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Der Netzwerker
Siegfried Erhard lenkt seit 24 Jahren die Geschicke der Großgemeinde Oerlenbach. Vor kurzem gab er im Ratsgremium bekannt, dass er zur Kommunalwahl im März 2014 nicht mehr kandidieren will.
Blickt optimistisch in die Zukunft: Bürgermeister Siegfried Erhard will 2014 nicht mehr antreten.
Foto: Isolde Krapf | Blickt optimistisch in die Zukunft: Bürgermeister Siegfried Erhard will 2014 nicht mehr antreten.
Von unserem Redaktionsmitglied ISOLDE KRAPF
 |  aktualisiert: 10.10.2013 19:39 Uhr

Als Bürgermeister Siegfried Erhard im Juni zur Kur nach St. Peter-Ording fährt, ahnt er noch nicht, dass er sein Leben komplett umkrempeln wird. Fernab aller Diensttermine und bar jeglicher Berufsverpflichtung fühlt er sich dort plötzlich völlig auf sich zurückgeworfen und fällt nach hartem innerem Ringen einen wichtigen Entschluss: Im März 2014 will er nicht mehr zur Kommunalwahl antreten.

Bei einem Mann wie Erhard, der nahezu seit einem Vierteljahrhundert in Amt und Würden steht, – und zwar mit Leib und Seele – kommt eine solche Entscheidung vollkommen überraschend. Denn schließlich ist Erhard in all den Jahren nicht nur Großgemeindechef, sondern lenkt fast genauso lange auch im Bayerischen Gemeindetag und im Regionalen Planungsverband die Geschicke mit. Seit zwei Jahren hat er gar im Hauptausschuss des Deutschen Städte- und Gemeindebunds Sitz und Stimme. Das alles mit einem Mal loszulassen, mag ihn nun schwer ankommen.

Aber es ist auch eine Meisterleistung der Vernunft, wenn einer der dienstältesten Bürgermeister im Landkreis plötzlich merkt, dass er in Gesprächen bei der Kur von sich nur noch als öffentlicher Person erzählt und der private Siegfried Erhard gar keinen Platz mehr hat. Wenn ein Familienvater erkennt, dass Frau und Kinder sich mit ihren eigenen Bedürfnissen immer nach seinen beruflichen Gegebenheiten richten müssen. Wenn die Privatperson Siegfried Erhard plötzlich gewahr wird, dass sein Terminkalender zwar ständig proppenvoll ist, dort aber weder Essenszeiten noch Ruhephasen vermerkt sind.

„Ich hatte kein Wochenende frei, keine Entspannungsphasen, keinen Urlaub, in dem ich nur zu Hause war“, bekennt der 61-Jährige. Andere sagen so etwas mit Stolz. Bei ihm klingt es so, als ob er verblüfft ist und heute gar nicht glauben kann, welches Pensum er all die Jahre durchgepeitscht hat. Von seinen jährlich 30 Urlaubstagen blieben immer zehn stehen. Macht in 24 Jahren 240 Tage, an denen der Bürgermeister unbewusst, weil immer mit dem Blick auf den Beruf, darauf verzichtete, sich mit seiner Familie eine schöne Zeit zu machen, zu wandern, zu feiern, zu grillen, zu lesen, einfach mal nichts zu tun. „Aber das habe ich mir selbst zuzuschreiben“, erkennt er jetzt.

Nun will er mehr private Verantwortung für sich und die Familie übernehmen. Er ist ohnehin jemand, der gern Verantwortung trägt. All die politischen Ämter, die er innehat, zeugen davon. Aber sie auszufüllen, kostet eben Zeit – Lebenszeit. Wenn man 18 Jahre lang Kreisvorsitzender im Bayerischen Gemeindetag ist, muss man sich mit den Kollegen vor Ort besprechen, aber auch den Blick auf andere Kommunen im Freistaat lenken. Als stellvertretender Bezirksvorsitzender (seit 2008) wird der Radius größer, werden die Gremien weitläufiger, wird die Themenvielfalt noch bunter. Auf bundesdeutscher Ebene im Städte- und Gemeindebund (seit 2011) ist die Essenz solcher Tagungen wieder anders. Aber auch im Regionalen Planungsverband (seit 18 Jahren) ist das Spektrum umfangreich, gilt es auf kritische Aspekte sofort zu reagieren, aber auch langwierige Prozesse geduldig zu begleiten.

Für Erhard ist es eben wichtig, Informationen auf höherer Ebene zu erhalten und Weitreichendes selbst mit auf den Weg zu bringen. Er ist gern Netzwerker, weil er dann einen Wissensvorsprung hat und voraus denken kann. „Da kann man später auch ganz anders Einfluss nehmen.“ Was er in all den Jahren plante, umsetzte, und in den Köpfen anderer anstieß, lässt sich schwer als Gesamtpaket erfassen. Den Standort der Bundespolizei in Oerlenbach zu halten, war sicher eines der kräftezehrendsten Projekte seiner ersten Amtsperiode. Die Fortentwicklung, die Ebenhausen und Rottershausen Ende der 90-er Jahre nahmen, gehen ebenso auf den Gemeindechef zurück wie der Bau eines Seniorenzentrums in Oerlenbach und die Gestaltung eines attraktiven Dorfmittelpunkts in Eltingshausen.

Bei den Planungen zur A 71 machte er sich für die Gemeinde stark und auch für das Interkommunale Gewerbegebiet brachte er all seine Kräfte ein. Manchmal erschien er vielleicht eigenwillig, damals zum Beispiel, als er sich für einen Bahnhaltepunkt in Rottershausen einsetzte. Heute ist Oerlenbach eine der wenigen Gemeinden, in denen die Züge noch an drei Bahnhöfen halten. Mit manchen Projekten ist er bei den Bürgern auch angeeckt, musste kämpfen und auch mal etwas einstecken. Darauf blickt er heute gelassen zurück. „Wenn man Weichen stellen will, sind nicht immer alle einverstanden. Die Auseinandersetzungen sind das Salz in der Suppe.“

 
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