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Fußball: 3. Liga
Fünf Gründe für den Absturz der Kickers im Jahr 2021
Hinter dem Würzburger Fußball-Drittligisten liegen zwölf Monate zum Vergessen. Wie sich die anhaltende Talfahrt der Rothosen erklären lässt.
Ein Foto, das stellvertretend für das Jahr 2021 bei den Würzburger Kickers steht: Für Marvin Pourié und die Rothosen folgte ein Negativerlebnis dem nächsten.
Foto: foto2press/Frank Scheuring | Ein Foto, das stellvertretend für das Jahr 2021 bei den Würzburger Kickers steht: Für Marvin Pourié und die Rothosen folgte ein Negativerlebnis dem nächsten.
Felix Mock
 und  Frank Kranewitter
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:27 Uhr

Ein Jahr voller Misserfolge: 2021 starteten die Fußballer der Würzburger Kickers als Tabellenletzter der 2. Bundesliga. Die Rote Laterne gaben sie bis zum Saisonende nicht ab. Nach dem Abstieg flammte kurz die Hoffnung auf, den Tabellenkeller in Liga drei erst einmal nicht betreten zu müssen, sich wieder in sonnigeren Gefilden aufhalten zu können. Doch es kam anders. Seit dem ersten Spieltag stehen die Rothosen auch in der neuen Saison auf einem Abstiegsplatz und schauen zum Jahreswechsel in den Abgrund am Rande des Profifußballs. Wie konnte es soweit kommen? Fünf Gründe für den Absturz der Kickers.

Grund 1: Magaths Erbe

Zum Jahresbeginn 2021 war noch immer Felix Magath der starke Mann im Hintergrund bei den Kickers. Einen Posten im Verein hatte der Head of Flyeralarm Global Soccer nie. Dass er als Leitender Angestellter der Fußballabteilung des Investors aber bei Spieler- und Trainerverpflichtungen das entscheidende Wort hatte, ist unbestritten. Manchmal diktierte er den Trainern am Telefon auch seine Wunschaufstellung. Und Magath dachte offensichtlich international. Zumindest waren die Nachverpflichtungen des Winters nicht unbedingt typisch für einen Tabellenletzten der 2. Bundesliga.

Der Tscheche Martin Hasek kam nach langer Vertragslosigkeit an den Dallenberg. Der gebürtige Schweizer und venezolanische Ex-Nationalspieler Rolf Feltscher wechselte direkt aus Los Angeles nach Würzburg. Der Niederländer Rajiv van la Parra, einst in der englischen Premier League aktiv und Halbbruder des Nationalspielers und einstigen Champions-League-Siegers Georginio Wijnaldum, spielte zuvor in der zweiten spanischen Liga. Dazu noch der 19-malige österreichische Nationalstürmer Stefan Maierhofer, der für Einsätze in der höchsten Liga der Alpenrepublik beim anderen Flyeralarm-Klub in Mödling mit damals 38 Jahren offenbar bereits zu alt war. Das Winter-Shopping der Kickers auf dem Transfermarkt wirkte, auch wenn keine nennenswerten Ablösesummen flossen, recht ungehemmt. Der Kader wurde maßlos aufgebläht. 

Die Verpflichtungen von Leihstürmer Marvin Pieringer vom SC Freiburg und Abwehr-Routinier Christian Strohdiek wirkten da schon vergleichsweise vernünftig. Einen nachhaltigen Effekt auf die Leistungen der Kickers hatten sie freilich auch nicht. Die Rothosen stiegen am Ende der schauerlichen Geistersaison sang- und klanglos ab.

Ein Duo, das inzwischen schon wieder Geschichte ist bei den Kickers: Felix Magath (rechts), Head of Flyeralarm Global Soccer, am Dallenberg zusammen mit Christian Ortlepp, Head of Communication bei Flyeralarm Global Soccer.
Foto: Silvia Gralla | Ein Duo, das inzwischen schon wieder Geschichte ist bei den Kickers: Felix Magath (rechts), Head of Flyeralarm Global Soccer, am Dallenberg zusammen mit Christian Ortlepp, Head of Communication bei Flyeralarm Global ...

