
Die Bosch Rexroth AG ist in rund 80 Ländern der Welt vertreten und zählt zirka 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Knapp die Hälfte davon entfällt auf Standorte in Deutschland, am Firmensitz Lohr sind etwas mehr als 5000 Menschen beschäftigt. Seinen Ursprung hat das heutige High-Tech-Unternehmen im ehemaligen Höllenhammer im Elsavatal.
Als sich das Jahr 1794 seinem Ende zuneigte, erwarb der aus dem Odenwald abgewanderte 72-jährige Johann Ludwig Rexroth den im Elsavatal im westlichen Spessart gelegenen Höllenhammer. Sein Sohn Georg Ludwig Rexroth baute den mit Wasserkraft angetriebenen Eisenhammer aus, bildete die notwendigen Arbeitskräfte heran und brachte ihn zu neuer Blüte.
Der Höllenhammer soll damals das größte Eisenwerk im Spessart gewesen sein. Ein zeitgenössischer Chronist schrieb um 1830: "Gegenwärtig werden auf dem hiesigen Werke alle Sorten geschmiedeten Eisens verfertigt, welches wegen seiner vorzüglichen Güte allenthalben gesucht und mit besseren Preisen bezahlt wird."

Einen weiteren bedeutenden Schritt in die Zukunft machte der Familienbetrieb 1840. In jenem Jahr kaufte der namensgleiche Sohn des Höllenhammerbesitzers, Georg Ludwig Rexroth der Jüngere, die Hälfte des Unteren Eisenhammers in Lohr.
Der Standort Lohr war für den weitsichtigen Unternehmer deshalb von Bedeutung, weil Lohr mit seiner verkehrsgünstigen Lage beste Voraussetzungen für wirtschaftlichen Aufschwung bot. Der Anschluss an die Binnenschifffahrt auf dem Main war bereits vorhanden und Eisenbahnanschluss stand bevor - 1854 wurde er Wirklichkeit.

Am 1. August 1850 übernahm Georg Ludwig Rexroth der Jüngere schließlich auch das am nördlichen Rand der Lohrer Altstadt am Flüsschen Lohr gelegene Eisenwerk von Friedrich Stein und dehnte damit sein Geschäft auf die Eisengießerei aus. Hergestellt wurden in dem Werk, das nun als "G. L. Rexroth auf dem Lohrer Eisenwerk am Main" firmierte, vor allem Öfen und Herde.
Georg Ludwig Rexroth der Jüngere war nun endgültig in Lohr angekommen und machte sich dort sesshaft. Seinem Antrag, ihn als Bürger auzunehmen, kam der Lohrer Magistrat im April 1851 nach. Im städtischen Protokoll heißt es dazu: "Bei dem notorisch bekannten und überdies nachgewiesenen Vermögensstand des Bittstellers" werde dieser als Bürger aufgenommen. "Derselbe hat jedoch vordersamt sich als Landwehrmann zu armieren (bewaffnen), zu uniformieren und 33 Florin (Gulden) Aufnahmegebühr und einen Feuereimer zur Erinnerung zu entrichten."
1861 vergrößerte Rexroth seinen Lohrer Betrieb durch Zukauf der zweiten Hälfte des beim Eisenwerk liegenden Unteren Hammers sowie des Oberen Lohrer Hammers. Als Georg Ludwig Rexroth der Jüngere am 24. Dezember 1875 im Alter von 74 Jahren starb, hinterließ er eine Ehefrau, zwei Töchter und sechs Söhne. Fünf von ihnen übernahmen den Betrieb.
Rexroth überstand die Krise
In den 1880er Jahren stellten fast alle Spessart-Eisenhämmer ihren Betrieb ein. Zum einen, weil die Nachfrage nach Roheisen stark zurückging (es wurde das billige Walzeisen vorgezogen), zum anderen weil die Hammerwerke nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden konnten, unter anderem wegen steigender Löhne und Soziallasten für die Arbeitgeber aufgrund der neuen Bismarck'schen Sozialordnung. Lediglich zwei aus Eisenhämmern hervorgegangene Betriebe überstanden die Krise Ende des 19. Jahrhunderts, weil sie sich immer wieder rechtzeitig neu orientierten und den neuen Gegebenheiten anpassten: das Eisenwerk Philipp Kurtz in Laufach und die Lohrer Eisenwerke G. L. Rexroth.
Gegen Ende der 1880er Jahre wurde die Beleuchtung der Rexroth-Gießerei von Petroleumlampen auf elektrisches Licht umgestellt. Oftmals jedoch fehlte das Wasser zum Antrieb der stromerzeugenden Turbinen, so dass sich die Gießereiarbeiter mit kleinen Holzfeuern als Lichtquelle behelfen mussten. Die Stadt Lohr wurde erst Ende 1920 ans Stromnetz angeschlossen. 1898 errichtete das Eisenwerk Rexroth einen Gießereineubau, zwei Jahre später wurde die Gussproduktion auf den steigenden Bedarf der Maschinenfabriken ausgerichtet.
Der Erste Weltkrieg (1914 bis 1918) machte auch dem Eisenwerk Rexroth zu schaffen, da zeitweise bis zu 70 Prozent der Arbeiter beim Militär waren. Die verbliebenen Arbeitskräfte mussten oftmals bis zu 110 Stunden in der Woche arbeiten, um den enormen Gussbedarf für die Rüstungsindustrie bewältigen zu können. 1919 wurde im Eisenwerk Rexroth der Acht-Stundentag eingeführt.
Während der großen Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg trat die Rexroth-Belegschaft am 9. April 1929 geschlossen in einen neuntägigen Streik. Hintergrund war die Herunterstufung der Stadt Lohr in die nächstniedrigere Ortsklasse, was eine Lohnsenkung für die Arbeiter nach sich zog. Schließlich erklärte sich Rexroth zu teilweisen Ausgleichszahlungen bereit.
Langsam wieder aufwärts mit der Wirtschaft ging es ab 1934. Wirtschaftsankurbelungsmaßnahmen sowie die von der nationalsozialistischen Regierung mit Nachdruck betriebene Wiederaufrüstung trugen auch bei Rexroth zur Überwindung der zuletzt mageren Jahre bei.
Artillerie vernichtete die Maschinenhalle
Während des Zweiten Weltkriegs (1939 bis 1945) war Rexroth wichtiger Zulieferant der Maschinenindustrie, die Produktion lief auf Hochtouren. 1941 wurde Akkordarbeit eingeführt und das Unternehmen bekam Großaufträge für die Kriegsmarine (Schwimmpoller). An Ostern 1945 wurde die Stadt Lohr von US-amerikanischen Truppen besetzt, Artillerietreffer vernichteten die große Maschinenhalle des Eisenwerks Rexroth.
Ende April 1945 kam es langsam zur Wiederaufnahme der Arbeit. Am 8. Mai begann die Gießerei mit der Produktion von Kochtöpfen, bald kamen weitere Haushaltswaren wie Waffeleisen und Pfannen hinzu und in den Folgejahren auch Herdplatten, Bügeleisen, Häckselmaschinen und Fleischereimaschinen.
In den 1950er und 1960er Jahren baute das damalige Familienunternehmen Rexroth das neue Geschäftsfeld Hydraulik auf. Nach Übernahme der Indramat GmbH im Jahr 1965 gründete Rexroth ein Jahr später eine Spezialabteilung für elektronische Steuerungen und Regelungen. 1968 beteiligte sich die Düsseldorfer Mannesmann AG zu 50 Prozent am Lohrer Unternehmen Rexroth und übernahm 1975 die restlichen Anteile.
1979 entwickelte Mannesmann Rexroth den weltweit ersten wartungsfreien AC-Servermotor, der den Maschinenbau nachhaltig veränderte. 1990 erhielt das Unternehmen Großaufträge für Bühnentechnik, beispielsweise für die Bayreuther Festspiele. 1994 revolutionierte die erste Rollendruckmaschine mit wellenloser Antriebstechnik den Druckmaschinenbau.

