Sie war eine der aufwändigsten Großbaustellen in der Region. In jedem Fall die mit dem meisten Emotionen begleitete: die Altlastensanierung in der Sattler- und Werlingstraße in Schonungen, hochgiftige Hinterlassenschaften aus einer Farbenproduktion im 19. Jahrhundert. Sie war die größte bewohnte Altlast Bayerns.
Den gut vier Jahren Bauzeit gingen elf von der Entdeckung bis zum ersten Baggereinsatz im Jahr 2011 voraus, die geprägt waren von massiven Auseinandersetzungen und zähen Verhandlungen um die Rahmenbedingungen der Sanierung. Der Ortsname Schonungen war zwei Jahrzehnte lang mit dem Begriff Sattler-Altlast verwoben. Heute ist das vorbei. Über die Altlast spricht kaum einer mehr im Ort.
Einer, der am meisten über den Umstand froh ist, ist Bürgermeister Stefan Rottmann: "Es ist Gras über die Sache gewachsen." Im wahrsten Wortsinn. Für ihn hat sich bewahrheitet, dass die drückende Altlast auch eine Chance gewesen sei, Schonungen neu zu entwickeln. Mit Blick auf das ehemalige Sanierungsgebiet verweist er auf ein neues Alten- und Pflegeheim, ein herausgeputztes Wohnquartier mit neuen Wegen und Brücken, neue Wohnhäuser, eine Sozialstation und eine Tagespflegeeinrichtung.
Doch der Weg dahin war weit. Insofern sei es wichtig gewesen, die Kräfte zu bündeln, sagt Rottmann. Dass viele die städtebaulichen Möglichkeiten damals nicht haben erkennen können, kann der Bürgermeister nachvollziehen. Viele Familien hatten zurecht Sorge, wie ihre Zukunft aussehen soll: gesundheitlich wie wirtschaftlich. Denn über die Hälfte der vergifteten Grundstücke gehörten Privatleuten, die nach Gesetzeslage die Beseitigung des (unverschuldeten) Schadens hätten selbst bezahlen müssen. Letztlich beglichen sie nur einen Anteil.
Über 17 Jahre lang kämpfte die Bürgerinitiative für die Interessen der Betroffenen
Auch Ergebnis der Arbeit der Bürgerinitiative SuB mit Theo Kohmann an der Spitze. Mit großer Beharrlichkeit hat sie mehr als 17 Jahre für die Interessen der Betroffenen gekämpft. Dennoch wurden mehrere Wohnhäuser abgerissen, nur eine Familie baute an Ort und Stelle neu.
Ohnehin bildete die Frage nach der richtigen Kommunikation ein wichtiges Element in der Auseinandersetzung. Der für die Sanierung zuständige Leiter des Kreis-Umweltamts, Volker Leiterer, räumte bei Abschluss der Arbeiten 2015 ein, dass die Öffentlichkeitsarbeit eine Achillesferse gewesen sei. Anschließend hat das Landratsamt mit einer eigenen Homepage gegengesteuert. Das Bürgerbüro, das eingerichtet worden war, um die Betroffenen zu informieren, funktionierte nur eingeschränkt.
Auch für dem damaligen SuB-Sprecher Kohmann war die Einbindung der Einwohnerinnen und Einwohner ein zentrales Thema. In seinen Augen war sie zumindest mangelhaft, wie er im Buch "Schweinfurter Grün", das die Autorin Ursula Lux für die SuB verfasst hat, in einem Resümee sinngemäß beschreibt. Die Betroffenen standen in seinen Augen nicht an erster Rangstelle des Verfahrens, wo sie eigentlich hingehört hätten.
Ein Großteil der Grundstücke waren im Besitz der Gemeinde. Zwar erhielt sie viele Mittel aus Sonderfonds, doch die Finanzierung ihres Altlastenanteils blieb Aufgabe der Kommune. Ein Kraftakt, wie Rottmann resümiert, der ins Amt kam, als 2012 die eigentliche Bauphase begann: "Ich weiß gar nicht, wie wir das alles geschafft haben."