Und Magath? Der trank am Tag, als sein Engagement als Head of Global Soccer bei Flyeralarm endete, wie die "Bild"-Zeitung exklusiv  meldete, im  Café "Amandines et Chocolats" in München-Harlaching zunächst einen Kakao. Danach radelte er auf einem Hollandrad durch den Münchner Stadtteil.

Am Dallenberg blieb am Ende der Amtszeit des Alt-Meistertrainers ein Scherbenhaufen. Der Ruf war ruiniert, finanzielle Rücklagen gab es nach der Zweitligasaison keine, und die verbliebene Ansammlung von Spielern war alles – nur keine Mannschaft. An Magaths Erbe werden die Kickers noch eine ganze Weile abzutragen haben. Das mit Magaths Verpflichtung im Januar 2020 großspurig gestartete Projekt ist krachend gescheitert.

Grund 2: Ziegner war der falsche Trainer für die Kickers

Als der Abstieg feststand, war klar: Jetzt werden am Dallenberg erst einmal kleinere Brötchen gebacken. Ein Ausbildungsverein wollen die Kickers werden, einer, der Spieler besser macht und dann möglichst mit Gewinn wieder abgibt. Und der damalige Sportvorstand Sebastian Schuppan, der nach Magaths Verschwinden nun endlich völlig selbstständig entscheiden durfte, hatte schnell den passenden Trainer dafür gefunden. Christian Preußer hieß der und war gerade mit dem SC Freiburg II in die 3. Liga aufgestiegen.

Eine Zigarette zur Beruhigung: Ex-Trainer Torsten Ziegner verfolgt das Spiel der Kickers beim MSV Duisburg aufgrund einer Sperre von der Tribüne aus.
Foto: foto2press/Frank Scheuring | Eine Zigarette zur Beruhigung: Ex-Trainer Torsten Ziegner verfolgt das Spiel der Kickers beim MSV Duisburg aufgrund einer Sperre von der Tribüne aus.

Doch ehe der Wunschkandidat in Würzburg unterschrieben hatte, schnappte Zweitligist Fortuna Düsseldorf ihn den Kickers einfach weg. Eine Alternative musste her. Und plötzlich war da Torsten Ziegner. Der passte zwar nicht ins Profil des Ausbildungstrainers, aber er hatte Drittliga-Erfahrung. Einer, der weiß, worum es geht. Aber eben nicht gerade die Wunschlösung. Wird schon gut gehen, so war trotzdem das Gefühl zum Saisonstart. Doch der ging völlig daneben.

Als Ziegner nach elf Spielen gehen musste, hatten die Kickers gerade einmal ein Spiel gewonnen. Die Gründe waren offensichtlich: Ziegner und die Kickers, das passte nicht. Der Trainer fand weder ein für die Mannschaft passendes Spielkonzept, die Totalausfälle häuften sich, Ziegner konnte den jungen Spielern nichts Helfendes an die Hand geben. Die Einsicht in eigene Fehler war offensichtlich nicht allzu ausgeprägt. Die Nachricht von der Trennung soll bei Ziegner für große Verwunderung gesorgt haben, obgleich der Schritt aus Vereinssicht eher zu spät als zu früh erfolgte. Der Fehlstart in die Saison 2021/22 ist eine große Hypothek für die Kickers.

Grund 3: Der Kader ist schwächer als gedacht

Sportdirektor Schuppan machte sich im Sommer mit frischem Mut ans Werk, um ein drittligataugliches Team zusammenzustellen. Das finanzielle Budget war nach den Abenteuern des Vorjahres deutlich zusammengestrichen worden. Trotzdem war Schuppan am Ende überzeugt von seiner Kader-Zusammenstellung.

