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Würzburg
Messerattacke: Warum Hanjo Schrepfer Pflichtverteidiger des Täters ist
Es war eine furchtbare Tat. Das weiß auch Anwalt Hanjo Schrepfer. Aber da ist auch die Pflicht. Er muss den Messerstecher von Würzburg verteidigen – und ein wenig auch sich selbst.
Hans-Jochen Schrepfer ist einer der profiliertesten Strafverteidiger der Region. Er vertritt den 24-jährigen Somalier, der die Messerattentate in Würzburg verübt hat. 
Foto: Thomas Obermeier | Hans-Jochen Schrepfer ist einer der profiliertesten Strafverteidiger der Region. Er vertritt den 24-jährigen Somalier, der die Messerattentate in Würzburg verübt hat. 
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:38 Uhr

Seit der Würzburger Anwalt Hanjo Schrepfer zum Pflichtverteidiger des Messerstechers bestellt wurde, bekommt der 46-jährige Jurist eine Flut an E-Mails. Oft triefen die Inhalte vor Hass. "Die Bestie" gehöre "an den nächsten Baum" ist fast noch harmlos. Dazu hagelt es Beschimpfungen gegen Schrepfer. "Wie kann man einen solchen Menschen vertreten", fragt in hilfloser Wut selbst eine seiner Angestellten, die es – anders als Außenstehende – besser wissen müsste.

"Man fühlt die eigene Ohnmacht"

Ein 24-jähriger Somalier hat in Würzburg drei Menschen getötet und mehrere schwer verletzt und neben physischen Wunden auch viele seelische gerissen. Nun läuft der Apparat des Rechtsstaates an – und Verteidiger Schrepfer ist ein kleines, nicht unwichtiges Rädchen in dieser Maschinerie. Ungeduldig stehen manche Bürger nun der mühsamen Suche nach Gerechtigkeit gegenüber. "Man fühlt die eigene Ohnmacht, will schnelle Lösungen, um rasch den Glauben an die heile Welt wiederzufinden", beschreibt es ein erfahrener Ermittler.

Schrepfer kennt das nach 17 Jahren als Strafverteidiger: Wenn Volkes Seele nach einem solchen Verbrechen kocht, ist der Anwalt oft der Prellbock. In einer E-Mail steht, er solle sofort das Mandat aufgeben, "sonst werden Sie und Ihre Familie schon sehen, was sie davon haben". Dass man angefeindet wird, akzeptiert der Anwalt. Aber nicht, dass jetzt seine Familie hineingezogen wird: "Da ist Schluss."

"Ich tue nur meine Pflicht"

Er will nicht öffentlich über Schutzmaßnahmen reden. "Aber den Ärzten, die in der Klinik die Schusswunde meines Mandanten versorgt haben, macht doch auch keiner einen Vorwurf", sagt er. "Ich tue genauso nur meine Pflicht."

Die Briefe aber zeigen ihm: "Es herrscht immer noch große Unkenntnis darüber, welche Funktion ein Strafverteidiger hat." Er sieht es als seine Aufgabe an, einen Beschuldigten zu schützen, der einem mächtigen Apparat gegenübersteht – aber solange als unschuldig zu gelten hat, bis seine Schuld bewiesen ist.

"Was der Anwalt privat denkt, ist seine Privatsache"

Die Taten seiner Mandanten polarisieren, das ist ihm nicht neu. Bei allem Engagement wahrt er Distanz zu dem, was ein Mandant getan hat. Denn er kennt auch die Kehrseite der Medaille, das Leid der Opfer, die er als Anwalt der Nebenkläger oft genug gegen Straftäter zu vertreten hat.

Morddrohungen erhielt er bereits 2006, als er einen aidskranken Kenianer verteidigte, der bei ungeschütztem Sex mehrere Frauen mit HIV angesteckt hatte. Auch als Vater zweier kleiner Kinder kam ihm keinen Moment in den Sinn, die Verteidigung eines Drogensüchtigen abzulehnen, der das acht Monate alte Baby seiner Freundin getötet hatte. "Auch der hat Anspruch auf einen Verteidiger", sagt er. "Was ich privat über Tat und Täter denke, ist meine Privatsache."

