Mit einem Messer stach am 25. Juni 2021 ein Mann am Würzburger Barbarossaplatz auf ahnungslose Passanten ein - erst in einem Kaufhaus, dann auf der Straße. Drei Frauen starben, mehrere Menschen wurden schwer verletzt. Der Täter, der zur Tatzeit 32 Jahre alter Somali Abdirahman J., wurde kurz nach der Tat festgenommen.
Am 22. April begann der Prozess gegen den Messerangreifer vor dem Landgericht Würzburg. Am ersten von 27 anberaumten Verhandlungstagen im Prozess um die Messerattacke von Würzburg hat sich der Täter über seinen Pflichtverteidiger Hanjo Schrepfer zu den Vorwürfen gegen ihn geäußert. Der Messerangreifer kam in Fußfesseln in die Verhandlung und eine Antragsschrift voller entsetzlicher Details wurde verlesen.
Es ist ein Verfahren, das den in Würzburg gewohnten Rahmen sprengt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Prozess:
Worum geht es bei diesem Prozess um den Messerangriff in Würzburg - und worum nicht?
In vielen Strafverfahren geht es darum, eine Schuld zu beweisen und eine angemessene Strafe zu finden. Bei diesem Prozess liegt der Schwerpunkt anders, auch wenn die Ereignisse vom Juni 2021 mit Hilfe von Zeugen so gut wie möglich aufgeklärt werden sollen. Hier steht die Abwehr einer drohenden Gefahr der Wiederholung im Vordergrund.
Solange der Beschuldigte nach Einschätzung von Experten eine Gefahr für sich und andere darstellt, muss die Öffentlichkeit vor weiteren Taten geschützt werden. Dafür soll er dauerhaft in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie untergebracht werden. Dafür bedarf es einer gerichtlichen Entscheidung.
Fahren Sie mit dem Cursor über die Zahlen, um den Ablauf der Tat nachzuvollziehen:
Warum gibt es keine Anklage gegen den Würzburger Messerangreifer?
Zwei Gutachter gelangten nach Untersuchungen zu der Einschätzung, Abdirahman J. sei bei der Tat verwirrt gewesen. Er sei paranoid schizophren. Stimmen in seinem Kopf hätten ihn zu der Tat getrieben. Deshalb ist er nicht Angeklagter, sondern Beschuldigter. Es gibt keine Anklageschrift, sondern eine Antragsschrift zu einem Sicherungsverfahren. Die Generalstaatsanwaltschaft München wirft dem Beschuldigten dreifachen Mord an drei Frauen im Alter von 24, 49 und 82 Jahren sowie versuchten Mord in elf Fällen vor - begangen im Zustand der Schuldunfähigkeit.
Wie lange wird der Prozess zur Messerattacke in Würzburg dauern?
Angesetzt sind 27 Prozesstage, gestreckt auf fünf Monate. Ein Urteil könnte am 23. September fallen. Der Prozess findet an drei unterschiedlichen Orten statt, es wird mehr als ein Dutzend Wechsel der Verhandlungsorte geben. "Ein logistisch vergleichbares Verfahren, insbesondere durch Corona-Beschränkungen, hat es bisher noch nicht in Würzburg gegeben", sagt Michael Schaller, Sprecher des Landgerichts Würzburg. "In der Vorbereitungsphase sind regelmäßig sechs Personen mit dem Prozess beschäftigt - allerdings immer nur stundenweise."
Warum kann nicht im Würzburger Strafjustizzentrum verhandelt werden?
Unter Corona-Bedingungen müssen Mindestabstände von 1,5 Metern bei Prozessbeteiligten und Zuschauern eingehalten werden. Deshalb würden selbst in den größten Sitzungssaal des Strafjustizzentrums in der Ottostraße derzeit nur 26 Menschen passen - bei diesem Prozess sind es aber erheblich mehr. Also suchte man nach größeren Räumen.