Musste etliche Entlassungen selbst vornehmen, ehe er selbst geschasst wurde: der ehemalige Sportvorstand Sebastian Schuppan
Foto: foto2press/Frank Scheuring | Musste etliche Entlassungen selbst vornehmen, ehe er selbst geschasst wurde: der ehemalige Sportvorstand Sebastian Schuppan

Zur Saisonhalbzeit muss man feststellen: Es war ein Irrglaube. Auch, weil der eigentlich als Kapitän und Führungsspieler eingeplante Christian Strohdiek offenbar überhaupt nicht mehr mithalten kann in Liga drei. Es war nicht die einzige Fehleinschätzung. Auch einem Neuzugang wie Moritz Heinrich trauten Schuppan und Ziegner eine Führungsrolle zu. Bislang ist er allenfalls Mitläufer. Die Routiniers Nzuzi Toko und Daniel Hägele spielten wegen Verletzungen bislang keine Rolle.

Die Folge: Die Zahl an echten Leistungsträgern ist sehr klein. Wenn aus der Achse mit Torhüter Hendrik Bonmann, den Innenverteidigern Lars Dietz und Tobias Kraulich, Mittelfeldmann David Kopacz und Angreifer Marvin Pourié nur ein Spieler ausfällt oder formschwach ist, wird es eng für die Kickers. Ob sich dieser Mangel mit Transfers im Winter beheben lässt?

Grund 4: Wenig Erfahrung in der Führung

Die Aufgabenstellung am Dallenberg ist kompliziert, das war schon im Sommer klar. Sportvorstand Schuppan hatte in der vorangegangenen Saison mit dem heimlichen Entscheider Magath im Hintergrund immerhin schon etwas proben dürfen. Ein halbes Jahr später bleibt nun festzuhalten, dass die Aufgabe wohl eine Nummer zu groß gewesen war für den Berufsanfänger. Der fragwürdige Kader sowie das Missverständnis mit Ziegner fallen klar in Schuppans Kompetenzbereich. Die Konsequenzen daraus haben die Kickers im Oktober auf sicherlich fragwürdige Weise (siehe Grund 5) gezogen. 

Nun ist es an zwei weiteren Neueinsteigern, die Suppe auszulöffeln. Sebastian Neumann wagt derzeit seine ersten Schritte als neuer Sportdirektor am Dallenberg und hat eine eminent wichtige Transferperiode vor der Brust. Definitiv eine knifflige Aufgabe für den erst 30-Jährigen. Ihm zur Seite steht mit Christian Jäger ein Vorstandsvorsitzender, der sich bestens auskennt in Fußballdeutschland und auch damit, wie ein gesundes Unternehmen funktioniert. Bei einem Fußballklub hat er vorher jedoch auch nie gearbeitet. So wie auch Danny Schwarz zwar vom FC Bayern München nach Würzburg gekommen war, dort aber auch die meiste Zeit eben nicht mit Herrenteams verbracht hat.

Haben aktuell das Sagen bei den Kickers: Sportdirektor Sebastian Neumann und Trainer Danny Schwarz (von links)
Foto: Daniel Lakomski / foto2press | Haben aktuell das Sagen bei den Kickers: Sportdirektor Sebastian Neumann und Trainer Danny Schwarz (von links)

Dass so eine Kombination durchaus Erfolg bringen kann, hat das Duo Michael Schiele und Daniel Sauer gezeigt. Beide feierten gemeinsam 2020 den Aufstieg in die Zweite Bundesliga, beide hatten ihre jeweiligen Ämter ebenfalls ohne große Vorerfahrung angetreten. Dass eine solche Rechnung jedoch erneut aufgeht, ist eine riskante Wette.

Grund 5: Das Bild des Chaos-Klubs festigt sich

Spieler in der Winterpause zu einem Wechsel an den Dallenberg zu bewegen, dürfte aufgrund der brenzligen sportlichen Situation schwierig genug sein. Abstiegskampf in Liga drei rangiert wohl auf einer ähnlichen Attraktivitätsebene wie das Bild der Kickers nach außen im Allgemeinen. Die Aktionen, die Außenstehende im vergangenen Jahr spöttisch in Richtung Würzburger Kickers haben blicken lassen, sind zahlreich.

