Die Sonne glitzert im Main, der Silvaner im Glas. Die Würzburger tummeln sich auf der Alten Mainbrücke, auf der einen Seite geht der Blick hoch zur Festung, auf der anderen hinüber zum Dom. Um den beliebten Brückenschoppen weiterhin möglich zu machen, sind extra Stehtische in gebührendem Abstand auf der steinernen Bogenbrücke verteilt worden. Jetzt genießen die Einheimischen und Besucher hier ihren Wein. Über ihnen wacht der Frankenapostel Kilian. Die Figur des Brückenheiligen trägt Mundschutz, die Schoppentrinker tun es nicht.
Die Alte Mainbrücke ist symbolträchtig - und ein Stimmungsbarometer: Ist die Brücke voll, pulsiert das Leben in der Stadt. Bis zum 11. September. Ab dann ist nichts mehr wie gewohnt: Von Freitag bis Sonntag herrscht hier nun ab 16 Uhr ein Alkoholverbot. Der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) will damit das Signal setzen, dass es mit dem Feiern am Main erst einmal vorbei sein muss. Der Sieben-Tage-Inzidenzwert pro 100 000 Einwohner liegt zu diesem Zeitpunkt nach dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Würzburg bereits bei 67,3.
Aber von Anfang an.
Wie überall in Bayern sind seit März die Clubs und Diskos geschlossen, weder Africa-Festival, noch das beliebte "Umsonst&Draussen" auf den Mainwiesen oder das Kiliani-Volksfest fanden in diesem Sommer statt. Trotzdem: Die Menschen strömen nach draußen, sitzen auf den Wiesen und Plätzen am Main, die Innenstadt ist voll.
Grund für die Stadt, Ende Juli einen dringenden Appell an die Bürger auszusprechen: "Gemeinsam achtsam" solle man sein. Die steinernen Heiligenfiguren auf der Alten Mainbrücke bekommen einen Mundschutz verpasst. Bei der PR-Aktion in Sachen Hygieneschutz ist sogar Weihbischof Ulrich Boom mit dabei.
Am 7. September ist der bayerische Grenzwert überschritten
Am 7. September liegt die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohner für die Stadt laut LGL bei 36,92. Der bayerische "Grenzwert" von 35 ist zum ersten Mal überschritten. Die Stadt wolle es vorerst beim "erhobenen Zeigefinger" belassen, teilt ein Pressesprecher mit. Drei Tage später ist auch der bundesweit geltende Grenzwert von 50 überschritten: Würzburg liegt bei 67,25. Seit Beginn der Pandemie sind in der Stadt bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt 632 Personen positiv auf Covid-19 getestet worden.
Nun muss die Stadt reagieren. Neben dem Alkoholverbot auf der Alten Mainbrücke werden die zulässigen Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen halbiert, in geschlossenen Räumen sind nur noch 50 statt 100 und im Freien 100 statt 200 Personen erlaubt. Bei Verstößen droht ein Bußgeld von 25 000 Euro. Mehrere Infektionsherde gehen auf Privatveranstaltungen zurück, sagt das Gesundheitsamt. Die Begrenzung der Teilnehmerzahl sei deshalb angemessen.
"Dem Alkoholverbot liegt nicht zugrunde, dass sich dort jemand infiziert hat", wird der Oberbürgermeister in einem Interview später sagen. Das abendliche Schoppen-Verbot auf der 185 Meter langen Brücke soll Signalwirkung haben. Die Würzburger sollen begreifen: Die Lage ist ernst. Kaum ist das Alkoholverbot verhängt, bekommen dies Wirte in der ganzen Stadt zu spüren. Gäste bleiben aus, es hagelt Stornierungen.
Sonntag, 13. September. Der Inzidenz-Wert in Würzburg liegt laut LGL bei 69,90. Beim Robert Koch-Institut (RKI) ist der Wert aufgrund von Meldeverzögerungen noch geringer: 61,0. Dennoch: Würzburg liegt jetzt bundesweit an der Spitze. Eine weitere Beschränkung der Stadt kommt, nun dürfen sich nur noch bis zu fünf Personen treffen, Feiern im öffentlichen Bereich sind komplett untersagt.
Die Ferienzeit endet, die Zahlen steigen weiter
Doch erklärt der Trubel am Main in den Sommerwochen die stetig ansteigende Infektionsrate in der Stadt? Es ist September, Ende der Ferienzeit. Die Reiserückkehrer kommen ins Spiel. Sie und ihre Kontaktpersonen machten etwa 50 Prozent aller Infizierten in Würzburg aus, teilt der OB mit: "Bei vielen wurde auch erst während ihres Aufenthalts der Urlaubsort zum Risikogebiet. Dafür können sie nichts."
