
Nachdem der 24-jährige Messerangreifer von Würzburg aus dem Gefängnis in eine psychiatrische Klinik verlegt worden war und die Ermittlungsbehörden erklärten, der Somalier sei "möglicherweise schuldunfähig", entlud sich in den Sozialen Medien der Volkszorn. Die Befürchtung vieler Kommentatorinnen und Kommentatoren: Der Täter bekomme nun eine Therapie und sei in kurzer Zeit wieder auf freiem Fuß.
Psychiatrie oder Gefängnis für den Würzburger Messerangreifer?
Die Wut im Internet war offenbar so groß, dass das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) am Mittwoch eine Erklärung auf Facebook veröffentlichte: "Der Beschuldigte befindet sich weiterhin in Haft", wurde dort klargestellt. "Eine psychiatrische Einrichtung ist zwar kein Gefängnis. Im Ergebnis darf sich der Täter dort aber ebenfalls nicht frei bewegen und wird streng bewacht."
Was, wenn der Messerangreifer von Würzburg schuldunfähig ist?
Doch was passiert, wenn der Täter tatsächlich als schuldunfähig eingestuft werden sollte? Professor Frank Zieschang, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Uni Würzburg, und Professor Jürgen Deckert, Direktor der Psychiatrie an der Uniklinik, beantworten im Folgenden die wichtigsten Fragen.
Wer entscheidet über die Schuldfähigkeit des Täters?
Darüber entscheidet ein Gericht nach einer Verhandlung. "Sollte mit sachverständiger Hilfe festgestellt werden, dass der Betreffende schuldunfähig ist, kann gegen ihn keine Strafe verhängt werden", so Strafrechtler Zieschang. Entscheidend ist laut Strafgesetzbuch, ob der Täter "bei Begehung der Tat" unter einer psychischen Beeinträchtigung litt. Zieschang weiter: "In Betracht kommt dann aber die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus."
Warum befindet sich der Täter dann schon jetzt, vor der Gerichtsverhandlung, in einer psychiatrischen Einrichtung?
Die Unterbringung kann laut Psychiatrie-Chef Deckert vorläufig – bis zu einem Urteil – und später dauerhaft – nach einem Urteil – angeordnet werden. Das LKA machte in seinem Facebook-Post deutlich: "Ein Unterbringungsbefehl hat für einen Beschuldigten die gleichen Folgen wie ein Untersuchungshaftbefehl. Er legt fest, dass ein Beschuldigter bis zum Gerichtsurteil in einer psychiatrischen Einrichtung bleiben muss."
Wie lange kann der Messerangreifer von Würzburg in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden?
Dafür "gibt es keine Höchstfrist", betont Zieschang. Was die Dauer der Freiheitsstrafe angehe, "ist eine psychiatrische Unterbringung für den Täter eher ungünstiger" als eine Haft in einer Justizvollzugsanstalt, ergänzt Deckert: Ist ein Täter schuldfähig und wird zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, komme er in ein Gefängnis, aus dem er – wenn keine Sicherheitsverwahrung angeordnet wurde – spätestens nach Verbüßung der verhängten Strafe freikomme. "Bei guter Führung möglicherweise früher."
Bei der Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung, sei das nicht möglich, so Deckert weiter: Dort werde nach Ablauf der vom Gericht festgelegten Mindestdauer des Freiheitsentzugs ein Gutachten erstellt, auf dessen Basis die Unterbringung verlängert werden kann. "Maßgeblich" dafür, so Strafrechtler Zieschang, sei, "ob der Betreffende weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich ist, also von ihm in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind".
Was geschieht nach einem Schuldspruch in einer Psychiatrie mit einem Verurteilten?
Juristen sprechen hier vom Maßregelvollzug. Laut Professor Deckert sind die Betreffenden in einem JVA-Bereich innerhalb einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Solche Bereiche seien nicht mit geschlossenen Psychiatrien zu verwechseln, wo Menschen behandelt werden, die in der Regel nicht straffällig geworden sind, betont er.