1995 feierte Rexroth sein 200-jähriges Bestehen mit einem Festakt in der Lohrer Stadthalle mit 250 geladenen Gästen und einem Tag der offenen Tür in den Werken 1 und 2 mit mehr als 4000 Besuchern. 1997 wurde der größte Schaufelbagger der Welt und 1999 der "Mega-Maulwurf" für den Elbtunnelbau mit Rexroth-Technologie ausgestattet.
Nach Auflösung des Mannesmann-Konzerns entstand 2001 durch Zusammenschluss der Mannesmann Rexroth AG mit dem Bosch-Geschäftsbereich Automatisierungstechnik die Bosch Rexroth AG mit Sitz in Lohr. 2005 brachte Bosch Rexroth den ersten Servoregler auf den Markt, bei welchem Motor und Regler in einem Gerät integriert sind. 2010 präsentierte das Unternehmen Verstellpumpen, die bedarfsgerecht Energie bereitstellen und deshalb sehr energieeffizient arbeiten.

2015 wurde das bei Rexroth entwickelte treibstoffsparende hydraulische Start-Stop-System HSS vorgestellt, das Dieselmotoren im Bedarfsfall selbstständig abschaltet und auch wieder neu startet. 2018 trat Bosch Rexroth auf der Hannover Messe als Anbieter von Lösungen für die digitale Produktionswelt auf, für die "Fabrik der Zukunft".
Heute sieht sich Bosch Rexroth als einer der führenden Spezialisten für Antriebs- und Steuerungstechnologien. Das Unternehmen entwickle "innovative Konzepte für Maschinen- und Anlagenbauer in der ganzen Welt" und stehe für "passgenaue Lösungen", heißt es auf der Firmenhomepage. Im Jahr 2020 hatte Bosch Rexroth nach eigenen Angaben einen Umsatz von 5,2 Milliarden Euro und beschäftigte weltweit 29.600 Mitarbeiter, 13.800 davon in Deutschland.
Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter https://www.mainpost.de/dossier/geschichte-der-region-main-spessart
Literatur: Rexroth-Chronik; Archivmaterial Main-Post; Firmenhomepage Bosch Rexroth.