Knapp 300 Kilometer sind es von Wartmannsroth im Landkreis Bad Kissingen zum Nachwuchs-Leistungszentrum (NLZ) des FC Augsburg. "Ich kenne mittlerweile wohl jeden einzelnen Kilometer. Mein Auto könnte die Strecke eigentlich schon alleine fahren", scherzte Victor Kleinhenz am Rande des Spiels der Fußball-Regionalliga Bayern zwischen dem FC Augsburg II und dem TSV Aubstadt.
Für den 32-Jährigen war es eine besondere Situation am vergangenen Freitagabend. Kurz zuvor hatte er noch das Training der Augsburger U19 geleitet, pünktlich zum Gastspiel seines Ex-Vereins, bei dem er im März als Trainer entlassen worden war, saß er zusammen mit seiner für das Wochenende angereisten Frau und den Kindern auf der Haupttribüne des Rosenaustadions.
Ein bis zweimal pro Woche ist Victor Kleinhenz zu Hause in Wartmannsroth
Dort sah er ein denkwürdiges Spiel, das der TSV Aubstadt überraschend deutlich mit 0:5 verlor. "Ich habe mich ein bisschen an das letzte Jahr erinnert gefühlt, als wir mit Aubstadt in Augsburg in der ersten Halbzeit ebenfalls riesige Probleme hatten. Mit Glück ging es damals mit einem 1:1 in die Kabine, wir hätten aber auch drei oder vier Gegentore kassieren können." Am Ende stand im September 2022 ein 2:2 auf der Anzeigetafel und Kleinhenz konnte anschließend zusammen mit dem Augsburger Coach Tobias Strobl, mit dem er seit einigen Jahren ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, im Kabinengang entspannt ein Bier trinken.
Mittlerweile sind Kleinhenz und Strobl keine sportlichen Konkurrenten mehr, sondern Kollegen. Die Ex-Trainer des TSV Aubstadt und des FC 05 Schweinfurt teilen sich sogar ein Büro in der Paul-Renz-Akademie des FC Augsburg. Während Strobl bereits seit vergangener Saison die Augsburger U23 trainiert, übernahm Kleinhenz im Juni den Cheftrainerposten bei der in der Bundesliga Süd/Südwest spielenden U19. "Es herrscht hier trotz allem Leistungsdruck ein familiäres Umfeld, was mir das Eingewöhnen sehr leicht gemacht hat."
In Augsburg hat Kleinhenz mittlerweile eine Wohnung gefunden, nachdem er anfangs noch im Hotel gewohnt hatte. "Klar, die räumliche Trennung von meiner Familie ist nicht einfach. Auch für meine Kinder war die Umstellung am Anfang natürlich schwierig. Wir wussten aber, was auf uns zukommt", sagt Kleinhenz. In der Regel sei er ein bis zwei Tage pro Woche zu Hause in Wartmannsroth. "Die vielen Autofahrten sind schon nervig, die Zeit mit der Familie sind sie aber auf alle Fälle wert."
Victor Kleinhenz traut dem TSV Aubstadt ein Platz unter den ersten Fünf zu
Aus beruflicher Sicht sei es wichtig gewesen, nach dem Aus beim TSV Aubstadt schnell wieder ins Trainergeschäft einzusteigen. "Natürlich habe ich nach der Entlassung ein paar Tage zum Verarbeiten gebraucht, es war ja der erste Rückschlag in meiner Trainerkarriere", sagt Kleinhenz und betont, "dass wir im Guten auseinandergegangen sind". Das zeigten am Freitag auch die vielen Gespräche nach dem Spiel mit seinen ehemaligen Spielern: "Ich freue mich, dass es in Aubstadt aktuell wieder so gut läuft und erwarte sie auch am Ende der Saison unter den ersten Fünf."
Nachdem Victor Kleinhenz im Mai einige Wochen in Unterhaching bei Sandro Wagner, dem neuen Co-Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, hospitiert hat, ist nun der Job als U19-Trainer beim FC Augsburg der nächste Schritt in der noch jungen Karriere des A-Lizenz-Inhabers. "In den nächsten Jahren wird dann auch der Fußballlehrer sicher ein Thema sein. Ein Job bei einem Junioren-Bundesligisten ist hierfür sicher nicht die schlechteste Voraussetzung", sagt Kleinhenz.
Zunächst konzentriert er sich aber voll und ganz auf seine Aufgabe in Augsburg, wo pro Woche in der Regel sechs Trainingseinheiten auf dem Programm stehen. Unterstützt wird er dabei von zwei Co-Trainern, einem Torwarttrainer, einem Athletikcoach, einem Videoanalysten und einem Sportpsychologen. "Das ist alles absolut professionell. Die größte Umstellung war am Anfang das Delegieren von Aufgaben, was ich erst lernen musste", sagt Kleinhenz.
Mit Tobias Strobl ist Victor Kleinhenz im ständigen Austausch
Während seine Spieler in Aubstadt zum größten Teil im gleichen Alter wie er selbst waren, hat Kleinhenz es in Augsburg mit "top ausgebildeten Jugendlichen zu tun, die alle noch große Ziele im Profifußball haben". Auf das im NLZ oft übliche Siezen der Trainer verzichtet Kleinhenz allerdings. "Das ist nicht so mein Ding."
Sehr eng ist der Kontakt mit der U23-Mannschaft. "Mit Tobi Strobl bin ich ständig im Austausch. Zwei Spieler aus der U19 waren bei ihm auch schon im Sommertrainingslager dabei. Es kommt auch vor, dass das Training der Augsburger Regionalliga-Mannschaft mit Jugendspielern aufgefüllt wird, um ein Spiel Elf gegen Elf simulieren zu können."
Deutlich geringer ist hingegen der Austausch mit Trainer Enrico Maaßen von der Augsburger Bundesligamannschaft. Am vergangenen Samstag schaffte es Kleinhenz dann zum ersten Mal zu einem Heimspiel des FCA – und sah gleich den ersten Saisonsieg der bayerischen Schwaben gegen den FSV Mainz 05.
