Die Stromtrasse P 540 von Schalkau (Thüringen) über Münnerstadt nach Grafenrheinfeld wird von der Bundesnetzagentur als vorzugswürdig und alternativlos angesehen. Nachdem Energieminister Hubert Aiwanger mit seiner völlig überraschenden Ankündigung neuer Stromtrassen für einen Eklat in der Region gesorgt hatte, übernahm es nun die Stadt Münnerstadt , die Bevölkerung zu informieren. Dafür ist das Thema nachträglich auf die Tagesordnung der Stadtratssitzung gesetzt worden.
„Unser Ziel ist es, heute umfassend zu informieren und den weiteren Prozess proaktiv zu begleiten. Das dürfen die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten“, sagte Bürgermeister Michael Kastl . Klimaschutzmanager Stefan Richter übernahm diesen Part, unterstützt wurde er dabei von den Professoren Markus Zink und Anatoli Wellhöfer von der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt.
In geordneten Bahnen
Als besonders unglücklich bezeichnete Michael Kastl , dass Aiwanger die Trasse als Übel dargestellt habe, das keiner haben möchte. Dabei sei allen bewusst, dass für den Erhalt der bayerischen Wirtschaftskraft ein gigantischer Netzausbau nötig sei. Von dieser Wirtschaftskraft profitiere auch Münnerstadt , beispielsweise durch Schlüsselzuweisungen und höhere Fördersätze. Es gehe darum, den Prozess soweit möglich mitzugestalten und in geordnete Bahnen zu lenken.
„Die P 540 ist auch nötig, um den durch die vielen Erneuerbare-Energien-Projekte erzeugten Strom aufzunehmen“, so Michael Kastl . Denn das Netz sei voll. Ein solcher Netzanschluss wäre auch ohne den geplanten Windpark „Bildhäuser Forst“ nötig, widersprach er gegenläufigen Gerüchten. Der Anspruch der Stadt sei es nun, möglichst belastbare Fakten vorzulegen.
Die Bayerische Staatsregierung erkennt die fachliche Notwendigkeit der Trasse an, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage Kastls an das Wirtschaftsministerium. Und: „Das Umspannwerk im Raum Münnerstadt ist für die Ableitung des in der Region erzeugten überschüssigen Stroms der erneuerbaren Energien erforderlich.“
Zur weiteren Vorgehensweise heißt es aus dem Wirtschaftsministerium, dass neben notwendigen Prüfungen und der Anpassung des Bundesbedarfsplans durch die Bundesnetzagentur ein Gebietsstreifen für einen Trassenverlauf ermittelt wird. Der konkrete Verlauf wird vom Netzbetreiber Tennet ausgearbeitet, der ihn in ein Planfeststellungsverfahren einbringt. Findet die Trasse Eingang ins Bundesbedarfsgesetz, wird Tennet weit vor Beginn des Genehmigungsverfahrens das Gespräch suchen.
„Sehr positiv wirkt sich in unserer unsicheren Situation aus, dass wir bereits vor drei Jahren beschlossen haben, einen Klimaschutzmanager einzustellen, um genau die Herausforderungen durch die Energiewende proaktiv angehen zu können“, sagte Michael Kastl und übergab das Wort an Stefan Richter, der zunächst noch einmal auf die Pressemitteilung Aiwangers einging, in der dreimal die Stadt Münnerstadt erwähnt wurde.
Wie Anatoli Weilhöfer sagte, müssen die Stromkonzerne jährlich drei Milliarden Euro ausgeben, um die vorhandenen Netze vor Überlastung zu schützen. Markus Zink ergänzte, dass die ehemalige Zonengrenze noch heute beim Stromnetz sichtbar sei, weil Verbindungen fehlen.
Was jetzt passiere, sei schon einmal geschehen, so der Professor, der an die Ölkrise mit autofreien Sonntagen in den 1970er Jahren erinnerte. Gas sei zur Überbrückung der abgeschalteten Atomkraftwerke ausgefallen, nun müsse man mit der Stromerzeugung in die Fläche gehen.
„Der Strombedarf wird sich in den nächsten 20 Jahren mindestens verdoppeln“, so Markus Zink. Er lobte den Bürgermeister und den Stadtrat, wie sachlich mit dem Thema in Münnerstadt umgegangen werde und dass man sich hier nicht von Anfang an dagegen stemme. „Man muss mitgenommen werden“, betonte er. Das sei ein ganz wesentlicher Punkt, meinte Stefan Richter dazu. „Wir brauchen nicht nur Visionen, sondern einen Masterplan.“
Zunächst hat er sich mit der Frage beschäftigt, wo das für den Raum Münnerstadt vorgesehene Umspannwerk einen Sinn ergeben könnte. Stefan Richter hat auch nach einem möglichen Trassenverlauf geschaut, wobei er die Ortschaften so weit wie möglich umgangen und Schneisen in den Wäldern vermieden hat. Den möglichen Trassenverlauf von Großwenkheim über Kleinwenkheim, Fridritt, Münnerstadt , Reichenbach und Burghausen war er mit dem Fahrrad abgefahren.
