Die Kehrtwende von der Kehrtwende? Rückkehr zum Profitum? "Nein", sagt Markus Wolf. Und hängt an das imaginäre Ausrufezeichen an: "Bei uns spielt keiner wegen des Geldes." Verblüffend für Umfeld und Konkurrenz war es dennoch, wie der Geschäftsführer und Hauptsponsor des FC 05 Schweinfurt und Sportleiter Andreas Brendler in den vergangenen zwei Monaten die Mannschaft aufgemotzt haben. Unter dem vielsagenden Slogan "Nichts muss, alles kann" sollen die Nullfünfer nach zwei Jahren Abstiegskampf wieder vorne mitspielen in der Fußball-Regionalliga Bayern.
Dass die Schweinfurter mit einem Unterfranken-Vergleich starten, hat eine kleine Tradition: Nach zweimal Aschaffenburg beginnen sie die Saison 2024/25 mit dem Nachbarschaftsduell gegen den TSV Aubstadt an diesem Freitag, 19. Juli, 19 Uhr – also ausgerechnet jenem Klub, von dem gleich vier Akteure verpflichtet wurden. Die FC-05-Verantwortlichen rechnen bei bestem Sommerwetter mit mehr als 3000 Zuschauerinnen und Zuschauern im Sachs-Stadion. Der Zuschauerschnitt soll diese Saison von zuletzt 1300 auf künftig 1600 steigen.
Die Vorbereitung
Mit einem Tor in der Nachspielzeit sorgte Neuzugang Sebastian Müller beim 1:1 gegen Südwest-Regionalligist Fulda dafür, dass die Generalprobe für das Derby gegen Aubstadt zumindest nicht verloren wurde. Gegen Eintracht Frankfurt II gab's ein 1:2. Gewonnen wurde gegen die Bayernligisten Karlburg und Abtswind sowie Landesligist Dampfach mit jeweils 4:0, dazu gesellte sich ein glanzloser Sieg beim Mini-Turnier in Westheim. Prädikat ordentlich – ohne Fleißsternchen.
"Mir hat gut gefallen, dass wir gegen die unterklassigen Mannschaften ohne Gegentor geblieben sind", bilanziert Trainer Victor Kleinhenz, der nach einem Jahr bei der U19 des FC Augsburg im Sommer das Amt von Marc Reitmaier (noch ohne Verein) übernommen hat. Gegen die hessischen Regionalliga-Spitzenteams sei man auf Augenhöhe gewesen. "Aber wir brauchen noch Routine bei Standards und mehr Gier."
Die Mannschaft
Elf Spieler sind gegangen, 15 (inklusive A-Jugendlichen) gekommen. Unter dem Strich ein Plus an individueller Qualität. "Alles hat Anfang Mai im VIP-Zelt begonnen", erinnert sich Wolf an die Gespräche um die Verpflichtung von Stürmer Michael Dellinger aus Aubstadt. Danach hätten sich "die Ereignisse überschlagen" – ein Dominoeffekt. "Nach der Corona-Zeit war ich ausgebrannt. Jetzt war ich wieder angefixt, zurück im positiven Hamsterrad." Die Vision war geboren: "Die Region zu uns holen."
Dank drei neuer Premiumpartner wurde der Etat marginal auf gut 600.000 Euro angehoben, verteilt auf 27 statt 23 Spieler. Da seien keine Profigehälter dabei, so die Aussage auf der Pressekonferenz. „Wir mussten deshalb schneller als die Konkurrenz sein“, sagt Brendler."
Im Frühjahr stand das Gerüst der Bleibenden, zum Trainingsauftakt Mitte Juni waren beinahe alle Transfers getätigt. Wie kaum ein ähnlich ambitionierter Liga-Konkurrent konnte der FC 05 die Vorbereitung mit nahezu komplettem Kader bestreiten. Ein Vorteil. Laut Kleinhenz seien bereits 14, 15 Spieler in der Lage, "auf hohem Niveau Regionalliga zu spielen" und seine Fußball-Philosophie umzusetzen: aus Dreieck-Situationen strukturiert nach vorn zu kombinieren.
Das System
In ein bestimmtes System möchte Kleinhenz das Spiel nicht gepresst sehen. 4-2-3-1, 4-4-2, 4-3-3 – alles vorstellbar bei der Kaderstruktur. Doch der 33-Jährige winkt ab: "Ich nehme solche Zahlenkonstellationen nicht in den Mund." Worauf können sich die Fans dann einstellen? "Auf mutigen Fußball. Wenn wir den Ball haben, wollen wir gegnerische Kontersituationen unterbinden." Auf eine gute Balance zwischen Gegenpressing und Restverteidigung legt Kleinhenz wert. "Emotional und leidenschaftlich."