Rund 164 000 Anwälte sind in Deutschland zugelassen, rund 3500 dürfen sich Fachanwälte für Strafrecht nennen. Viele sind – wie Hanjo Schrepfer – Reisende der Rechtsprechung quer durch Deutschland, heute in Würzburg, morgen in Nürnberg, zwei Tage später vor Gericht am Bodensee. Die Strafrechtler stehen besonders im Licht der Öffentlichkeit, aber nur selten scheiden sich die Geister so heftig wie jetzt im Fall des Messerstechers und seines Anwalts. 

Vernehmung nicht möglich

Am Abend der Messerattacke hatte Schrepfer auf ein freies Wochenende mit Frau und Kindern gehofft, als der Anruf kam. Rund sechsmal im Jahr hat seine Kanzlei diesen jeweils einwöchigen Bereitschaftsdienst. So stand sein Name auch am 25. Juni ganz oben auf jener Liste der Verteidiger, die gerufen werden, um einem Festgenommenen beizustehen – egal zu welcher Uhrzeit.

Während sich die Nachrichtensendungen füllten mit Meldungen über einen messerschwingenden Mann in Würzburg, lotste ihn die Polizei zu einem Krankenhaus außerhalb von Würzburg. Dort lag unter Bewachung der 24-Jährige, den die Polizei mit einem Schuss in den Oberschenkel stoppen konnte. Der Täter murmelte wirres Zeug. Was Schrepfer von ihm wollte, realisiert er zunächst gar nicht. Vergeblich versuchten Ermittler, dem Somalier verständliche Sätze zu entlocken. "Eine Vernehmung war nicht möglich", sagt Schrepfer.

Tags darauf musste ein Richter prüfen, was die Ermittler an Beweisen haben. Er nahm den Somalier formell in Untersuchungshaft. Auch an Schrepfer war nicht spurlos vorüber gegangen, was Ermittler in der Vernehmung geschildert hatten. Dennoch versuchte er, in Interviews der sich vor allem in Sozialen Medien steigernden Empörung entgegenzuwirken: "Ich vertrete keine Bestie, sondern einen Menschen – der unter Verdacht steht, furchtbare Verbrechen begangen zu haben." 

Kollegen ergreifen öffentlich Partei

Nun wird er mit Starverteidigern in einem Atemzug genannt, mit Mollath-Befreier Gerhard Strate aus Hamburg oder Hanns Feigen, der Uli Hoeneß verteidigte. Die Kehrseite? Die Kanzlei wird überschwemmt mit Drohbriefen und -anrufen. Dazu kommt der Neid derer, die auch gerne im Scheinwerferlicht stünden. 

Doch rasch ergreift ein halbes Dutzend Kollegen für ihn öffentlich Partei. Chan-jo Jun, der seit einem Rechtsstreit mit Facebook selbst überregional bekannt ist, schreibt in einem vielbeachteten Beitrag auf Twitter: "Verdient der Täter das? Falsche Frage. Der Rechtsstaat braucht das." Schrepfer sei "kein Bossi-Typ", sagt ein früherer Mandant. "Kein Krawallo-Anwalt, der mit schäbigen Tricks selbst den Teufel aus der Hölle rauspauken wollte", sagt ein Staatsanwalt.

Verteidigung mit wenig Spielraum

Die Justiz hat Schrepfer Akteneinsicht gegeben: Die Spuren zu einem angeblichen islamistischen Anschlag schmelzen dahin wie Butter in der Sonne. "Da ist eher psychisch was aus dem Ruder gelaufen", sagt der Verteidiger. Er hat dennoch wenig Spielraum: "Diese Taten wurden unstreitig von meinem Mandanten begangen. Ich gehe davon aus, dass der Nachweis geführt ist." 

