Dass die Gleichstromleitung SuedLink durch den Landkreis Bad Kissingen führt, ist längst entschieden und auch an den Planungen der Bundesnetzagentur zur Fulda-Main-Leitung (P 43) ist kaum noch zu rütteln. Im Interview kritisiert Landrat Thomas Bold, dass vier geplante Gleichstromtrassen und zwei Freileitungen für den Landkreis Bad Kissingen zu viel sind und diese "Überbündelung" massive Einschnitte für die Menschen und für die Natur bedeutet. Seit 2014 ist er stellvertretender Vorsitzender des Hamelner Bündnisses, welches sich mit den drei neuen Stromtrassen auseinandersetzt, die von der Bundesnetzagentur unlängst vorgestellt wurden.
Thomas Bold: Definitiv nicht. Weder ich noch der Kreistag sind grundsätzlich gegen Stromtrassen, aber es kann doch nicht zu solch einer Überbündelung in einer ländlichen Region wie dem Landkreis Bad Kissingen kommen! Wir dürften mit sechs geplanten Trassen zu den bundesweit am stärksten betroffene Regionen zählen. Von vornherein klar war zu Beginn der Planungen, dass die beiden, teils parallel laufenden SuedLink-Trassen – die Vorhaben drei und vier - unseren Landkreis bei Oerlenbach und Ramsthal tangieren werden – immerhin als Erdkabelverbindungen.
Bis 2019 sind wir davon ausgegangen, dass die Freileitung P 43 nicht zu uns in den Landkreis, sondern Richtung Rhein-Main-Gebiet verläuft. Das ist dann ja leider anders gekommen. Mit dem SuedWestLink und NordWestLink, die jetzt den westlichen Landkreis stark berühren sollen, haben wir nicht im Ansatz gerechnet. Und nun soll noch die Freileitung P 540 an Münnerstadt vorbeiführen. Das war so zuvor nie im Gespräch.
Bold: Ein paar Nachwehen bleiben, wenn man den Gesamtzusammenhang sieht. Denn Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sagte damals, er habe bei den Verhandlungen mit der Bundesnetzagentur die P 43 "schlucken" müssen. Dafür habe er die damals auch geplante P 44, die von Thüringen herunterkam und über die Haßberge ins Main-Tal führte, "wegverhandelt". Jetzt kommt aber, neben der P 43, zu unserer bösen Überraschung die P 44 doch - in Gestalt der P 540, die jetzt die Landkreise Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen durchschneidet.
Bold: Vor allem Wartmannsroth und Zeitlofs, das heißt zwei Drittel der Gemeindeteile dort sind stark betroffen. Momentan sind zwar nur Präferenzräume genannt, das sind erste Planungen der DC 41 und DC 42, die noch nicht genau greifbar sind. Aber diese Stromleitungen sollen relativ nah an der dort geplanten P 43 entlangführen.
Dazu kommt noch, dass dort schon zwei Gasleitungen verlaufen. Das ist eine starke Bündelung. Wenn man mal Völkersleier nimmt, so führen auf der einen Seite des Orts die P 43 und die zwei Gasleitungen vorbei, auf der anderen Seite SuedWestLink und NordWestLink. Das ist ein massiver Einschnitt! Und in einem Großteil der Ortsteile von Wartmannsroth und Zeitlofs verlaufen die Stromtrassen nur wenige hundert Meter an den Häusern vorbei. Auch Waldbereiche sind massiv betroffen.
Bold: Sie ist sehr angespannt, weil die Ortschaften stark von diesen Planungen betroffen sind. Man befürchtet auch, dass die Trassen-Projekte die bereits geplanten Windkraft- und Photovoltaik-Vorhaben in diesem Gebiet verzögern oder sogar verhindern könnten. Die Bevölkerung ist beunruhigt, auch wegen der Geschwindigkeit, mit der diese Trassen plötzlich präsentiert werden.
Man spürt eine gewisse Ohnmacht. Was die DC 41 und DC 42 angeht, gibt es ein neues gesetzliches Verfahren, mit dem die Bundesnetzagentur mehr Geschwindigkeit in den Netzausbau bringen will. Aber man muss halt auch die Bürger mitnehmen.
