Zeitlofs' Bürgermeister Matthias Hauke ist erschüttert: "Das wird mit einer Geschwindigkeit vorangetrieben, die die Bevölkerung völlig überrollt", sagt der Vorsitzende des im Zuge des Kampfes gegen Südlink gegründeten Vereins Rhönlink. Dieser bündelt den Protest gegen derlei Großprojekte.
Was Hauke meint, sind die neuen Gleichstromtrassen Nordwestlink (DC41) und Südwestlink (DC42) und vor allem deren rasantes Genehmigungsverfahren. Beide Großprojekte sollen bald den westlichen Landkreis Bad Kissingen durchschneiden. Damit kommen sie "on top" auf die vor zehn Jahren verlegte Ferngasleitung Sannerz - Rimpar und die geplante Wechselstromleitung P43.
Was momentan nicht nur bei Hauke das Gefühl des Gedrängtseins und der Machtlosigkeit befeuert, ist neben dem ungewohnten Tempo der Genehmigung die Kürze der Frist für Stellungnahmen. Nur bis 29. Januar ist eine solche möglich.
Bisher dauerte es Jahre, bis man den Punkt erreichte, die sogenannte Planfeststellung starten zu können. Vorgeschaltet waren nach Vorplanung und Benennen eines Untersuchungsraumes verschiedene Schritten der Bundesfachplanung. Der Projektträger musste Anträge stellen, Unterlagen einreichen, die monatelang geprüft wurden. So war und ist es bei Südlink und der Fulda-Main-Leitung (P43).
Bundesfachplanung fällt bei Nordwestlink und Südwestlink weg
Ganz anders bei Nordwest- und Südwestlink: Dort fällt die Bundesfachplanung weg. Stattdessen hat die Bundesnetzagentur Mitte November 2023 jeweils Präferenzräume festgelegt, die sich mit fünf bis zehn Kilometer Breite von Nord nach Süd ziehen. Dies geschah nicht willkürlich, sondern computergestützt anhand von Daten, die bei früheren Projekten schon erhoben wurden.
So fällt bei den Präferenzräumen für DC 41 und 42, die im Landkreis Bad Kissingen identisch verlaufen, auf, dass sie die beiden Truppenübungsplätze Hammelburg und Wildflecken aussparen. Gleiches gilt für das Wasserschutzgebiet bei Römershag, das schon als Ausschlussgrund für eine Trassenführung der P43 entlang der Rhönautobahn herhält (wir berichteten).
Viele Gemeinden im westlichen Landkreis betroffen
Das geraffte Verfahren bedeutet auch schnellere Klarheit für potenziell Betroffene. Bibberte bei P43 und Südlink früher der gesamte Landkreis, müssen sich nun vor allem Einwohner in dessen Westteil Sorgen machen, dass die neuen Stromleitungen dorthin kommen. Konkret überlagern die beiden Präferenzräume folgende Kommunen samt Orts- beziehungsweise Stadtteile:
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Zeitlofs mit Rupboden, Roßbach, Weißenbach und Detter sowie Eckarts
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Oberleichtersbach mit Unterleichtersbach, Modlos, Breitenbach, Dreistelz, Haghof, aber nicht Mitgenfeld
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Schondra mit Schönderling, Einraffshof, Ober- und Untergeiersnest, Schmittrain, Münchau und Singenrain. Auch die Autobahnraststätte liegt im Präferenzraum, nicht aber Schildeck
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Bad Brückenau selbst nicht, aber Wernarz und das Staatsbad
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Wartmannsroth mit Völkersleier, Schwärzelbach, Neuwirtshaus, Dittlofsroda und Waizenbach, dazu Heiligkreuz und Heckmühle
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die Stadt Hammelburg nicht, aber ihre Stadtteile Windheim, Diebach, Unter- und Obereschenbach, Morlesau mit Ochsenthal
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der Oberthulbaer Ortsteil Hetzlos
Übrigens: Außerhalb des Landkreises Bad Kissingen sind große Teile der Großgemeinde Sinntal wie Züntersbach und Oberzell, von Schlüchtern und Gräfendorf und sogar die Kleinstädte Gemünden und Karlstadt betroffen.
Bürgermeister Hauke nennt kurze Frist "eine Frechheit"
Im Zusammenhang mit der kurzen Frist zur Stellungnahme spricht Matthias Hauke von einer Frechheit. Widerstand breit aufzustellen sei an dieser Stelle nicht mehr möglich. „Für Fackelläufe und Demos ist es jetzt zu spät.“ Für die Region befürchtet der Zeitlofser Bürgermeister eine Zerstörung des Waldes und landwirtschaftlicher Flächen sowie Nachteile beim Tourismus. Selbst kleinere Verschiebungen im Trassenverlauf brächten da keine Erleichterung.