Doch was hat den 24-jährigen Flüchtling zu dem Gewaltausbruch gebracht? "Da habe ich großes Interesse an der Aufklärung", sagt Hanjo Schrepfer – auch wenn das noch mehr böse Briefe bedeutet.

 
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  • Ruus
    Wir leben in einem Rechtstaat. Vielleicht kommt man selbst einmal in die Verlegenheit, einen Anwalt zu brauchen. Das sollten die Hetzer vielleicht bedenken.
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  • Mementomori
    Alle Kommentare zu Gunsten des Anwalts, komisch…..wieviele wurden denn zensiert, liebe MP?
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  • TLW-tu_W
    "Meinungsfreiheit ist eine tolle Sache. Und eine enorm wichtige Sache außerdem. Aber gerade im Internet wird dieses Wort oft falsch verstanden. Denn “Meinungsfreiheit” ist nicht gleichbedeutend mit “Ich darf alles sagen was ich will und wo ich will“. Wir leben glücklicherweise in einem Land, in das Recht auf freie Meinungsäußerung herrscht und niemand wegen seiner Meinung verfolgt werden darf. Aber auch wenn jeder ein Recht auf seine Meinung hat, folgt daraus nicht, dass man auch das Recht hat, diese Meinung überall kund zu tun. "

    https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/04/21/geloeschte-kommentare-sind-keine-zensur-was-ist-meinungsfreiheit/