An drei wechselnden Standorten muss das Landgericht Würzburg nun ab 22. April über die Zukunft des Mannes entscheiden, der im Juni 2021 in der Würzburger Innenstadt mit einem Messer auf Passanten eingestochen hatte: Die Mainfrankensäle in Veitshöchheim, die Weiße Mühle in Estenfeld und das Vogel-Convention-Center in Würzburg.
Wer ist bei dem Prozess gegen den Würzburger Messerstecher alles dabei?
Da ist zunächst die erste Strafkammer des Landgerichts Würzburg um den Vorsitzenden Thomas Schuster mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen. Dazu kommen in langwierigen Verfahren wie diesem vorsorglich zwei Hilfsschöffen. Damit verhindert man, dass der Prozess platzt, wenn jemand aus Krankheitsgründen nicht zur Sitzung kommen kann. Dazu ein Protokollant oder eine Protokollantin sowie ein oder mehrere Justizwachtmeister.
Der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft aus München, der den hoch angesiedelten Fall vertritt, dürfte zur Unterstützung einen Stellvertreter dabei haben. Das gleiche gilt für Verteidiger Hanjo Schrepfer, dem sein Kollege Tilman Michler zur Seite steht. Der Beschuldigte wird von mehreren Polizeibeamten gebracht.
Dazu kommen laut Pressesprecher Schaller bisher 14 der Opfer als Nebenkläger samt ihren Anwälten - wobei noch weitere dazu kommen können. Sie können sich auch von ihren Anwälten vertreten lassen und müssen nicht jeden Tag im Sitzungssaal bleiben. Mit dem Dolmetscher und den Gutachter ist man schon bei knapp 50 Prozessbeteiligten. Dazu kommen noch Medienvertreter und Zuschauer.
Warum konnte man sich nicht auf einen Verhandlungsort einigen, sondern braucht drei verschiedene?
Schon die Festlegung eines Programmablaufes über 27 Sitzungstage war kompliziert: Welche Prozessbeteiligten hatten wann noch freie Termine? Als dann ein Fahrplan feststand, zeigte sich: Viele für Prozesse geeignete Räumlichkeiten waren bereits ausgebucht. Daher gibt es nun mehrfache Ortswechsel.
Der Prozess beginnt am 22. April in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim - und soll dort am 23. September enden. 17-mal soll da verhandelt werden, an den anderen Tagen wird im Vogel Convention Center (VCC) in Würzburg verhandelt oder in der Weißen Mühle in Estenfeld.
Wer baut für den Prozess zur Messerattacke an den jeweiligen Verhandlungsorten auf und ab?
"Dies geschieht nach intensiver Absprache mit dem Gericht durch die Vermieter", sagt Gerichtssprecher Michael Schaller. "Deren Leistungen werden am jeweils ersten Tag an einem Veranstaltungsort überprüft und gegebenenfalls rechtzeitig korrigiert."
Wer hat das Hausrecht beim Prozess gegen den Würzburger Messerattentäter?
Das Hausrecht hat in seinem Sitzungssaal der jeweils Vorsitzende Richter, in diesem Fall Thomas Schuster, der Vorsitzende der 1. Strafkammer. Er steuert nicht nur den Verhandlungsablauf, sondern entscheidet auch, wer unter welchen Voraussetzungen in den Sitzungssaal darf.
Welche Regeln gelten für Zuschauerinnen und Zuschauer im Prozess?
Der Prozess ist prinzipiell öffentlich, schließlich wird ja im Namen des Volkes Recht gesprochen. Das Gericht kann aber per Beschluss die Öffentlichkeit ausschließen, wenn es um intime schützenswerte Interessen zum Beispiel von Zeugen geht. Bisher gebe es dafür keine Planungen, sagt Pressesprecher Michael Schaller. In den Zuschauerraum dürfen nur so viele Menschen, wie Sitzplätze mit 1,5 Meter Abstand zueinander vorhanden sind. Ein gekennzeichneter Teil der Plätze ist für Medienvertreter reserviert.
Prozess zur Messerattacke in Würzburg: Wann können Zuschauer in den Sitzungssaal?