Die Torhüter
Als es danach ausgesehen hatte, dass Nico Stephan die Nummer eins sein würde, der aus Illertissen gekommene Oskar Preil sein Stellvertreter und der A-Jugendliche Emil Zorn Backup, verpflichtete der FC 05 eine Woche vor Saisonstart auf Leihbasis für ein Jahr Lukas Schneller. Der hat beim FC Bayern München einen bis 2026 gültigen Profivertrag, spielte für die U21 Dritte Liga und Regionalliga, war zuletzt ausgeliehen an Drittligist SC Freiburg.
Vielleicht der Transfer, mit dem die Schweinfurter ihre Ambitionen am effekthaschendsten demonstriert haben. Und mögliche Unruhe in Kauf nehmen. "Es ist klar, dass die anderen nicht applaudiert haben. Aber ich bin überzeugt, dass sie von seiner Ganzheitlichkeit, wie gutes Torwartspiel geht, lernen können", glaubt Kleinhenz.
Die Abwehr
Viel Qualität – und doch der Mannschaftsteil, in dem sich am ehesten kleine Lücken auftun. Mit Luca Trslic hat der FC 05 einen der stärksten Innenverteidiger der Liga im Bestand und mit Leonard Langhans vom TSV Aubstadt den vielleicht besten Rechtsverteidiger dazu gewonnen.
Nils Piwernetz und Kevin Frisorger oder Tom Feulner dürften die Stamm-Viererkette komplettieren. Die sich bei etwaigen Ausfällen nicht ohne weiteres auf gleichem Niveau auffüllen lässt. Zumal mit dem Ex-Illertissener Darius Held berufsbedingt ein erfahrener Abwehrspieler gestrichen werden musste.
Das Mittelfeld
Kristian Böhnlein und Kevin Fery sind spätestens seit dem Karriereende von Adam Jabiri und Lukas Billick die Führungsspieler des FC 05. Auf der Doppelsechs eine Bank. Und Identifikationsfiguren. Und erster (Böhnlein) wie zweiter (Fery) Kapitän.
Mit dem Dettelbacher Devin Angleberger ist ein Allrounder dazu gekommen, der trotz seiner erst 21 Jahre bei Greuther Fürth reichlich Erfahrung hat sammeln dürfen und auf Augenhöhe einspringen kann. Ebenso auf der zentralen Position, die freilich an Fabio Bozesan vergeben scheint, den neunfachen Torschützen der vergangenen Runde.
Den alles überragenden Mittelfeld-Regisseur haben die Schweinfurter nicht. Sie setzen auf ein Kollektiv, in dem auch die zahlreichen Flügelspieler eine Rolle spielen.
Der Angriff
Das Jahr eins nach Adam Jabiri. Der FC 05 hat reagiert, mit dem 31-jährigen, 1,91 Meter großen Ex-Aubstadter Michael Dellinger einen vergleichbaren Nachfolger für die Sturmspitze verpflichtet. Und mit Martin Thomann und Patrick Hofmann dessen letztjährige Teamkollegen sowie mit Joshua Endres einen weiteren früheren Aubstadter gleich mit – allesamt Flügelstürmer. Wie auch der nachverpflichtete frühere U-20-Nationalspieler Sebastian Müller, der 65 Einsätze in den drei Top-Ligen vorweisen kann.
Unübersehbar: In der Offensive existiert ein Überangebot, zumal der lange verletzte Andre Rumpel als "interner Zugang" zu zählen ist. Aber: Der herausragende Goalgetter für deutlich mehr als 20 Treffer, wie ihn Spitzenteams gern haben, kristallisiert sich aktuell nicht heraus.
Das Ziel
In seiner Erklärung für die Machbarkeit der Transfers versteckt Markus Wolf das, was offiziell keiner im Verein ausspricht: die dezente Hoffnung, im Idealfall womöglich doch im Rangeln um Platz eins der lachende Dritte, Vierte oder Fünfte zu sein. "Wenn wir die Lizenz zur Dritten Liga beantragen, haben wir mit unseren Rahmenbedingungen eine hohe Chance, sie zu bekommen." Wolf spricht von einem Zwei-Jahres-Plan, die meisten Verträge sind entsprechend fixiert.
Victor Kleinhenz umschifft das Thema Erwartungen und Ziele vielsagend: "Ich sehe statt Erwartungen die coole Chance, für Furore zu sorgen. Wir können es hinkriegen, etwas Geiles auf die Beine zu stellen." Dazu gehöre der Pokal-Wettbewerb: "Da lassen sich außergewöhnliche Momente kreieren", wie die Schweinfurter Pokal-Höhepunkte gegen Frankfurt und Schalke bewiesen haben. Wir nehmen das brutal ernst."
Demut und Vernunft stehen dem Verein angesichts der übermächtigen Rolle der Würzburger Kickers sowie der Manpower von Illertissen gut. Ganz darum herum werden die Schweinfurter freilich nicht kommen, die Mitfavoritenrolle anzunehmen, die ihnen immerhin sechs von 18 Trainern zutrauen.