Eine weitere Hiobsbotschaft kommt hinzu. Vier Tage läuft die Schule, dann wird am ersten Sonntag nach den Sommerferien bekannt: Das Röntgen-Gymnasium muss wegen zwei Coronafällen schließen. An einer eigens aufgebauten Teststrecke neben dem Fußballstadion der Würzburger Kickers müssen sich 850 Schüler und Lehrer auf Covid-19 testen lassen.
Jede Klasse bekommt ein Zeitfenster von 15 Minuten, die meisten werden über zwei Stunden warten, so groß ist der Andrang. Eltern, Geschwister, Unbeteiligte - insgesamt werden sich am Montag dort 1435 Menschen testen lassen. Und noch etwas wird an diesem Tag klar: Es ist nicht nur das Röntgen-Gymnasium, sondern acht weitere Schulen im Stadtgebiet sind betroffen.
Der Andrang an den Teststrecken ist groß
Ein paar Kilometer weiter ist am Main eine öffentliche Teststrecke für alle aufgebaut. Auch hier ist der Andrang groß. Der Verkehr staut sich kilometerweit. Menschen stehen stundenlang in der Sonne, Wasser wird verteilt. 1185 Personen lassen sich testen. In Relation zur Gesamtbevölkerung in Stadt und Landkreis von 290 000 ein hoher Anteil. Auch dem OB ist klar, dieser Test-Tag wird den Inzidenzwert weiter in die Höhe schießen lassen. "Das sollte nicht zur Beunruhigung führen, sondern zur Aufklärung beitragen", sagt Schuchardt im Interview, gewohnt sachlich.
Doch wie und warum ist Würzburg auf der Corona-Karte des Landes zum tiefroten Flecken geworden? Die steigenden Werte können nicht allein an den Reiserückkehrern festgemacht werden. In den Urlaub sind schließlich nicht nur die Würzburger gefahren. Der Oberbürgermeister berichtet auch von Superspreadern in der Domstadt: "Fakt ist, dass bei einer Grenze des Inzidenzwerts von 50 und einer Bevölkerungszahl von 128 000 zwei mittlere Ereignisse mit 'Superspreadern' reichen, um sofort im knallroten Inzidenz-Bereich zu liegen", sagt er. "Solche Ereignisse kann man nicht vorhersehen. Das war weder in Kaufbeuren noch in Würzburg absehbar."
Die Vorfälle, die Schuchardt meint, betreffen eine Bar und eine Shisha-Bar in der Innenstadt. Dort hatten laut Gesundheitsamt sowohl Reiserückkehrer als auch Bedienungen die Infektion übertragen. In der Shisha-Bar sei sogar die Wasserpfeife unter den Besuchern weitergereicht haben. Insgesamt wurden nach Angaben des Gesundheitsamtes bei den Vorfällen 44 Personen infiziert.
Festivalstimmung am Main
Es sind - wie in ganz Bayern - gerade junge Erwachsene zwischen 20 und 40 Jahren, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben. Würzburg ist eine Studentenstadt, dass die Clubs geschlossen haben, das schmerzt. Seit Juli herrscht am Ufer des Mains abends und an den Wochenenden Festival- und Partystimmung. Ein Grund, warum es seit 14. September nun auch dort ab 22 Uhr ein Alkoholverbot gibt.
"Diejenigen mit dem größten Anteil am Infektionsgeschehen sind aktuell die jüngeren Erwachsenen, bei denen eine Infektion nicht letal ist oder ein Krankenhausaufenthalt nötig macht", sagt der OB. "Aber das heißt nicht, dass das Virus schwächer geworden ist. Im Moment haben wir eine Infektionswelle und keine Krankheitswelle. Es besteht aber die Gefahr, dass bald die wirklich vulnerable Personengruppe der Senioren wieder erreicht wird."
Denn bereits im Frühjahr war Würzburg als Corona-Hotspot in Deutschland im Mittelpunkt des medialen Interesses gestanden. Damals grassierte das Virus im Seniorenheim St.Nikolaus. 74 Bewohner waren mit dem Virus infiziert, 25 starben. Dass es wieder soweit kommt, will Schuchardt um jeden Preis verhindern.
Superspreader? Reiserückkehrer? Schoppentrinker? Was wirklich den Inzidenz-Wert nach oben schnellen ließ, war der 14. September: An diesem Tag fanden laut Schuchardt 25 Prozent aller bayerischen Tests in Würzburg statt.
