Schweinfurt, die Arbeiterstadt: Die Großindustrie hat die Stadt lange geprägt und tut es bis heute. Menschen aus der ganzen Region pendeln nach Schweinfurt, um hier zu arbeiten. Zehn Fakten über eine Industriestadt, die Tüftler, Erfinder und Unternehmer mit geformt haben.
1. Schweinfurt und seine Arbeitsplätze
Schweinfurt hat fast so viele Jobs wie Einwohnerinnen und Einwohner. 2018 waren es 54.231. Im Vergleich: Schweinfurt hatte in dem Jahr 54.032 Einwohnerinnen und Einwohner. Auch nach den aktuellen Zahlen hat sich an dem Verhältnis nur wenig geändert. Sank die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer zwischen 2019 und 2021 teilweise auf einen Tiefstand von 52.891 (im Jahr 2020), waren es im Jahr 2022 wieder 54.202. Im Vergleich: Schweinfurt hatte in dem Jahr 54.675 Einwohnerinnen und Einwohner. 27.068 Menschen arbeiteten im produzierenden Gewerbe. Die Zahlen liefert das Statistische Bundesamt, es sind die aktuellsten.
2. Die Big Five: Schweinfurts größte Industriebetriebe
Mit der ZF Friedrichshafen AG ist der weltweit drittgrößte Automobilzulieferer hier vertreten. In Schweinfurt arbeiten – Stand Februar 2024 – rund 9000 Mitarbeitende für ZF. Damit ist ZF der größte Arbeitgeber Unterfrankens. Der Fokus liegt am Standort Schweinfurt auf dem Bereich E-Mobilität.
Schaeffler: Der Konzern mit Zentrale im mittelfränkischen Herzogenaurach beschäftigt in Schweinfurt rund 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Produziert wird für die Maschinenbau- und Automobilindustrie. Im Portfolio stehen auch Wälzlager.
Für den Wälzlagerhersteller SKF ist Schweinfurt der größte Produktionsstandort der Gruppe in Deutschland. Rund 6000 Mitarbeitende hat SKF in Deutschland; allein 4000 in Schweinfurt, dem Hauptsitz der SKF GmbH Deutschland. SKF produziert in Schweinfurt auch Großlager für Windkraftanlagen.
Für Fresenius Medical Care ist Schweinfurt nach eigenen Angaben der zentrale Entwicklungs- und Produktionsstandort für Dialysegeräte. 1400 Beschäftigte gibt es hier, ein Drittel davon arbeitet in der Forschung und Entwicklung.
Mit der Bosch Rexroth AG ist die Liste der fünf größten Arbeitgeber aus der Industrie in Schweinfurt komplett. 1300 Beschäftigte gibt es am Standort. Hauptsitz des auf hydraulische und elektrische Antriebe spezialisierten Tochterunternehmens des schwäbischen Bosch-Konzerns ist Stuttgart, die der Hauptverwaltung in Lohr. In Schweinfurt entwickelt, produziert und vertreibt Bosch Rexroth Komponenten und Systeme der Lineartechnik.
Übrigens: Mit insgesamt über 2100 Mitarbeitenden gehört die Leopoldina GmbH zu den größten Arbeitgebern in Schweinfurt.
3. Raus und rein: die Pendlerstadt Schweinfurt
40.757 Menschen pendeln Tag für Tag zu ihrem Arbeitsplatz in Schweinfurt; 8436 aus der Stadt hinaus. Macht laut Pendleratlas Bayern einen Pendlersaldo von 32.321. Das heißt unterm Strich, am Tag wächst die Bevölkerung auf 86.996 Menschen.
4. Von Kufi bis Sachs: Die großen Namen der Schweinfurter Industriegeschichte
Schweinfurt wird nicht umsonst die "Wälz- und Kugellagerstadt" genannt. Denn hier wurden sie erfunden und im großen Stil produziert, die Lager, die alles in Bewegung setzen. Hier wurde nicht nur das Kugellager erfunden, hier begann auch die Bleiweißproduktion.
Schweinfurt blickt auf über 240 Jahre Industriegeschichte zurück. Geprägt war sie von großen Namen, die heute in Großkonzernen aufgegangen sind: darunter Fichtel & Sachs (heute ZF), FAG Kugelfischer (heute Schaeffler). SKF wurde 1929 ein Thema: unter Führung der Schweden wurde die "Vereinigte Kugellagerfabriken AG" gegründet. Beteiligt waren daran auch die Schweinfurter Unternehmen Fries & Höpflinger und die Wälzlagerabteilung von Fichtel & Sachs. Seit 1953 firmiert die VKF als SKF GmbH.
5. Von Schweinfurter Grün bis Kugellager: Was in Schweinfurt alles erfunden wurde
Das "Schweinfurter Grün" hat die Stadt zweimal bekannt gemacht: Als es von Wilhelm Sattler 1814 erfunden, produziert und in aller Welt als erste licht- und farbechte grüne Farbe geschätzt wurde. Und dann noch einmal im Jahr 2000, als Bayerns größte bewohnte Altlast. In Schonungen, dem Produktionsort, hatte Sattlers Farbproduktion jede Menge Giftstoffe hinterlassen, die aufwändig entfernt wurden.
