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Rottershausen
Nach Abriss des Gasthauses "Schwarze Pfütze": Einheimische erzählen Anekdoten und würzige Schmankerl von früher
Mit dem jetzt abgerissenen Gasthaus "Schwarze Pfütze" verbinden Einheimische zahlreiche Erinnerungen. Dabei geht es um lustige oder auch schmerzhafte Ereignisse.
Alte Postkarte vom früheren Gasthaus 'Schwarze Pfütze': Sie trägt keine Jahreszahl. Auf der Rückseite ist aber Gerold Topsnik als Gastwirt genannt, der ab Mitte der 1970er Jahre dort Inhaber war.
Foto: Repro Isolde Krapf/Quelle Konrad Krebs | Alte Postkarte vom früheren Gasthaus "Schwarze Pfütze": Sie trägt keine Jahreszahl. Auf der Rückseite ist aber Gerold Topsnik als Gastwirt genannt, der ab Mitte der 1970er Jahre dort Inhaber war.
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 22.04.2024 02:39 Uhr

Am 25. Oktober 2023 begann man mit dem Abriss der "Schwarzen Pfütze" bei Rottershausen. Jetzt ist nichts mehr von der Gastwirtschaft zu sehen. Der Blick auf das leere Areal mag den ein oder die andere schmerzen, vor allem wenn man mit dem einstigen Traditionslokal Erinnerungen verbindet. Wir starteten einen Aufruf an unsere Leserinnen und Leser, wollten wissen, wer zur "Schwarzen Pfütze" noch etwas zu erzählen hat.

Etliche Personen meldeten sich, die meisten wollen nicht namentlich genannt werden. Unsere Spurensuche ergab: In der geschichtsträchtigen Gaststätte an der früheren B 19 wurde in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur gut gegessen und getrunken.

Diese Postkarte zeigt: Früher kamen Kutschen zum Gasthaus 'Schwarze Pfütze' bei Rottershausen, später waren es Automobile. 
Foto: Repro Isolde Krapf/Quelle Roland Nöth | Diese Postkarte zeigt: Früher kamen Kutschen zum Gasthaus "Schwarze Pfütze" bei Rottershausen, später waren es Automobile. 

Das Gasthaus war Jahrzehnte lang auch regelmäßiger Treffpunkt von Schachspielern. In den 1960-er Jahren – damals war das Schachspielen Volkssport - soll dort sogar so etwas wie eine Schach-Olympiade ausgetragen worden sein. Zudem fand dort bereits damals ein überregionales Motorradtreffen statt.

Einheimische sprechen vom größten Maifest der Region

Bereits 1955 war in der "Schwarzen Pfütze" der Spielfilm "Sohn ohne Heimat" gedreht worden, unter anderem mit den seinerzeit berühmten Schauspielern Elisabeth Flickenschildt und Paul Klinger. Die wichtigsten Szenen des Films spielen tatsächlich in der Wirtsstube – einmal sieht man sogar das Schild "Werner Bräu" im Hintergrund prangen.

Das alljährliche Fest am 1. Mai an der "Schwarzen Pfütze" war bis in die 1960-er Jahre über die Region hinaus bekannt, sagen Zeitzeugen übereinstimmend. Tagsüber war im Garten und abends ab 18 Uhr drinnen beim Tanz jede Menge los. "Wahrscheinlich war es das größte Maifest der Region", sagt ein Rottershäuser, der anonym bleiben will.

"Die Mürschter kamen zu Fuß und fuhren später mit dem Zug heim."
Altbürgermeister Siegfried Erhard zum Maifest an der "Schwarzen Pfütze"

"Im Garten standen zwei große Bierwagen mit Fässern der Brauerei", erinnert sich auch Altbürgermeister Siegfried Erhard. Das Maifest gab’s bis 1963, sagt Erhard, der damals zwölf Jahre alt war. Es sei ein Highlight für die Leute zum Beispiel aus Nüdlingen, Rannungen und Pfändhausen gewesen. "Die Mürschter kamen zu Fuß und fuhren später mit dem Zug heim."

Ungewohnte Ansicht: Das Areal, auf dem bis vor kurzem noch das verfallene Gasthaus 'Schwarze Pfütze' stand. 
Foto: Isolde Krapf | Ungewohnte Ansicht: Das Areal, auf dem bis vor kurzem noch das verfallene Gasthaus "Schwarze Pfütze" stand. 

In den 1950er Jahren, als die Winter noch frostig waren und der Weiher an der "Schwarzen Pfütze" gelegentlich zufror, trauten sich die Rottershäuser Kinder dann stets auf die Eisfläche und spielten mit Holzprügeln Eishockey, erinnert sich der Altbürgermeister an seine Kindheit, als er sieben, acht Jahre alt war.

