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Würzburg
Würzburger Messerattacke: Sind Geflüchtete anfälliger für psychische Störungen?
Machen traumatische Kriegs- und Fluchterlebnisse gewalttätig? Die Gründe dafür liegen – auch im Würzburger Fall – woanders, sagt der Migrationspsychologe José-Marie Koussemou.
Nahm kürzlich auch an einer Podiumsrunde zu seelischen Notlagen bei Geflüchteten in Würzburg teil: José-Marie Koussemou, seit August Chefarzt der Psychiatrie am Klinikum Heidenheim.
Foto: Thomas Obermeier | Nahm kürzlich auch an einer Podiumsrunde zu seelischen Notlagen bei Geflüchteten in Würzburg teil: José-Marie Koussemou, seit August Chefarzt der Psychiatrie am Klinikum Heidenheim.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:50 Uhr

Der tödliche Messerangriff am 25. Juni in Würzburg durch einen somalischen Asylbewerber und dessen mehrfache Behandlung in psychiatrischen Kliniken haben die Frage aufgeworfen: Sind Geflüchtete psychisch besonders anfällig oder angeschlagen? Und wie ist damit umzugehen? Der aus dem westafrikanischen Benin stammende José-Marie Koussemou (49), seit August Chefarzt der Psychiatrie am Klinikum Heidenheim, forscht dazu im Rahmen seiner Promotion. Seit Jahren beschäftigt er sich mit Fragen der Migrationspsychiatrie. Koussemou hat in Würzburg von 1997 bis 2003 Medizin studiert und war in dieser Zeit stellvertretender Vorsitzender des städtischen Ausländerbeirates.

Frage: Erkennen Sie bestimmte Muster unter psychiatrisch behandelten Geflüchteten?

José-Marie Koussemou: Nein, außer Sprachproblemen. Wer uns Schwierigkeiten macht, das sind Patientinnen und Patienten mit einer Psychose und zusätzlich einer Drogenabhängigkeit. Und dieses Krankheitsbild gibt es genauso bei jungen deutschen Betroffenen ohne Migrationshintergrund.

Wie typisch ist vor diesem Hintergrund der Fall Würzburg?

Koussemou: Ich denke, man sollte ihn nicht zu sehr am Thema Migration festmachen. Hier war, soweit ich es verfolgt habe, jemand psychotisch und gleichzeitig drogenintoxikiert. Patientinnen und Patienten mit dieser Doppeldiagnose sind eine Herausforderung für die Psychiatrie, was aggressive Verhaltensweisen angeht, und dies unabhängig von ihrer Herkunft. Was die Bevölkerung oft nicht versteht: Wenn ein Patient in der Klinik ausgenüchtert ist und er gehen will, muss man ihn gehen lassen – sofern nicht eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt. Die reine Angst davor reicht für eine zwangsweise Behandlung nicht aus. Das ist die aktuell gültige Rechtslage.

So geschehen in Würzburg. Müsste hier am Gesetz etwas verändert werden? Brauchen Kliniken mehr Zugriff?

Koussemou: Auch wenn Sie den Patienten für eine Zeit in der Klinik behandeln – irgendwann müssen Sie ihn entlassen. Bei Patientinnen und Patienten mit einer Drogenabhängigkeit hängt der dauerhafte Erfolg einer Entzugsbehandlung maßgeblich von der Motivation des Betroffenen ab. Wir selbst versuchen aus der Klinik heraus, die Menschen in ihrem Umfeld aufzusuchen, zu begleiten und zu motivieren, in Behandlung zu gehen oder zu bleiben. Wir nennen das Home Treatment.

Oft haben diese Patientinnen und Patienten aber nicht nur gesundheitliche Probleme …

Koussemou: Deshalb organisieren wir regelmäßige Treffen mit dem Ordnungsamt, der Polizei, dem Gesundheitsamt und der Betreuungsbehörde. Da besprechen wir dann, wie wir mit auftretenden Schwierigkeiten bei der Versorgung von Menschen mit selbst- und fremdgefährdenden Verhaltensweisen umgehen können. Es gibt in Baden-Württemberg auch psychiatrische Netzwerke, um solche Menschen gezielt aufzusuchen.

Wenn Sie auf Geflüchtete in der Psychiatrie schauen: Belasten diese Menschen vor allem Erfahrungen aus ihrem Heimatland und von der Flucht oder ihre Lebensumstände in Deutschland?