    Wann werden Sie verstehen, dass ein gelöschter oder nicht veröffentlichter Kommentar auf einer Website keine Zensur ist?
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  • wastl45
    Der Artikel zeigt ja schon jetzt die Strategie der Verteidigung auf. Drogen, Alkohol, die Psyche... alles, nur um Himmels Willen kein Islamistischer Hintergrund.
    Übrigens hat unser Innenminister knapp eine Stunde nach der Tat schon auf psychische Probleme des Täters hingewiesen und somit die Richtung bestimmt.
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  • giacomo
    Wahrscheinlich ist der Artikel eine Reaktion auf die Beschimpfungen und Bedrohungen gegen Herrn Schrepfer und soll dazu dienen den "Horizont" gewisser Zeitgenossen zu erweitern. Vielleicht wäre es besser, den Begriff "Verteidiger" im Strafrecht durch den Begriff "Beistand" oder "Rechtsbeistand" zu ändern. Damit würde die Rolle vielleicht klarer definiert. Ich denke jedem ist klar, dass eine solche Tat überhaupt nicht zu verteidigen ist. Das macht auch kein Rechtsanwalt. Ein Verteidiger ist in unserem Rechtsstaat zuständig dafür, dass das Recht für einen Angeklagten richtig angewandt wird. Schließlich leben wir nicht mehr in der Zeit von 1933 bis 1945!!!
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  • jutta.noether@web.de
    Danke, genau das.
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  • Irmgard1
    Solche Kerle bekommen die besten Anwälte, und werden von unseren steuerngelder bezahlt
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  • jutta.noether@web.de
    Wer sich keinen Anwalt leisten kann, bekommt einen Pflichtverteidiger, auch das ist der Rechtsstaat. Der Pflichtverteidiger bekommt eine festgesetzte Pauschale und kann sich in so einem Fall keine goldene Nase verdienen. Also keine Angst um die Steuergelder!
    Dass es in diesem Fall zufällig die Kanzlei Schrepfer war, ist vielleicht Glück für den Angeklagten, aber resultierte ausschließlich aus der Bereitschaftsliste.
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  • Erding
    Gemach, gemach! Es war nur der "berühmte Zufall". Der Anwalt stand auf der Bereitschaftsliste. Wäre dem nicht so gewesen, dann wäre er nicht "mit von der Partie", ein anderer Rechtsanwalt stünde jetzt als Pflichtverteidiger im Dienst unseres Rechtstaates. Er macht nur seinen Job. Die Geschehnisse kann er nicht rückgängig machen und auch nicht aus der Welt schaffen. Unschuldig ist der Täter nachweislich nicht. In diesem Verfahren gibt es auch einen Staatsanwalt(in) und sogar Generalstaatsanwalt. Wem gibt oder geben die Richter Recht? Den Anträgen der Staatsanwaltschaft im vollem Umfang? "Es gilt die Unschuldsvermutung" ist nur ein Satz! Staatsanwalt und Pflichtverteidiger machen nur ihren Job. Wie Ärzte, Sanitäter, Krankenschwester auch! Und Gefängniswärter auch. Und die Ärzte und Pflegekräfte in den forenischen Abteilungen von psychiatrischen Kliniken auch. Aber Ihr Tun ist nicht "Ohne Gefahr!" Sie tun nur ihre Pflicht oder sie wechseln ihren Job oder ihre Stelle. Dort wieder Pflicht.
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  • Mementomori
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  • ammi187@gmail.com
    Herr Schrepfer ist ein sehr netter und kompetenter Anwalt. Egal was, er tut hier seine Pflicht. Jetzt mit Drohungen zu kommen (. u. a. gegen sein Familie) ist unterste Schublade und ich hoffe die hiesige Staatsanwaltschaft tut Ihre Pflicht und geht dem nach.
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  • Erding
    Die Staatsanwaltschaft kann nur was tun, wenn sie von Straftatbeständen Mitteilung bekommt. Das heißt im Klartext, der Anwalt als Betroffener muss Strafanzeige und Strafantrag stellen. Eine nach der anderen, schön der Reihe nach. Dies bedeutet aber auch, der Rechtsanwalt muss viel Zeit dafür aufwenden auch als Zeuge und Kläger - in eigener Sache!
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  • uwe.luz@t-online.de
    Nein. Nach dem sogenannten „Legalitätsprinzip“ muss die Staatsanwaltschaft aktiv werden, wenn sie von einer Straftat Kenntnis erlangt. Einer Strafanzeige bedarf es regelmäßig nicht (Ausnahme: Bagatelldelikte, die einen Strafantrag erfordern).
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  • jutta.noether@web.de
    Danke, Main-Post, für diesen aufklärenden Artikel.
    Ich denke mir angesichts der vielen bösartigen Kommentare hier auch schon die ganze Zeit: Liebe Leute, was habt ihr am Rechtsstaat nicht begriffen?
    Jeder Angeklagte (JEDER!) hat Anspruch auf eine bestmögliche Verteidigung, Punkt. Das ist der Job eines Rechtsanwaltes. Dass er diesen so pflichtgemäß wie möglich ausführt, ist seine Aufgabe.
    Was er persönlich von seinem Mandanten und seiner Tat denkt, ist völlig belanglos und DARF keine Rolle spielen.
    Herrn Schrepfer deshalb persönlich anzugreifen oder ihn gar zu bedrohen, ist echtes Stammtischniveau und im zweiten Falle selbst eine Straftat.
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  • ParkAndRead
    @Wi127
    Yep, ich stimme Ihnen zu.
    Nur muss sich der Hr. Strafverteidiger nicht noch werbewirksam in der Zeitung präsentieren. Er soll seine Arbeit machen und gut ist, auf inhaltliche Wertungen zum laufenden Fall zudem verzichten. Dann hätte er sicher auch ein ruhigeres Umfeld.

    Wo sind denn die Verteidiger und Kanzleien der Opfer? Treten die denn auch noch hier in der MP an?
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  • 2ostsee
    Die Kanzleien der Opfer werden von denen oder ihrer Angehörigen benannt, diese werden das sicherlich selbst entscheiden.
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  • jutta.noether@web.de
    @parkandread: Ich glaube nicht, dass sich Herr Schrepfer von sich aus in die Öffentlichkeit begeben hat. Da ist garantiert die Mainpost auf ihn zugegangen. Klar, man konnte weder Täter noch Opfer interviewen, und die Aussagen der Politiker waren gleichermaßen vorhersehbar wie uninteressant. Da blieb halt nur der Anwalt.
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