Die Kinder pflegten auf dem zugefrorenen Weiher Eishockey zu spielen

Der Winterspaß dauerte jedoch nur so lange, bis das Eis des Sees künstlich gebrochen und abtransportiert wurde. Denn die frühere Brauerei Werner, die das Gasthaus damals belieferte, nahm das Eis, laut Erhard, auf dem Rückweg dann zum Kühlen in die Zentrale nach Poppenhausen mit. Aber auch der Wirt des Rottershäuser Gasthauses Bieber holte sich am Weiher Eis für seinen Eiskeller.

Ob es auf dem Weiher neben der 'Schwarzen Pfütze' tatsächlich Boote gab, wie diese Postkarte zeigt, ist historisch nicht belegt.
Foto: Repro Isolde Krapf/Quelle Roland Nöth | Ob es auf dem Weiher neben der "Schwarzen Pfütze" tatsächlich Boote gab, wie diese Postkarte zeigt, ist historisch nicht belegt.

Die "Schwarze Pfütze" hat sogar Ehen gestiftet: Ein Mann aus Rottershausen berichtet, dass er dort seine spätere Frau kennenlernte. Eigentlich sei er in seiner Jugend gar kein Wirtshausgänger gewesen, erzählt er. "Ein Kumpel hatte mich eines Abends mit in die Gastwirtschaft genommen. Und da saß sie dann - zusammen mit ihrer Freundin", beschreibt er die erste Begegnung mit seiner späteren Frau. Näheres über seine große Liebe will der Mann dann aber doch nicht preisgeben.

Hilla Schütze, früher Kulturreferentin der Stadt Bad Kissingen und verantwortlich für den Kissinger Sommer, erinnert sich gern daran, dass sie die Kurgäste der Stadt in den 1970er und 1980er Jahren gelegentlich ins Schlosstheater nach Maßbach ausführte. Auf dem Rückweg seien man dann oft in der "Schwarzen Pfütze" eingekehrt. "Dort gab’s Ei-Brot, also ein Brot mit Eiern belegt. Das fand ich außergewöhnlich."

"Ein Stück Zahn brach raus, das vergesse ich nie."
Bleibende Erinnerung eines Hambachers an die "Schwarze Pfütze"

Ein Mann aus Hambach berichtet anonym von einem für ihn persönlich denkwürdigen Ereignis aus den 1990er Jahren: Als er bei einer Betriebsfeier seiner Firma in der "Schwarzen Pfütze" mit großem Appetit in die leckere, aber sehr harte Kruste des Stücks Spanferkel auf seinem Teller biss, hatte das für ihn schmerzhafte Folgen. "Ein Stück Zahn brach raus, das vergesse ich nie."

Diese Postkarten vom Gasthaus 'Schwarze Pfütze' wurden Anfang des 20. Jahrhunderts verschickt. Roland Nöth hat diese und andere Karten teilweise auf Flohmärkten zusammengetragen.
Foto: Isolde Krapf | Diese Postkarten vom Gasthaus "Schwarze Pfütze" wurden Anfang des 20. Jahrhunderts verschickt. Roland Nöth hat diese und andere Karten teilweise auf Flohmärkten zusammengetragen.

Als der Verlobungsring im Ofen der "Schwarzen Pfütze" landete

Ein weiterer Rottershäuser erzählt von einem "ewigen" Junggesellen aus der Nachbarschaft, der in den 1970er Jahren endlich eine Freundin gefunden und sich sogar verlobt hatte. Als seine Kumpels ihm aber dann erzählten, dass das Fräulein gleichzeitig noch andere Liebschaften unterhalte, fuhr der so Betrogene in die "Schwarze Pfütze", schmiss seinen Verlobungsring ins Feuer des dortigen Ofens und betrank sich fürchterlich.

Etliche, die uns kontaktierten, hatten zudem Interessantes zu früheren Epochen des Landgasthauses gesammelt. Wolfgang Bühringer aus Bad Kissingen zum Beispiel kramte aus seinem persönlichen Fundus eine Polizeimeldung vom 15. Mai 1830 hervor, die vom Königlichen Landgericht Münnerstadt herausgegeben wurde. Sie erschien im "Intelligenzblatt" des Unter-Mainkreises.

Der Schriftzug an der einstigen Gasthaus-Ruine war schon lange verwittert.
Foto: Isolde Krapf (Archiv) | Der Schriftzug an der einstigen Gasthaus-Ruine war schon lange verwittert.