Der Sitzungssaal wird jeweils 60 Minuten vor Sitzungsbeginn geöffnet. Alle Besucher einschließlich der akkreditierten Pressevertreter müssen sich den am Landgericht Würzburg üblichen Einlasskontrollen unterziehen. Während der Sitzungspausen und nach Ende der Sitzung müssen die Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreter den Sitzungssaal verlassen. Wer keinen Sitzplatz gefunden hat, muss den Sitzungssaal unverzüglich verlassen. Bild- und Tonaufnahmen während der Sitzung sind verboten, ebenso das Telefonieren.
Was gilt im Sitzungssaal zum Schutz vor Corona?
Sämtliche Verfahrensbeteiligten müssen während der Sitzung FFP-2-Maske tragen. Davon sind der Beschuldigte, die Zeugen sowie der Vorsitzende grundsätzlich ausgenommen. Alle übrigen Verfahrensbeteiligten dürfen während ihrer Redebeiträge die Maske abnehmen.
Muss man einen gültigen Corona-Schnelltest vorlegen, um in den Gerichtssaal zu dürfen?
Das ist bisher nicht vorgesehen. Sollte dies durch eine Verschärfung der Corona-Lage nötig werden, gibt es in Würzburg, Veitshöchheim und Estenfeld jeweils Testzentren in der Nähe der Gerichtsorte.
Wer bringt die Aktenberge von Ort zu Ort?
Der Transport der für die jeweilige Sitzung benötigten Aktenteile erfolgt durch die Justizwachtmeister.
Wie macht sich das Würzburger Gericht dem Beschuldigten im Messerangreifer-Prozess verständlich?
Da Abdirahman J. schon in Vernehmungen Aussagen gemacht hat, ist den Behörden bekannt, welche Sprache er versteht. Laut seinem Verteidiger Hanjo Schrepfer ist im Prozess ein Dolmetscher für die somalische Sprache dabei.
Wer sorgt für Sicherheit? Gibt es zusätzlich zur Polizei einen Sicherheitsdienst? Und wo kommt der Beschuldigte in den Prozesspausen unter?
"Zu sicherheitsrelevanten Umständen können leider keine Angaben gemacht werden, wofür um Verständnis gebeten wird", sagt der Sprecher des Landgerichts auf Anfrage.
Im Vorfeld gab es anonymen Gewaltdrohungen gegen den Beschuldigten, seinen Verteidiger und den Würzburger Oberbürgermeister. Gab es auch Drohungen gegen das Gericht?
Von solchen Drohungen ist nichts bekannt, teilt der Gerichtssprecher auf Anfrage mit.
Was kostet dieser Prozess gegen den Würzburger Messerangreifer?
Konkrete Angaben zu den entstehenden Kosten können nicht gemacht werden, sagt Gerichtssprecher Schaller. "Diese sind abhängig von der Dauer des Verfahrens und setzen sich aus den üblichen Kosten für die Anmietung der Säle und den nur kalkulatorisch ansetzbaren Kosten für die Prozessbeteiligten (zum Beispiel Sachverständige, Dolmetscher - ebenfalls stark abhängig von der Dauer) zusammen."
Kann man die Kosten des Prozesses in Würzburg schon schätzen?
In einem anderen Verfahren betrug die Hallenmiete pro Tag etwa 1600 Euro. Jetzt dürfte sie wohl höher ausfallen, weil die Anbieter bei wegfallenden Corona-Beschränkungen mehr Einnahmen durch private Mieter hätten. Damit wäre man allein bei den Räumlichkeiten bei rund 50.000 Euro. Gutachter und Dolmetscher werden nach einem festen Katalog mit 85 bis 155 Euro pro Stunde bezahlt, dazu kommen Fahrtkosten und - wenn nötig - Übernachtungskosten.
Juristisch gesehen sieht es dann doch anders aus.
Die Leser hier könnten meinen dass Ihr Beitrag diesen Wunsch suggeriert. Und das wollen Sie ja bestimmt nicht.