zurück
Bad Kissingen
Drei weitere Stromtrassen im Kreis Bad Kissingen? Landrat Bold befürchtet massive Folgen für Mensch und Natur
Die Planungen des SuedLink dauerten zehn Jahre. Jetzt könnten die zu SuedWestLink und NordWestLink in einem Jahr durch sein. Und dann ist da noch die P 540.
Er sei nicht grundsätzlich gegen Stromtrassen im Landkreis Bad Kissingen, sagt Landrat Thomas Bold. Denn Strom sei wichtig, auch im Katastrophenfall. Deswegen wird im Rahmen der Sanierung des Landratsamtsanbaus (im Hintergrund) ein Notstromaggregat eingebaut.
Foto: Isolde Krapf | Er sei nicht grundsätzlich gegen Stromtrassen im Landkreis Bad Kissingen, sagt Landrat Thomas Bold. Denn Strom sei wichtig, auch im Katastrophenfall.
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 02.04.2024 02:45 Uhr

Dass die Gleichstromleitung SuedLink durch den Landkreis Bad Kissingen führt, ist längst entschieden und auch an den Planungen der Bundesnetzagentur zur Fulda-Main-Leitung (P 43) ist  kaum noch zu rütteln. Im Interview kritisiert Landrat Thomas Bold, dass vier geplante Gleichstromtrassen und zwei Freileitungen für den Landkreis Bad Kissingen zu viel sind und diese "Überbündelung" massive Einschnitte für die Menschen und für die Natur bedeutet. Seit 2014 ist er stellvertretender Vorsitzender des Hamelner Bündnisses, welches sich mit den drei neuen Stromtrassen auseinandersetzt, die von der Bundesnetzagentur unlängst vorgestellt wurden.

Frage: Neuerdings sollen gleich sechs Stromtrassen durch den Landkreis Bad Kissingen führen. Hätten Sie sich das je träumen lassen?

Thomas Bold: Definitiv nicht. Weder ich noch der Kreistag sind grundsätzlich gegen Stromtrassen, aber es kann doch nicht zu solch einer Überbündelung in einer ländlichen Region wie dem Landkreis Bad Kissingen kommen! Wir dürften mit sechs geplanten Trassen zu den bundesweit am stärksten betroffene Regionen zählen. Von vornherein klar war zu Beginn der Planungen, dass die beiden, teils parallel laufenden SuedLink-Trassen – die Vorhaben drei und vier - unseren Landkreis bei Oerlenbach und Ramsthal tangieren werden – immerhin als Erdkabelverbindungen.

Bis 2019 sind wir davon ausgegangen, dass die Freileitung P 43 nicht zu uns in den Landkreis, sondern Richtung Rhein-Main-Gebiet verläuft. Das ist dann ja leider anders gekommen. Mit dem SuedWestLink und NordWestLink, die jetzt den westlichen Landkreis stark berühren sollen, haben wir nicht im Ansatz gerechnet. Und nun soll noch die Freileitung P 540 an Münnerstadt vorbeiführen. Das war so zuvor nie im Gespräch.

Mit der P 43 haben Sie ja lange gehadert. Gibt es da noch Nachwehen?

Bold: Ein paar Nachwehen bleiben, wenn man den Gesamtzusammenhang sieht. Denn Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sagte damals, er habe bei den Verhandlungen mit der Bundesnetzagentur die P 43 "schlucken" müssen. Dafür habe er die damals auch geplante P 44, die von Thüringen herunterkam und über die Haßberge ins Main-Tal führte, "wegverhandelt". Jetzt kommt aber, neben der P 43, zu unserer bösen Überraschung die P 44 doch - in Gestalt der P 540, die jetzt die Landkreise Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen durchschneidet.

Drei weitere Stromtrassen im Kreis Bad Kissingen? Landrat Bold befürchtet massive Folgen für Mensch und Natur
Seit Ende 2023 sind nun zwei weitere Gleichstrom-Trassen, der SuedWestLink und der NordWestLink, im Gespräch, die den westlichen Landkreis tangieren sollen. Welche Kommunen sind besonders betroffen?

Bold: Vor allem Wartmannsroth und Zeitlofs, das heißt zwei Drittel der Gemeindeteile dort sind stark betroffen. Momentan sind zwar nur Präferenzräume genannt, das sind erste Planungen der DC 41 und DC 42, die noch nicht genau greifbar sind. Aber diese Stromleitungen sollen relativ nah an der dort geplanten P 43 entlangführen.