"Dem Bäcker Andreas Straub von Bischofsheim an der Rhöne wurde am 11. May Morgens bey dem Wirtshause an der Schwarzen Pfütze ein bey Seit gelegter Geldgurt mit 46 fl. 36 fr. an einem hessischen 2 fl. Stücke, preußischen Thalern und allerlei Scheidemünzen, entwendet", heißt es dort.

Gustel schreibt ihrem Anton, der an der Front ist

Roland Nöth zeigt uns bei unserem Besuch in seinem Haus unter anderem historische Ansichtskarten - eigentlich Farbdrucke - von der "Schwarzen Pfütze". Ehrfürchtig dreht er eine davon um und liest vor, was eine gewisse Gustel im Jahr 1915 ihrem Mann Anton Blum, der damals im Ersten Weltkrieg war, geschrieben hatte: dass daheim alles gut sei und er sich keine Sorgen machen brauche.

Eine ähnliche Ansichtskarte der "Schwarzen Pfütze" hat auch Konrad Krebs (Rottershausen) aufzuweisen. Da schreibt eine gewisse Rosa im März 1911 - also noch vor dem Ersten Weltkrieg - an den Soldaten Felix Seufert aus dem 5. Infanterie-Regiment, der offenbar in Bamberg stationiert war.

1810 wurde auf dem Areal ein Brunnen gebohrt - neun Jahre bevor die 'Schwarze Pfütze' gebaut wurde. 
Foto: Isolde Krapf (Archiv) | 1810 wurde auf dem Areal ein Brunnen gebohrt - neun Jahre bevor die "Schwarze Pfütze" gebaut wurde. 

Krebs hat weitere historische Fundstücke vorzuweisen: Der Beilage "Heimattreue" der Saalezeitung von 1933 hat er entnommen, wie die ersten Wirte der "Schwarzen Pfütze" hießen (leider ohne Vornamen und Jahresangaben): Demnach soll der erste Pächter ein Mann namens Wehner gewesen sein. Danach übernahm ein gewisser Regen den Gasthof. Sein Nachfolger hieß Albert. Spätere Wirte waren eine gewisser Aumüller und ein Herr Geis, bis dann Heiner Wissel kam, den die Rottershäuser "Pfütsche Heiner" nannten.

Für Sonntagsschüler ein "gefährlicher" Besuch

In selbiger Beilage, die ein gewisser Bezirksschulrat Nikola herausgab, ist zudem die Rede davon, dass das Gasthaus "Schwarze Pfütze" im 19. Jahrhundert auch schon (heimlicher) Anziehungspunkt für Jugendliche war. Selbst Sonntagsschüler seien dort "unbefugt" eingekehrt, wie Schulprotokolle aus Rottershausen belegen.

"... weil daselbst größere Unordnungen vorgegangen sind ..."
Aus einem Rottershäuser Schulprotokoll von 1823

Am 1. Jul 1823 ist in einem solchen zum Beispiel vermerkt, dass mehrere Sonntagsschüler in dem Gasthaus zum Tanz eingekehrt seien. Der Besuch dieser Lokalität sei "gefährlich", weil weder Eltern noch die Polizei dort die Aufsicht hätten, hieß es  – "und weil daselbst größere Unordnungen vorgegangen sind".

2014 konnte man noch ganz gut lesen, was auf dem Hausstein der 'Schwarzen Pfütze' stand.
Foto: Isolde Krapf (Archiv) | 2014 konnte man noch ganz gut lesen, was auf dem Hausstein der "Schwarzen Pfütze" stand.

Die "Lokalschulinspektion" halte es daher für ihre Pflicht, so das Protokoll weiter, den Sonntagsschülern "auf das Strengste und unter Androhung körperlicher Strafe" den Besuch des Wirtshauses zu verbieten.

Führte an der "Schwarzen Pfütze" ein Rennweg vorbei?

Krebs ist auch Münzsammler. Der leidenschaftliche Magnetfischer hat, wie er sagt, an die 300 Münzen bei Rottershausen und der "Schwarzen Pfütze" aus dem Untergrund zu Tage gefördert. Er ist fest davon überzeugt, dass an seinem Heimatort einst ein Rennweg vorbeiführte.

Auf diesen Verbindungswegen waren einst Boten oder Kuriere zu Fuß oder zu Pferd unterwegs, um Nachrichten zu friedlichen oder auch kriegerischen Zwecken von A nach B zu überbringen. Krebs stützt seine Hypothese durch Münzfunde, wie zum Beispiel eine Sterbemünze des französischen Königs Ludwig XVI. (1793) sowie eine Sechs-Kreuzer-Münze aus dem Herzogtum Nassau (1834).

 
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