Vielmehr hätten nicht alle psychiatrischen Einrichtungen entsprechende Bereiche; in der Region sind es nur die Bezirkskrankenhäuser in Lohr (Lkr. Main-Spessart) und Werneck (Lkr. Schweinfurt). In solchen Abteilungen "werden Menschen mit psychiatrischer Diagnose behandelt", so Deckert, "die ein Delikt in Zusammenhang mit einer verminderten oder vollständigen Schuldunfähigkeit begangen haben". Die konkrete Behandlung hänge von der Diagnose ab und erstrecke sich von medikamentöser Behandlung bis hin zu psycho- oder soziotherapeutischen Maßnahmen.
Da sitzen also Leute über 15 Jahre(!) ein, weil sie im Suff gehandelt haben. Ähnliches habe ich auch von Werneck gehört. Und noch schlimmer: dass dort viele Patienten tägliche, sogenannte Medikamente zu sich nehmen mussten, z. T. chemische Cocktails, die manche negativ veränderten, zur Lethargie, bis hin zur körperlichen Entstellung, mit aufgedunsteten Gesichtern. Wer sich sträubte, bekam die Medikamente ZWANGSWEISE(!) gespritzt, ggf. durch gewaltsames Festhalten der "Pfleger" - im krassen Widerspruch zum Grundrecht der freien Wahl des Arztes. Durch Gutachten wurde ihr Aufenthalt, z. T. aufgrund von Lapalien (genau wie mdeeg berichtete), ständig verlängert, z.T. über Jahrzehnte! Sie waren völlig rechtlos, i. Ggs. zu "üblichen" Kriminellen. Stimmt das?
"ist eine psychiatrische Unterbringung für den Täter eher ungünstiger" passt genau zu dieser Beobachtung.
Der Mann wird wegen Schuldunfähigkeit strafrechtlich „freigesprochen“, bei gleichzeitiger Anordnung der dauerhaften Unterbringung nach § 63 StGB wegen „Gefahr für die Allgemeinheit“, die § 126a StPO vorbereitet.
Bei diesen Taten dürfte das heißen, dass er mindestens 30 Jahre plus im Maßregelvollzug eingesperrt bleibt, eher noch 1 bis 2 Jahrzehnte länger.
Nach wie vor stellt sich jedoch die Frage, weshalb nach der Straftat im Januar und den Vorerkenntnissen vor dieser Tat keinerlei Gutachten erfolgte geschweige denn Maßnahmen.
Die Staatsanwaltschaft hat hier m.E. grob versagt - und duckt sich nun weg: vielleicht merkt es ja keiner.
In Lohr habe ich Männer kennengelernt, die über 15 Jahre nach § 63 StGB einsaßen, weil sie im Suff „Widerstand“ gegen Polizeibeamte geleistet haben oder dem Gerichtsvollzieher gegenüber Gewalt androhten! Verletzt oder gar getötet wurde dabei niemand.
Auch das hatte die Sta beantragt!
In meinen Augen ein Schlag ins Gesicht für die Opfer und deren Angehörigen.
Ich vermute, Sie würden dann auch befürworten, dass Menschen, die unter Tourette leiden, unnachgiebig für Beleidungen zur Rechenschaft gezogen werden, und die verzitterten Unterschriften von Parkinson-Patienten als nicht gültig betrachtet werden?
Dass angesichts der schrecklichen Ereignisse der Wunsch nach Strafe da ist, ist menschlich nur allzu nachvollziehbar. Ein objektives Rechtssystem muss aber alle Umstände in den Blick nehmen.
Ich würde hier keine Justiz wollen, die, wie bspw. immer wieder in den USA, auch kognitiv beeinträchtigte oder geistig behinderte Menschen sogar in die Todeszelle schickt.