an. Danach, 2019, kamen auch schon unsere Zwillinge.
Koch: Für mich ist Laufen Genuss und die Möglichkeit Land und Leute kennen zu lernen. Von daher benötige ich nicht wirklich Ablenkung. Ich genieße die Landschaft und liebe es Neues zu sehen. Es ist also das Laufen, welches mir die Ablenkung bietet. Zudem finde ich Zeit über private und berufliche Dinge nachzudenken.
Koch: Für mich persönlich war es der Trans Amerika (LANY11). Im Vordergrund steht dabei nicht die Platzierung und die mediale Aufmerksamkeit, welche er sicherlich mit sich brachte. Vielmehr ist es das Erreichen eines Zieles welches ich mir, ziemlich genau 15 Jahre vorher, "gesetzt" hatte. Es zeigte mir, dass mit genügend Ausdauer und Fokus auf sein Ziel man auch unmöglich geglaubtes wahr werden lassen kann.
Koch: Viele meinen sicherlich, dass ein Etappenlauf und die tägliche Belastung eine riesen Herausforderung sind. Ich vergleiche es immer mit einem Akkordarbeiter. Auch dieser muss täglich seine Leistung bringen. Je besser, desto mehr hat er am Ende in der Tasche. Dennoch muss er seinen Körper und dessen Ressourcen so behandeln, dass er nicht nach dem dritten Tag am Ende ist. Prinzipiell kann man sich also auf fünf Kilometern genauso kaputt laufen wie auf 100.
Ich würde die größte sportliche Herausforderung darin darin sehen, meinen eigenen Körper kennen zu lernen, zu wissen was man ihm abfordern kann, "wie man ihn belohnt", und was er braucht, um die beste Leistung zu bringen. Hinzu kommt aber auch zu lernen, wann man Geduld haben muss, um auf den richtigen Moment zu warten.
Koch: Durch die Pandemie änderte sich viel. Im Vorfeld hatten ich mir natürlich auch Gedanken gemacht wie das Training mit den Kindern vereinbar sein wird. Am Ende galt es aber neue Wege zu finden, denn die Planung war, hauptsächlich durch die Pandemie, zu Nichte gemacht worden. Letztendlich packte ich die Kids in den Babyjogger und lief mit ihnen meine Runde. Somit hat meine Frau ein paar Stunden für sich und die Kids können noch etwas schlafen oder die Natur genießen. Ein kleiner Halt bei den Enten in Kitzingen, oder am Spielplatz und schon haben auch sie ihren Spaß.
Koch: Ich denke von allem ein bisschen. Hinzu kommt sicherlich eine gewisse Sucht. Für mich ist es definitiv mehr als nur ein Sport - es ist ein Teil meines Lebens. Ohne diesen wäre ich nicht wer ich bin und stünde nicht wo ich stehe. Damit meine ich nicht nur beruflich, sondern auch familiär. Man muss dazu sicher noch erwähnen, dass ohne Studium und den Bekannten beim IVV ich nicht meine Auslandssemester gemacht hätte und somit auch nicht meine Frau kennen gelernt hätte.
Koch: Mein Steilpass geht an Marika Heinlein, einer guten Freundin und Laufkollegin. Unsere Vorlieben für Läufe sind zwar sehr unterschiedlich, aber dennoch kreuzen sich unsere Wege immer wieder und man trifft sich nicht nur auf privater Ebene.