Daniel Tomitza ist ein Mann klarer Worte. Der 49-Jährige, der in der Region Schweinfurt für eine Reihe von Fußballvereinen als Angreifer spielte und als Trainer arbeitete, kann mit Leistungszentren nichts anfangen und ärgert sich über Tablet-Trainer. Der Vater dreier Kinder, der in Grafenrheinfeld lebt, spricht im Interview über einen Schicksalsschlag und darüber, was Corona mit ihm gemacht hat.
Daniel Tomitza: Da hat die familiäre Verbindung eine Rolle gespielt. Stephanie Lutz ist die Frau meines Schwagers. Sie spielt mit dem TSV Ettleben in der Korbball-Bundesliga. Obwohl ich durch und durch Fußballer bin, geht es bei uns zu Hause auch um Korbball. Meine jüngere Tochter ist in der Jugend des TSV Bergrheinfeld aktiv. Meine Frau hat mit dem TSV Grafenrheinfeld die deutsche Meisterschaft gewonnen. Das habe ich in meinem Sport nicht erreicht.
Tomitza: Fußball hat 42 Jahre mein Leben bestimmt, 23 Jahre davon als Trainer oder Spielertrainer. Ich komme aus Oberwerrn. Einen Teil der Juniorenzeit habe ich beim FC 05 Schweinfurt verbracht. Als A-Jugendlicher und Vertragsamateur war ich zwei Saisons beim 1. FC Nürnberg. Ich durfte mit den Profis trainieren und habe in der zweiten Mannschaft gespielt. Ich wollte den Durchbruch schaffen. Es ging hart zur Sache. Im Training haben mir die etablierten Profis, die sich ihren Platz nicht wegnehmen lassen wollten, in den Nacken gespuckt. Es gab klare Hierarchien. Als junger Spieler musstest du spuren.
Tomitza: Für mich wäre das nichts gewesen. Ich kann nur den Kopf schütteln, in welche Systeme die jungen Spieler hineingepresst werden. Kein Wunder, dass wir keine Straßenfußballer mehr haben, die auf dem Platz etwas Ungewöhnliches zeigen. Heute darf keiner mehr einen Alleingang machen. Nach ein, zwei Kontakten muss der Ball zum Mitspieler. Das regt mich auf.
Tomitza: Ich bin ein Fußball-Romantiker. Wenn ich einen Trainer mit Tablet-Computer an der Seitenlinie sehe, werde ich wahnsinnig. Wenn mir einer was von der diametral abkippenden Sechs erzählt, frage ich ihn, ob er betrunken ist. Und diese Trainerstäbe: Athletiktrainer, Flankentrainer, Schlaftrainer. Oh weh!
Tomitza: Ich bewundere Jürgen Klopp als Motivator, wie er sein Team mental auf ein Spiel einstellt. Was die Methoden angeht, ist Felix Magath mein Vorbild. Seine Spieler waren durch harte Arbeit alle topfit. Wenn ein Verein Medizinbälle hatte, mussten meine Spieler damit trainieren.
Tomitza: Der TSV Vestenbergsgreuth hat mich 1994 als Spieler für die Regionalliga verpflichtet. Es war das Jahr, als wir Bayern München im DFB-Pokal bezwungen haben. Auch wenn ich bei diesem Spiel nicht im Kader stand, war es ein tolles Erlebnis. Danach habe ich meine Karriere in der Heimat fortgesetzt. FC Sand, DJK Schweinfurt, SV Oberwerrn, TSV Eßleben, FC Frickendorf, VfL Euerbach, TSV Grafenrheinfeld, SV Euerbach/Kützberg, FC Geldersheim und der FC Arnstein waren meine weiteren Vereine.
Tomitza: Alles ist sehr präsent. Vieles habe ich im Kopf. Schöne Momente, besondere Tore, denkwürdige Spiele. Zum Beispiel die entscheidende Begegnung mit Eßleben um die Meisterschaft in der Bezirksliga, als kein Schiedsrichter kam und die Partie mit 45 Minuten Verspätung angepfiffen wurde. Ich habe aber auch zwei Kartons voller Zeitungsartikel, die ich von Zeit zu Zeit hervorhole.
Tomitza: Ich konnte in Arnstein nicht weitermachen, weil ich mich um private Dinge kümmern musste. Ich habe den Schritt nicht bereut und festgestellt, dass es noch anderes als Fußball gibt. Seitdem bin ich davon ganz weit weg. Durch den Corona-Lockdown ohne Spiele und Training hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Ich habe gemerkt, wie mein Leben jahrelang dem Fußball untergeordnet war. Ich wollte raus aus diesem Zirkus.
Tomitza: Eine derart lange Pause hatte ich noch nie. Ich weiß nicht, ob ich dieses Feuer, das so lange in mir gebrannt hat, noch einmal entfachen könnte. Ich werde dieses Jahr 50. Ich denke, das Thema hat sich erledigt. In der Winterpause gab es Anfragen von Vereinen, ob ich im Sommer eine Mannschaft übernehmen will. Allein aus gesundheitlichen Gründen kann ich das momentan nicht. Ich hatte voriges Jahr einen schweren Unfall mit mehreren Knochenbrüchen, der noch schlimmer hätte ausgehen können. Zum Glück sitze ich nicht im Rollstuhl.
Tomitza: Nach meinem Unfall befinde ich mich in der beruflichen Wiedereingliederung. Bis dahin war ich Staplerfahrer und zuvor 25 Jahre Schleifer in der Metallverarbeitung bei SKF in Schweinfurt. Fußball und Schichtarbeit unter einen Hut zu bekommen, war mit großem Stress verbunden. Nach dem Training ging es abends direkt auf die Arbeit. Oder ich habe nach der Nachtschicht nur drei, vier Stunden geschlafen, um am Samstag zum Spiel zu fahren. Das war Raubbau am Körper.
Tomitza: Die Reaktionen bleiben nicht aus. Das habe ich gemerkt, als ich mich zum Rückzug meines früheren Vereins SV Euerbach/Kützberg aus der Landesliga geäußert habe. Der Sponsor Stephan Brunner hat es sich nicht nehmen lassen, auf meine Kritik einzugehen und nach meinem Abschied aus Arnstein nachzulegen, als er im Trainerwechsel den Grund für den Aufstieg in die Kreisliga sah. Über solche Retourkutschen kann ich nur lachen.
Tomitza: Walter Curtius, Triathlet und Masseur zahlreicher Fußballteams. Er war der erste Schweinfurter, der sich für den Ironman auf Hawaii qualifiziert hat – und das viermal hintereinander. Immer, wenn ich mit ihm als Physiotherapeuten zusammengearbeitet habe, sind wir Meister geworden. Ich ziehe den Hut davor, was er sportlich und beruflich geleistet hat.
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