Koussemou: Mir fällt spontan keine Studie dazu ein. Dazu müsste man die psychische Situation der Menschen kennen, bevor sie ihre Heimat verlassen haben. Ganz sicher spielt der Migrationsweg eine Rolle - vor allem, wenn man an traumatische Erlebnisse denkt. Außerdem wissen wir heute, dass diese traumatischen Erlebnisse nicht nur zu klassischen posttraumatischen Belastungsstörungen, sondern auch zu Psychosen führen können. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Menschen zu Drogen greifen, wenn sie keine Arbeit haben, schlecht untergebracht sind oder sich entsprechende Peergroups von Leuten in ähnlicher Situation bilden.

José-Marie Koussemou hat in Würzburg Medizin studiert und war stellvertretender Vorsitzender des städtischen Ausländerbeirates.
Foto: Günther Berger | José-Marie Koussemou hat in Würzburg Medizin studiert und war stellvertretender Vorsitzender des städtischen Ausländerbeirates.
Was leiten Sie daraus ab?

Koussemou: Diese Menschen brauchen unbedingt eine Beschäftigungsmöglichkeit von Anfang an, das muss erlaubt werden – wie in anderen Ländern, zum Beispiel in Dänemark. Wenn man arbeitet, bekommt man Anerkennung. Aber um auf dem Arbeitsmarkt eine Chance zu haben, muss man die Sprache sprechen. Daher sollten Sprachkurse gefördert werden.

Kann die Wohnsituation in den Gemeinschaftsunterkünften psychisch belasten?

Koussemou: Wenn Sie gezwungen werden, auf engem Raum mit Menschen zusammenzuwohnen, die Sie nicht kennen und die andere Sitten und Religionen haben – das kann natürlich schwierig sein. Wenn jemand schon psychisch krank ist, sollte überlegt werden, ob die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft nicht zur Verschlechterung der psychischen Erkrankung führt. Meine Erfahrung ist, dass der behandelnde Psychiater hier in der Regel eine Lösung mit der zuständigen Behörde finden kann.

Und eine mögliche Traumatisierung durch Bürgerkrieg oder Fluchterlebnisse ist nachrangig?

Koussemou: Nein, die gibt es natürlich auch. Man darf das nur nicht auf alle Flüchtlinge übertragen und auch nicht für einzelne Herkunftsländer pauschalisieren. Wer durch die Sahara und über das Mittelmeer nach Europa gelangt, kann dabei Schreckliches erleben und traumatische Erfahrungen mitbringen. Das betrifft aber nach meiner Beobachtung nicht die Mehrheit unter den Asylbewerberinnen und Asylbewerbern. Außerdem ist nicht jeder, der einen Bürgerkrieg erlebt hat, traumatisiert – da spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Man muss den Einzelfall betrachten und sollte die kulturellen Einflüsse nicht überinterpretieren.

Beim Täter von Würzburg heißt es, er hätte seit seiner Ankunft besser betreut werden müssen.

Koussemou: Diese bessere Betreuung wird seit Jahren gefordert. Dazu brauchen Sie aber Dolmetscher und Psychologen, die mit Asylbewerbern arbeiten wollen, auf Traumatherapie spezialisiert sind und Kenntnisse über transkulturelle Psychiatrie besitzen. Hier fehlt es an Geld, fachlichen Ressourcen und der entsprechenden Vernetzung.

 
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  • M. S.
    so wie ich das Interview lese geht es hauptsächlich darum Erklärungen zu finden wie es zu der Tat kommen konnte und aufzuzeigen wie man diese zukünftig verhindern kann.

    Das hat doch erst einmal nichts damit zu tun für den Täter Verständnis aufzubringen oder ihn gar zum Opfer zu machen; vielmehr dient es dazu zukünftig schon im Vorfeld gegenzusteuern bei Personen die in diese Richtung abdriften.

    Selbstverständlich könnte man Personen die solche Taten begehen sofort abschieben oder ohne große Verhandlung lebenslänglich ins Gefängnis stecken.

    Allerdings bin ich mir sicher, dass die Gefahr, dass ähnlich gelagerte Tagen folgen wesentlich höher ist.

    Es ist wichtig zu verstehen weshalb es zu einer Tat gekommen ist. Wichtig deshalb um solche Taten zukünftig möglichst zu verhindern.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    "Selbstverständlich könnte man Personen die solche Taten begehen sofort abschieben oder ohne große Verhandlung lebenslänglich ins Gefängnis stecken."

    Da wir in einem Rechtsstaat leben, ist sowas zum Glück nicht ohne Gerichtsverfahren möglich.
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  • M. L.
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  • U. A.
    Der arme Mörder. Wenn ich das Interview lese kommen mir die Tränen.