Dazu kommt noch, dass dort schon zwei Gasleitungen verlaufen. Das ist eine starke Bündelung. Wenn man mal Völkersleier nimmt, so führen auf der einen Seite des Orts die P 43 und die zwei Gasleitungen vorbei, auf der anderen Seite SuedWestLink und NordWestLink. Das ist ein massiver Einschnitt! Und in einem Großteil der Ortsteile von Wartmannsroth und Zeitlofs verlaufen die Stromtrassen nur wenige hundert Meter an den Häusern vorbei. Auch Waldbereiche sind massiv betroffen.

Wie nehmen Sie die Stimmung in diesen Kommunen wahr?

Bold: Sie ist sehr angespannt, weil die Ortschaften stark von diesen Planungen betroffen sind. Man befürchtet auch, dass die Trassen-Projekte die bereits geplanten Windkraft- und Photovoltaik-Vorhaben in diesem Gebiet verzögern oder sogar verhindern könnten. Die Bevölkerung ist beunruhigt, auch wegen der Geschwindigkeit, mit der diese Trassen plötzlich präsentiert werden.

Man spürt eine gewisse Ohnmacht. Was die DC 41 und DC 42 angeht, gibt es ein neues gesetzliches Verfahren, mit dem die Bundesnetzagentur mehr Geschwindigkeit in den Netzausbau bringen will. Aber man muss halt auch die Bürger mitnehmen.

Und kürzlich kam mit der P 540 noch eine weitere geplante Freileitung im östlichen Landkreis ins Spiel und ein Umspannwerk bei Münnerstadt. Ist das des Guten zu viel?

Bold: Ja, das ist zu viel für den Landkreis und für den Lebensraum der Menschen hier. Ich sehe, wie gesagt, die Gefahr der Überbündelung. Wir stellen den generellen Bedarf an neuen Trassen nicht in Frage, aber man muss doch schauen, ob die Streckenführung sinnvoll ist.

Der Startknopf zum SuedLink-Vorhaben (Bau des Konverters Brunsbüttel) wurde im September in Schleswig-Holstein gedrückt. Die Suedlink-Trasse ist nach Tennet-Angaben mit 700 Kilometern Länge und Kosten von etwa zehn Milliarden Euro das größte Infrastrukturprojekt der Energiewende in Deutschland.
Foto: Christian Charisiu/dpa | Der Startknopf zum SuedLink-Vorhaben (Bau des Konverters Brunsbüttel) wurde im September in Schleswig-Holstein gedrückt.

Als damals noch die P 44 aktuell war, sollte sie durch die Haßberge führen. Warum verläuft die P 540 nun plötzlich durch den Landkreis Bad Kissingen? Das muss den Betroffenen plausibel erläutert werden. Denn alles in allem bedeutet das eine extrem hohe Belastung unseres Landkreises mit Stromtrassen.

Anders als in den Kommunen im westlichen Landkreis, scheint es im Osten, also in Münnerstadt, keinen großen Protest gegen die Trassen-Pläne zu geben. Wie erklären Sie sich das?

Bold: Vielleicht sind die Planungen zur P 540 noch nicht bei der Bevölkerung angekommen. Oft ist es so, dass sich die Menschen erst damit befassen, wenn vor Ort bei ihnen Projekte praktisch umgesetzt werden. Uns erschließt sich derzeit noch nicht, warum die Trasse über Münnerstadt laufen muss.

Warum gibt es eigentlich – anders als beim SuedLink - inzwischen keine Beteiligung von Kommunen und Bürgerschaft mehr, wenn es um neue Trassen geht? Viele Menschen verstehen das nicht.

Bold: Die Planungen für die P 540 stehen noch am Anfang, bislang wurden lediglich Ausgangs- und Endpunkt der Trasse festgelegt. Da wird es noch eine Beteiligung der betroffenen Kommunen geben. Was NordWestLink und SuedWestLink angeht, wurden jetzt erst mal bestimmte Korridore festgelegt. Hier findet aber keine umfassende Bundesfachplanung, wie beim SuedLink, statt. Das hat seinerzeit zehn Jahre gedauert, jetzt muss alles schneller gehen.

Ein Beispiel: Die Bundesnetzagentur hat im November 2023 zwei Präferenzräume für DC 41 und DC 42 vorgestellt. Kaum jemand wusste, dass man in dem zur Planung gehörigen Umweltbericht bis zum 29. Januar 2024 Stellung nehmen kann. Dank der Rechtsberatung im Rahmen der Hamelner Erklärung wussten wir es rechtzeitig und haben Stellung bezogen. Auch die Kommunen Wartmannsroth und Zeitlofs haben sich schriftlich geäußert. Das wird jetzt von der Bundesnetzagentur geprüft, dann wird der Umweltbericht bestätigt.

Bürger-Demo gegen den Bau des SuedLink im Juni 2015 in Bad Brückenau.
Foto: Wolfgang Dünnebier (Archiv) | Bürger-Demo gegen den Bau des SuedLink im Juni 2015 in Bad Brückenau.