Zwar fallen Sätze wie "Die Vision ist Europapokal" und "Er kann ja in Ruhe weiterarbeiten. Halt woanders" nicht mehr in das Jahr 2021. Trotzdem hallen diese Aussagen von Felix Magath noch lange nach. Noch immer sind die Kickers zumindest ein Stück weit Magath-Klub. Spieler sollen, so ist im Umfeld zu hören, auch seinetwegen einem möglichen Transfer eine Absage erteilt haben. Dass Magath selbst bei der Verkündung seines Abschieds im Mai schließlich "Respekt" einforderte, war die komische Pointe dieses eineinhalbjährigen Schauspiels. 

Ein weiteres öffentlichkeitswirksames Statement gab es nach dem Spiel der Würzburger Kickers gegen den 1. FC Nürnberg Anfang April. Investor Thorsten Fischer erklärte wenige Sekunden nach dem Abpfiff, dass seine Firma Flyeralarm die Sponsoringverträge gegenüber dem DFB kündigen werde. Ausschlaggebend war eine weitere vermeintliche Fehlentscheidung der Schiedsrichter gewesen. Beachtung fand die Aktion bundesweit, so war sie auch angelegt gewesen. Das kann man konsequent nennen oder aber borniert. Mindestens kurios muss man aber finden, dass der DFB auf Nachfrage im Juli mitteilte: "Eine Kündigung der Partnerverträge hat nicht stattgefunden." Der DFB werde die "konstruktive Zusammenarbeit mit Flyeralarm" fortsetzen.

Die Wege haben sich getrennt, das Wirken hallt noch lange nach: Der Vorstandsvorsitzende Thorsten Fischer (links) verfolgt das Spiel der Kickers gegen Hansa Rostock zusammen mit Felix Magath von der Terasse vor der Stadiongaststätte aus.
Foto: Heiko Becker | Die Wege haben sich getrennt, das Wirken hallt noch lange nach: Der Vorstandsvorsitzende Thorsten Fischer (links) verfolgt das Spiel der Kickers gegen Hansa Rostock zusammen mit Felix Magath von der Terasse vor der ...

Und dann war da noch die Sache mit den fortwährenden Personalwechseln. Blickt man zurück auf das Jahr 2021, kommen einige unrühmliche Abgänge in den Sinn, da braucht es noch nicht einmal die alte Schiele-Geschichte. Torwarttrainer und Kickers-Urgestein Robert Wulnikowski musste gehen, ohne Not. Bernhard Trares am Ende einer zweiwöchigen Länderspielpause und kurz vor dem wichtigen Auswärtsspiel in Sandhausen. Daniel Sauer hörte auf als Vorstandsvorsitzender. Michael Reizel, mit seiner Firma BVUK auch Brustsponsor des Teams, legte sein Amt im Aufsichtsrat der Profi AG nach nicht einmal einem Jahr wieder nieder. Persönliche Gründe seien ausschlaggebend gewesen.

Den bisherigen Schlusspunkt dieser Serie gab es Anfang Oktober, als Sebastian Schuppan Trainer Torsten Ziegner von dessen Entlassung unterrichten musste. Dass er noch am selben Tag, besser gesagt nur wenige Stunden später, ebenfalls seinen Platz würde räumen müssen, wusste der Sportvorstand da noch nicht. Familiär wirkte all das nach außen sicher nicht. Das Bild, das die Kickers in der Öffentlichkeit vermitteln, verschärft alle ohnehin schon existierenden Probleme.

 
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Kommentare
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  • E. H.
    Dem Bock zum Gärtner gemacht! Die zarten Strukturen erstellt, von Michael Schiele und
    Daniel Sauer, hat der Bock mit brachialer Gewalt nullkommanichts zerstört!
    Vom Vorzeige Club zum Chaos Club, das muss man erst mal schaffen!
    Es ist wirklich zum Weinen!!!
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  • B. M.
    Es kann ja eigentlich nur besser werden, weil schlechter geht gar nicht
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  • H. S.
    Dem ist nicht mehr hinzu zu fügen.
    Schlimmer geht's nimmer.
    Völlig konzept- und planlos.
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