Was des einen Leid ist, ist des anderen Freud'. Alexander Schilling vom Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW freut sich über das "völlig neue Genehmigungsverfahren". Eine "Riesenkeule" falle weg, sagt der Pressesprecher und meint die gestrichene Bundesfachplanung. Das spare insgesamt zwei Jahre. TransnetBW verantwortet im südlichen Teil Deutschlands Planung und Bau von Nordwest- und Südwestlink. Beide Gleichstromleitungen sollen künftig überschüssigen Windstrom aus dem Norden in den Süden bringen.
Sprecher von TransnetBW: Widerstand gegen Präferenzräume aussichtslos
Schilling ist überzeugt, dass Widerstand gegen die beiden Stromtrassen an sich aussichtslos ist. Eine großräumige Verschwenkung der Präferenzräume oder gar ganz andere werde es nicht geben. "Wir brauchen die Leitungen, um die Ziele der Bundesregierung bei der Energiewende zu erreichen."
Zur aktuell kurzen Frist für Stellungnahmen bemerkt der Unternehmenssprecher, dass im Planfeststellungsverfahren erneut Gelegenheit zu Beteiligung und Dialog besteht. Da geht es allerdings schon um konkrete Trassenverläufe in den Präferenzräumen, die TransnetBW als "Vorhabenträger" ins Verfahren einbringt.
Schilling rechnet damit, dass die Präferenzräume an sich bis April 2024 bestätigt sind; dann geht es an die Planung genauer Trassenverläufe.
Verlegung als Erdkabel nicht garantiert
Doch werden die unterirdisch sein oder als Freileitung ausgeführt. Alexander Schilling kann es nicht sagen. Zwar gebe es bei Gleichstromleitungen den Erdkabeln-Vorrang. Doch setze sich TransnetBW sehr für Freileitungen ein. Eine unterirdische Verlegung sei viele Milliarden Euro teurer und dauere ungleich länger. Am Ende sei es eine Entscheidung der Bundesregierung.
Egal ob Kabeltrasse oder Freileitung: "Die Verläufe werden komplett separat sein", sagt Schilling mit . Heißt: Auf die Betroffenen kommen zwei neu zu bauende Trassen mit jeweils Schutzstreifen zwischen 25 und 26 Meter Breite zu, auf denen zwar Sträucher, aber keine tiefwurzelnden Bäume oder Häuser stehen dürfen. Während des Baus werden sogar 60 Meter Breite in Anspruch genommen.
Zwar verspricht Schilling: "Da wo es funktioniert, werden wir Wälder umgehen und Felder nutzen." Doch wer sich die Topografie zwischen dem Markt Zeitlofs im Norden und dem Wartmannsrother Gemeindegebiet im Süden anschaut, merkt schnell, dass sich Waldschneisen kaum vermeiden lassen.
Bündelung der Trassen könnte Betroffene ins Herz treffen
Derlei Befürchtungen hegt auch Matthias Hauke, denn „eine Bündelung aller drei Leitungen ist anvisiert“, weiß er aus Gesprächen mit den Betreibern auf einer Infoveranstaltung. Das würde die Gemeinden Zeitlofs und Wartmannroth ins Herz treffen, nämlich im schlimmsten Fall „mit drei parallelen Trassen mit Masten von 60, 70 Metern Höhe“.
Bereits jetzt sei der Korridor, der offenbar zwischen Zeitlofs, Roßbach und Weißenbach entlangläuft, sehr eng. „Ich weiß überhaupt nicht, wie das praktisch umsetzbar ist, egal ob unter- oder überirdisch“, überlegt Hauke.
Es geht um das Land, nicht um persönliche Präferenzen.
Jeder gemeindliche Besserwisser kann nationale Interessen blockieren und mault im Gegenzug über teure Energie…
Finde den Fehler!
Das muss aufhören!
Nebenbei: Unser Land benötigt nach der Aufgabe der AKW und Braunkohlekraftwerke dringend (grünen) Strom. Der muss mit den Trassen vom windreichen Norden in den Süden transportiert werden. Sonst gehen in Bayern und BW die Lichter aus. Dieser Protest und diese Vereine gegen SuedLink verteuern nur das Projekt und den Strom, den letztendlich wir alle zahlen. Wir brauchen die Kabel dringend!
Viele Grüße, Simon Snaschel, Redaktion Bad Kissingen