Bold: Ja, das ist zu viel für den Landkreis und für den Lebensraum der Menschen hier. Ich sehe, wie gesagt, die Gefahr der Überbündelung. Wir stellen den generellen Bedarf an neuen Trassen nicht in Frage, aber man muss doch schauen, ob die Streckenführung sinnvoll ist.
Als damals noch die P 44 aktuell war, sollte sie durch die Haßberge führen. Warum verläuft die P 540 nun plötzlich durch den Landkreis Bad Kissingen? Das muss den Betroffenen plausibel erläutert werden. Denn alles in allem bedeutet das eine extrem hohe Belastung unseres Landkreises mit Stromtrassen.
Bold: Vielleicht sind die Planungen zur P 540 noch nicht bei der Bevölkerung angekommen. Oft ist es so, dass sich die Menschen erst damit befassen, wenn vor Ort bei ihnen Projekte praktisch umgesetzt werden. Uns erschließt sich derzeit noch nicht, warum die Trasse über Münnerstadt laufen muss.
Bold: Die Planungen für die P 540 stehen noch am Anfang, bislang wurden lediglich Ausgangs- und Endpunkt der Trasse festgelegt. Da wird es noch eine Beteiligung der betroffenen Kommunen geben. Was NordWestLink und SuedWestLink angeht, wurden jetzt erst mal bestimmte Korridore festgelegt. Hier findet aber keine umfassende Bundesfachplanung, wie beim SuedLink, statt. Das hat seinerzeit zehn Jahre gedauert, jetzt muss alles schneller gehen.
Ein Beispiel: Die Bundesnetzagentur hat im November 2023 zwei Präferenzräume für DC 41 und DC 42 vorgestellt. Kaum jemand wusste, dass man in dem zur Planung gehörigen Umweltbericht bis zum 29. Januar 2024 Stellung nehmen kann. Dank der Rechtsberatung im Rahmen der Hamelner Erklärung wussten wir es rechtzeitig und haben Stellung bezogen. Auch die Kommunen Wartmannsroth und Zeitlofs haben sich schriftlich geäußert. Das wird jetzt von der Bundesnetzagentur geprüft, dann wird der Umweltbericht bestätigt.
Das heißt, aktuell wird bereits grob die Umweltverträglichkeit der zwei Projekte geprüft. Über die Aufnahme in den Bundesbedarfsplan entscheidet im Spätsommer bzw. Herbst 2024 der Deutsche Bundestag. Anschließend wird gleich das Planfeststellungsverfahren für den genauen Trassenverlauf angestoßen. Die Vorarbeiten für dieses Verfahren haben ungeachtet des Bundestagsbeschlusses sogar schon begonnen. So sind DC 41 und DC 42 vielleicht relativ schnell "durch".
Eine Beteiligung der Betroffenen ist zunächst kaum möglich. Im ersten Schritt werden nur sehr allgemein Schutzgebiete berücksichtigt, es findet eine Art Grobprüfung statt. Erst bei der Planfeststellung wird es noch eine kleinräumige Prüfung geben, bei der man dann Einwände erheben kann.
Bold: Das gibt es noch, inzwischen haben sich wesentlich mehr Landkreise angeschlossen und ich bin seit Beginn unverändert stellvertretender Vorsitzender. Es ist gut, dass wir dort Berater haben, die uns fachlich und juristisch begleiten. Man riet uns jetzt auch, bezüglich der DC 41 und DC 42 einen Antrag auf Akteneinsicht bei der Bundesnetzagentur zu stellen. Das hat der Landkreis Bad Kissingen am 29. Januar 2024 getan. Auch die Kommunen Wartmannsroth und Zeitlofs stellten Anträge.
Für die Juristen der Hamelner Erklärung liegt der Verdacht nahe, dass die Planungen der Präferenzräume für die Trassen zu oberflächlich ermittelt sind. Vonseiten der Bundesnetzagentur reagierte man sehr verschnupft auf unseren Antrag auf Akteneinsicht und teilte mit, dass uns hierfür Kosten entstehen würden und die Vorbereitung der Akteneinsicht für die Bundesnetzagentur zu aufwändig sei. Zudem wurde angedeutet, dass wir die Pläne keinen Dritten zeigen dürften. Da Akteneinsichten in allen Genehmigungsverfahren üblich sind, stellt sich für mich die Frage, ob es etwas zu verbergen gibt.