Zwei Tage später fließen die Ergebnisse der Testungen in die Statistik: Würzburg hat laut LGL nun einen Inzidenz-Wert von 75,07. So hoch wie in keiner anderen deutschen Stadt. Die Zahl der insgesamt auf das Coronavirus positiv getesteten Personen in Stadt und Landkreis Würzburg beträgt nach Informationen des Landratsamtes inzwischen 1288, davon entfallen 702 auf die Stadt und 586 auf den Landkreis Würzburg.
Hohe Testzahlen haben ihren Preis
Vor seinem Amt als Oberbürgermeister war Schuchardt Kämmerer der Stadt. Nach wie vor ist er ein Mann der Zahlen. Er hat lieber mehr davon, als über mögliche Werte spekulieren zu müssen. "Ich freue mich über die hohe Testung, auch wenn dies den Preis hat, dass wir in der Werte-Liste immer weiter nach oben steigen", erklärte er einen Tag nach den Tests.
Die Stadt verschärft die Maßnahmen am 14. September noch weiter: In allen Lokalen in der Innenstadt gibt es ab 22 Uhr nun ein Speise- und Ausschankverbot. "Wir haben derzeit 80 Prozent an Stornierungen. Die Leute haben Ängste", sagt Gastronom Christopher Thum vom Traditionslokal "Backöfele". Das Fehlverhalten feierlustiger Leute habe das Konzept einer ganzen Branche gefährdet. Am 18. September kommt die Nachricht der Stadt, dass die Lokale zumindest eine Stunde länger öffnen dürfen - bis 23 Uhr.
Die hohen Inzidenz-Zahlen haben auch andere Auswirkungen: Würzburg wird in einigen Regionen Deutschlands zum Risikogebiet erklärt. In einem Hotel auf Rügen werden Urlauber vor die Tür gesetzt. Es herrscht "Beherbungsverbot" für Würzburger. Ob Wismar, Fehmarn oder Hamburg - mancher, der jetzt wegfahren wollte, muss seinen geplanten Urlaub stornieren.
An diesem Dienstag, 22. September, liegt der Inzidenz-Wert laut LGL in Würzburg noch bei 60,99 - es ist immer noch der höchste in Bayern. München Stadt liegt mit 55,93 auf Platz 2. In der RKI-Statistik liegt Würzburg mit einem Wert von 61,0 deutschlandweit nun hinter Hamm, das auf 64,8 kommt. Im Gesundheitsamt setzt man die Hoffnung auf diesen Mittwoch: Denn dann fallen die Ergebnisse der rund 2600 Personen, die sich am 14. September haben testen lassen, wieder aus der Sieben-Tage-Statistik.
Eine rechnerische Entwarnung?
Ist dies aber nur eine rechnerische Entwarnung? Im Gesundheitsamt werden die Zahlen nicht gesammelt erfasst. Weil an verschiedenen Orten - an Teststrecken, Kliniken oder bei den Hausärzten - Tests durchgeführt werden, könne keine Auskunft gegeben werden, wie viele Tests insgesamt gemacht wurden und wie hoch die Quote der positiven Fälle überhaupt ist, teilt Dagmar Hofmann von der Pressestelle des Landratsamts mit.
Mehr Tests bedeuteten eben auch mehr positive Fälle, so Schuchardt gegenüber dieser Redaktion. "Andere Kommunen, die weniger testen, haben zwar bessere Werte. Das kann aber auch heißen, dass sie nur eine höhere Dunkelziffer haben." Schließlich hat die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohner eine Schwäche: die Anzahl der Tests wird nicht berücksichtigt.
Um den Ruf der Stadt macht sich der OB indes keine Sorgen: "Im letzten halben Jahr gab es mindestens drei Dutzend Städte, die temporär ihre Probleme hatten. Warten wir einmal den Winter ab." In Würzburg wolle er auf jeden Fall im weiteren Verlauf unternehmen "whatever it takes – also das, was in der jeweiligen Situation notwendig ist".
Auf dieser Grundlage kann man überhaupt keine Aussage treffen. Da muss schnellstens was passieren. Insofern haben hier die Kritiker absolut recht. Das als Grundlage taugt überhaupt nichts.
Quellen:
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/a/alkohol.html
Beim Alkohol zb. ca. 3.5 Milliarden Steuereinnahmen aber 10 Milliarden direkte Kosten für das Gesundheitswesen. Mit den Folgekosten sogar 40 Milliarden pro Jahr.
Bei den Zigaretten das gleiche Verhältnis.
Wenn jemand rauchen will dann soll er sich privat eine Zusatzversicherung leisten .
Warum soll ich mit meinen Krankenkassenbeiträgen die Kosten für seine Dummheit finanzieren?
Bessere Bedingungen für eine Ansteckung wird man kaum finden.