Das heißt, aktuell wird bereits grob die Umweltverträglichkeit der zwei Projekte geprüft. Über die Aufnahme in den Bundesbedarfsplan entscheidet im Spätsommer bzw. Herbst 2024 der Deutsche Bundestag. Anschließend wird gleich das Planfeststellungsverfahren für den genauen Trassenverlauf angestoßen. Die Vorarbeiten für dieses Verfahren haben ungeachtet des Bundestagsbeschlusses sogar schon begonnen. So sind DC 41 und DC 42 vielleicht relativ schnell "durch".

Eine Beteiligung der Betroffenen ist zunächst kaum möglich. Im ersten Schritt werden nur sehr allgemein Schutzgebiete berücksichtigt, es findet eine Art Grobprüfung statt. Erst bei der Planfeststellung wird es noch eine kleinräumige Prüfung geben, bei der man dann Einwände erheben kann.

Existiert das Hamelner Bündnis noch, dieser Zusammenschluss von 20 Landkreisen, die sich 2014 gegen den Bau des SuedLink planerisch und rechtlich absicherten?

Bold: Das gibt es noch, inzwischen haben sich wesentlich mehr Landkreise angeschlossen und ich bin seit Beginn unverändert stellvertretender Vorsitzender. Es ist gut, dass wir dort Berater haben, die uns fachlich und juristisch begleiten. Man riet uns jetzt auch, bezüglich der DC 41 und DC 42 einen Antrag auf Akteneinsicht bei der Bundesnetzagentur zu stellen. Das hat der Landkreis Bad Kissingen am 29. Januar 2024 getan. Auch die Kommunen Wartmannsroth und Zeitlofs stellten Anträge.

Für die Juristen der Hamelner Erklärung liegt der Verdacht nahe, dass die Planungen der Präferenzräume für die Trassen zu oberflächlich ermittelt sind. Vonseiten der Bundesnetzagentur reagierte man sehr verschnupft auf unseren Antrag auf Akteneinsicht und teilte mit, dass uns hierfür Kosten entstehen würden und die Vorbereitung der Akteneinsicht für die Bundesnetzagentur zu aufwändig sei. Zudem wurde angedeutet, dass wir die Pläne keinen Dritten zeigen dürften. Da Akteneinsichten in allen Genehmigungsverfahren üblich sind, stellt sich für mich die Frage, ob es etwas zu verbergen gibt.

Diese sechs Stromtrassen führen durch den Landkreis Bad Kissingen

SuedLink: Gleichstromleitung, Erdkabel, Neubau bis 2028 geplant. Teilweise hat der SuedLink zwei parallele Trassen (Vorhaben drei und vier), die von Wilster ins bayerische Bergrheinfeld führen. Diese zwei Trassen teilen sich bei Oerlenbach. Betroffen sind auch die Kommunen Sulzthal und Ramsthal. Vorhaben drei ist in der letzten Planfeststellungsphase, bis 4. April 2024 kann die Öffentlichkeit noch Einwendungen machen.
P 43: Wechselstromleitung, Freileitung (teilweise Erdverkabelung), Ausbau bis 2031. Sie soll die Umspannwerke Mecklar und Dipperz in Hessen mit dem bayerischen Umspannwerk Bergrheinfeld verbinden. Die P 43 tritt bei Zeitlofs und Wartmannsroth in den Landkreis Bad Kissingen ein. Am 10. Januar 2024 wurden die Planfeststellungsunterlagen bei der Bundesnetzagentur eingereicht.
NordWestLink und SuedWestLink: Gleichstromleitungen, Erdkabel. Beide Trassen sind erst im Netzentwicklungsplan 2037/45 vorgesehen (Vorhaben DC 41 und DC 42). Bislang wurden Präferenzräume vorgestellt, das sind 5 bis 20 Kilometer breite Korridore. Die Trassen treten vom Norden her in den westlichen Landkreis ein. Betroffen sind vor allem Zeitlofs und Wartmannsroth. Die Trassen laufen auch durch Waldgebiete.
P 540: Wechselstromleitung, Freileitung, Inbetriebnahme für 2035 angedacht. Es handelt sich um eine neue Verbindung von Schalkau (Lkr. Sonneberg Thüringen) über den Raum Münnerstadt (Umspannwerk) nach Grafenrheinfeld. Der genaue Verlauf ist noch nicht festgelegt.
Quellen:  Tennet, TransnetBW
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Kissingen
Isolde Krapf
Bundesnetzagentur
Deutscher Bundestag
Gleichstromtrassen
Hubert Aiwanger
Südlink
Tennet
Thomas Bold
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top