    Aus seiner Heimat herausgerissen, um dann im gelobten Land mit vielen fremden Menschen zusammen leben müssen, die auch noch andere Religionen haben. Schrecklich.
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  • D. E.
    Wenn Sie das Interview gelesen (und verstanden) hätten, müssten Sie nicht so verächtliche Kommentare schreiben.
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  • T. H.
    Lasst die Leute für ihr Geld arbeiten. Dann sind sie beschäftigt und fühlen sich nützlich. ReinigungKräfte werden an allen Ecken und Enden gesucht, und dafür muss man nicht gut Deutsch können.
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  • R. B.
    @Faultier, na Ihren Optimismus möchte ich haben. Ich habe mehrere syrische und afghanische Flüchtlinge eingestellt, kein Einziger ist geblieben. Begründung: 8 Stunden sind zu anstrengend, Arbeit ist zu schwer, Arbeit macht mir keinen Spaß. Na ja, warum sollte man auch bei dieser Sozialrundumversorgung arbeiten gehen. Aber ich möchte auch ausdrücklich betonen, dass es nicht nur diese Fälle gibt. Ich persönlich kenne mehrere Flüchtlinge, welche allerdings auch schon im Heimatland sehr gut gebildet waren, die hier in Deutschland zum Teil hervorragende Positionen besetzen, aber ich befürchte, dass diese Leute die Minderheit darstellen.
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  • E. K.
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  • H. B.
    Wie gestern in der MP beschrieben, fehlt es an Psychologen an allen Ecken……auch für Nicht-Flüchtlinge. Vielleicht sollte man erst mal daran denken???
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  • R. B.
    Dies ist die klassische Art von „victim blaming”, statt dem Täter seine Straftat vor Augen zu führen, wird er in der Argumentationskette des Victim Blamings selbst zum Opfer. Nicht wenige in dieser bunten Gesellschaft wünschen sich so viele Anhaltspunkte für den Täter zu finden, welche zu dem Ergebnis führen, dass er diese Tötungen zwar ausgeführt hat, er aber nichts dafür kann. Diese gewünschte Umkehr vom Täter zum Opfer ist eine Verhöhnung der Getöteten und deren Angehörigen. Unfassbar welche Entwicklung Teile dieser Gesellschaft genommen haben.
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  • D. E.
    Falsch. Victim blaming (zu deutsch: Täter-Opfer-Umkehr) bedeutet, dass die Verantwortung für eine Tat dem Opfer zugeschrieben wird. "Klassisch" wäre: Frau ist selbst schuld, wenn sie vergewaltigt wird, weil sie kurze Röcke trägt.
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  • R. B.
    @wiggins, in den 1970-iger Jahren wurde der Begriff von Rechtsanwälten verwendet, um eine Strategie der Strafverteidigung bei Vergewaltigungs-Prozessen zu beschreiben, welche dem Vergewaltigungsopfer die Schuld an der Tat zuschreiben wollte, um den Angeklagten beziehungsweise mutmaßlichen Täter zu entlasten. Zwischenzeitlich findet "Victim blaming" auch bei der Verteidigung von Gewalttaten und Straftaten mit rassistischem Hintergrund Anwendung (William Ryan blaming the victim in seinem gleichnamigen Buch).
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  • H. S.
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  • M. B.
    Natürlich können Flüchtlinge von den Erlebnissen vor und während der Flucht traumatisiert sein. Das rechtfertigt und begründet kein Attentat oder eine Straftat. Der aktuelle Attentäter in Norwegen war z.B. kein Flüchtling. Die Gedanken und die Wahnvorstellungen von Attentäter sind vermutlich von den besten Psychologen nicht nachvollziehbar oder begründbar. Das Thema ist sehr komplex. Die Gleichung traumatisierten Flüchtling = potentieller Attentäter geht aus meiner Sicht nicht auf. Dass Flüchtlinge psychologische Hilfe und Unterstützung bekommen ist wichtig und richtig.
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    Auf eigenen Wunsch entfernt.
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    Richtig! Entweder man hat einen moralischen Kompass und achtet jedes Leben, auch das von Frauen oder man hat keinen und schiebt die Tat auf Stimmen im Kopf.
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  • R. D.
    Ist das ein Versuch islamistischen Terrorismus als psychische Erkrankung abzutun?
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  • J. K.
    @Einwohner

    Diese Vermutung trifft wahrscheinlich auf die meisten Formen des Terrorismus zu, auch auf doitsche Nazibuben, die nichts anderes im Hirn haben, als Ausländer und Politiker, die nicht nach ihrem Geschmack sind, anzünden oder sonstwie umzubringen versuchen.
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  • R. B.
    @delta......., gell, wenn einem alle Argumente ausgehen, dann packen wir als letztes Hilfsmittel die Nazikeule aus, die zieht immer. Gott, was für ein peinlicher und hilfloser Kommentar.
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