„Das ist ein sehr sensibles Thema“, sagte er. Man müsse alle Argumente dafür und dagegen abwägen. „Wir stehen vor großen Herausforderungen.“ Die von Stefan Richter vorgestellten Fotos zeigen , dass Strommasten weit weniger sichtbar seien als Windräder, meinte Markus Zink. Und das gelte auch für 70 Meter hohe Masten einer 380-kV-Leitung.
Bürgerversammlungen folgen
Betroffen seien erst einmal alle, sagte der Bürgermeister. Aber: „Wir haben lange genug Zeit, uns Dinge zu überlegen.“ Es werde auch geprüft, inwieweit auf bestehende Infrastruktur zurückgegriffen werden kann. „Wir werden Bürgerversammlungen anbieten.“
Bei der anschließenden Diskussion fragte Norbert Schreiner nach Abständen der Masten zur Wohnbebauung. Er wird mit seinem Aussiedlerhof wahrscheinlich betroffen sein, zweifelt die Notwendigkeit der Trasse aber überhaupt nicht an.
Burghausens Ortssprecher Mario Schmitt zeigte sich „nicht begeistert“, dass womöglich eine weitere Trasse am Ort gebaut wird. Johannes Wolf dankte, dass man nun die Stufe der Kritik an Aiwanger verlassen habe und auf die Sachebene zurückgekehrt sei.
Am Ende gab es von den knapp 150 Gästen lang anhaltenden Applaus.
Und hier ein Kommentar von Thomas Malz:
Die Chancen nutzen
Ja, es war ein Paukenschlag und ja, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat mit seiner völlig überraschenden Ankündigung neuer Stromtrassen der in Münnerstadt praktizierten Transparenz bei erneuerbaren Energien einen Bärendienst erwiesen. Das wissen wir jetzt, und damit ist es auch gut. Mehr Aufmerksamkeit hat er gar nicht verdient. Viel klüger ist es, sich auf das zu konzentrieren, was er angekündigt hat. Für Münnerstadt kann das nämlich eine riesige Chance bedeuten. Ein Umspannwerk, in dem in der Region erzeugter Ökostrom ins Netz eingespeist werden kann, ist wirklich nicht zu verachten. Mit den Stromtrassen ist es wie mit den Autobahnen: Fast jeder weiß, dass sie gebraucht werden, aber niemand will sie vor der Haustür haben. Gegen den Verlauf der A 71 hatte Münnerstadt ewig geklagt, am Ende wurde sie doch wie geplant gebaut. Münnerstadt ist dabei leer ausgegangen, sieht man einmal von den Parkplätzen mit WC und dem „taubenblauen“ Geländer der Lauertalbrücke ab. Da wäre viel mehr drin gewesen. Bei der geplanten Stromtrasse P 540 geht die Stadt jetzt ganz andere Wege, zeigt sich von Anfang an offen. So besteht auch die Chance, den Trassenverlauf mitzugestalten. Seit Jahren hat Münnerstadt eine Vorreiterrolle bei der Ausweisung erneuerbarer Energien übernommen, hat mit Stefan Richter den ersten Klimamanager im Landkreis eingestellt. Der Kriterienkatalog für Freiflächenphotovoltaikanlagen und der Windpark „Bildhäuser Forst“ sind Früchte dieser Arbeit. Gelingen konnte das nur, weil die Bevölkerung immer mitgenommen wurde, und das ist – so hat die Stadtratssitzung gezeigt – auch bei der P 540 der richtige Weg.
--> FOLGE: Die P 540 ist nicht nötig um den Erneuerbare-Energie-Strom auf zu nehmen? Oder anders ausgedrückt: Das Netz ist NICHT voll ? Mehr Widerspruch gibts nicht.
-- Die Bayerische Staatsregierung : „Das Umspannwerk im Raum Münnerstadt ist für die Ableitung des in der Region erzeugten überschüssigen Stroms der erneuerbaren Energien erforderlich.“ - Der Bildhäuser Windpark gehört nicht zur Region?
-- Art. 2 BayFAG klärt über Gemeindeschlüsselzuweisungen auf. Die haben mit der Stromtrasse P 540 überhaupt nix zu tun. Es ist auch genau umgekehrt. Je strukturschwächer, ärmer ein Raum im Vergleich zu seinen Aufgaben desto mehr Zuweisungen.
-- Die kürzeste Verbindung von Schalkau nach Grafenrheinfeld führt nicht über Münnerstadt. Das ist Fakt!