Mit einem "Ordnern des Grauens" zog Rottmann durch die Gemeinde, um wachzurütteln
2012 konnte die Gemeinde Schonungen kaum die Kreisumlage und die Gehälter bezahlen, durfte keine Kredite mehr aufnehmen. Wie sich Rottmann erinnert, habe der Verkauf von Grundvermögen und die Schließung von Einrichtungen wie der Kindergärten im Raum gestanden. Mit nur einer Stimme Mehrheit entschied der Gemeinderat, Steuern und Beiträge zu erhöhen.
Mit einem "Ordner des Grauens" ist Rottmann durch die Gemeinde gezogen und hat ihn Bürgerinnen und Bürgern gezeigt. Inhalt: all die Stellen im Ort, "wo etwas im Argen lag." Von der Grundschule bis eben zum Altlastengebiet. Der junge Bürgermeister wollte wachrütteln, aufzeigen, dass man aus der Katastrophe einen Neubeginn gestalten kann. Es habe lange gedauert, bis dies in den Köpfen angekommen sei, weil die Altlast sich wie eine nie endende Geschichte über die Gemeinde gelegt und sich eben viele Menschen zunächst mit ihren eigenen Problemen auseinandergesetzt hätten. Erste Erfolge und der Rückhalt in der Bevölkerung hätten den politisch Verantwortlichen schließlich Auftrieb gegeben.
Die größte Sorge als Rathauschef hatte Rottmann, dass Schonungen auf ewig das Image der Altlast-Gemeinde bleibt. Dies habe sich immer wieder bei früheren Bewerbungsgesprächen gezeigt. Insofern ist er schon seit Jahren dabei, die Werbetrommel zu rühren für die Vorzüge der Stadtrandgemeinde.
Bürgermeister Rottmann: Die Altlast hat auch für Dynamik und Fortschritt gesorgt
Bei Sanierungsbeginn hatte Schonungen sieben Millionen Euro Schulden, heute zehn Millionen Euro Rücklagen. Wie hätte sich Schonungen ohne die Altlast entwickelt? Der Bürgermeister ist überzeugt, dass sie für Dynamik für Fortschritt in der drittgrößten Gemeinde im Landkreis Schweinfurt gesorgt hat.
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"Aus einer ausweglosen Situation hat sich viel entwickelt", ist sich der Bürgermeister sicher. Auch Kohmann und Leiterer würdigten bei Sanierungsschluss die Anstrengungen der Gemeinde, von Beginn an mit dem Projekt auch eine Umgestaltung des Quartiers in Angriff zu nehmen.
Für Rottmann ist das auch ein Beispiel, um weitere Projekte anzuschieben – bei der Lebenshilfe, die ihre Einrichtungen eventuell erweitern will; am Marktplatz, wo die Gemeinde Grundstücke gekauft und erste Pläne für einen Jugend- und Seniorentreff sowie ein Wohn- und Geschäftshaus entwickelt hat. Weiter geht es dann in den Wiesen der Steinach. In Schonungen ist der Blick zurück Geschichte, er richtet sich nach vorn.
Die rechtliche Unsicherheit der Betroffenen und der Gemeinde von 2000- 2012 wurde hier überhaupt nicht gewürdigt. Der gesamte Prozess der Kostendeckelung für die Betroffenen durch den Freistaat Bayern, der Weg dahin, die Planung der Altlastbeseitigung, die vielen schweren Entscheidungen im Gmeinderat und der Altlast Lenkungsgruppe - das war die schwierige und entcheidende Zeit in diesem Prozess. Rottmann war der bgegleitende Bürgermeister nachdem das allermeiste schon geplant, finanziert und festgelegt war- gleichwohl er auch persönlich betroffener war. Er war definitiv nicht der tolle Macher der Altlast als welcher er von der MP dargestellt wird. Auch die Verhandlungen in München mit Sts. Hintersberger über die Höhe der Kostenbeteiligung der Gemeinde hat er nicht eingefädelt - die 90 % Förderung kam über Gerhard Eck!