Ganz anders unterwegs war Philipp Moritz Fischer (1812 bis 1890). Der Oberndorfer machte mit seinem Erfindergeist 1853 aus den Laufrädern seiner Zeit einen Vorläufer des modernen Fahrrads – erstmals mit drehbaren Pedalen am Vorderrad. Auch heute noch werden Fahrräder in Schweinfurt gebaut und entwickelt. Die Firma SRAM betreibt hier laut Stadt den weltweit größten Entwicklungsstandort in der Fahrradindustrie.
1883 erfindet Friedrich Fischer die Kugelschleifmaschine. Eine Maschine, die die Herstellung von Stahlkugeln und damit von Kugellagern revolutioniert hat. Anfang des 20. Jahrhunderts kauft der Schlosser Georg Schäfer Fischers Gussstahlkugelfabrik – die Geburtsstunde der Firma "Kugelfischer", die sich weltweit einen Namen macht. Mit Wilhelm Höpflinger und Engelbert Fries machen sich später ehemalige Mitarbeiter mit ihrer eigenen Kugellagerwerkstatt selbstständig. Aus ihr wird später die deutsche Tochter des schwedischen Weltkonzerns SKF.
Mit Ernst Sachs aus Konstanz gewinnt Schweinfurt einen weiteren Tüftler, der noch von sich Reden macht. 1894 gründet er das Unternehmen, das später als Fichtel & Sachs Weltruhm erlangen sollte. 1903 entwickelte er die berühmte Torpedo-Freilaufnabe, später auch den Sachs-Motor.
6. Kurz erklärt: Kugellager, Wälzlager – ist das ein und dasselbe?
Könnte man so sagen. Denn Kugellager sind quasi eine Untergruppe von Wälzlagern. Die haben im Wesentlichen zwei Funktionen: Sie übertragen Bewegungen und leiten Kräfte weiter. Das bekannteste Wälzlager ist das Kugellager. Es besteht aus einem Außen- und einem Innenring, zwischen denen sich Kugeln bewegen. Außerdem gibt es noch Rollen- und Kegellager. Verbaut sind diese Lager überall dort, wo sich etwas leichtgängig drehen soll – ob in großen Maschinen, der Bohrmaschine zu Hause, in Autos oder an einem Windrad.
7. Schweinfurt am Tropf der Industrie: Einnahmequelle Gewerbesteuer
Als Industriestadt lebt Schweinfurt stärker als andere Kommunen von der Gewerbesteuer. Doch die Quelle sprudelt nicht mehr wie früher. Seit 2019 sinkt das Gewerbesteueraufkommen, von ehemals über 73 Millionen Euro auf über 47 Millionen. Für 2024 hat die Stadt 55 Millionen Euro eingeplant; zu wenig, um die vielen Aufgaben und Projekte stemmen zu können, die man sich vorgenommen hat. Die Folge: die Stadt greift auf ihre Rücklagen zurück. Dass von Seiten der Industrie weniger Gewerbesteuer kommt, hat auch damit zu tun, dass sie mitten im tiefgreifenden Transformationsprozess zur Energiewende steckt. Und der wird andauern. Mittlerweile wird der Anteil der mittelständischen Betriebe am Gewerbesteueraufkommen deutlich stärker.
8. Schweinfurts schwarze Jahre: Die Krise der Großindustrie
Es ist das Jahr der großen Krise: 1992. In Schweinfurt steuert die Arbeitslosenquote im Stadtgebiet auf 20 Prozent zu. Es gibt Massenentlassungen in der Schweinfurter Metallindustrie – und Proteste. 1993 organisiert die IG Metall eine Großdemonstration. Es wird die größte ihrer Geschichte. Rund 13.000 Beschäftigte aller Kugelfischer-Standorte und vieler anderer Betriebe gehen auf die Straße. "Die Region muss weiterleben", fordern sie. Kugelfischer hatte sich mit der Übernahme ostdeutscher Kugellagerfabriken überhoben. 1990 hatte "Kufi" noch 10.517 Beschäftigte; 1994 war die Zahl auf 5009 geschrumpft. Aber auch die anderen Großen der Schweinfurter Industrie bauten im gleichen Zeitraum massiv ab: Fichtel & Sachs von fast 10.000 auf knapp unter 7000, SKF von 6110 auf nur noch 4720 Beschäftigte.
Heute warnt die IG Metall eindringlich davor, dass in Schweinfurt wieder tausende Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Die Entwicklungen bei den Schweinfurter Firmen ZF, dem größten kommerziellen Arbeitgeber in Mainfranken, sowie SKF seien besorgniserregend, erklärte der Erste Bevollmächtigte der IG Metall, Thomas Höhn, in einer Pressemitteilung. Auch Schaeffler und Bosch Rexroth sieht er vor massiven Herausforderungen. Bosch Rexroth kündigte am 12. März an, bis 2028 bis zu 240 Stellen abbauen zu wollen.
Eines vermisse ich jedoch: Kein Wort zur Arbeiterschaft!
Diesen gut ausgebildeten, lern-und arbeitswilligen Fachkräften sowie in der Vergangenheit häufig eingesetzten "Ungelernten", pendeln mindestens zu 90% aus dem Umland ein, hat die Schweinfurter Industrie viel zu verdanken!
Deshalb vielen Dank diesen Pendlern
Ich empfehle einen Besuch in diesem Museum https://www.industriemuseum-schweinfurt.de