Am 23. Februar zog der 66. Faschingszug durch Würzburg, zehntausende Menschen feierten in der Innenstadt. Das ist gerade einmal zehn Monate her und es wirkt doch wie aus einer anderen Zeit. Und es gab noch weitere Schlagzeilen in diesem Jahr, die nichts mit der Pandemie zu tun hatten. Ein Jahresrückblick, ganz ohne Corona.
1. Knapp der Katastrophe entgangen: Der Maibaum stürzt um
Es sind dramatische Szenen, die sich am Vormittag des 26. August auf dem unteren Markt abspielen. Auf dem Platz herrscht reges Treiben, trotz des ungemütlichen Wetters, das Sturmtief "Kirsten" verbreitet. Und der Sturm ist es auch, der kurz vor 11 Uhr den 18 Meter hohen Maibaum umwirft, der in der Nähe der Marienkapelle steht. Der Stamm knickt kurz über dem Boden ab. Wie durch ein Wunder wird niemand verletzt. Später stellt sich heraus, dass der Stamm an der Bruchstelle von Pilz befallen war.
2. Kommunalwahl: OB bleibt im Amt, Würzburg bekommt ersten Klimabürgermeister in Bayern
Am 15. März, dem Wahlsonntag für die Kommunalwahl in Bayern, wird es richtig spannend. Denn die Grünen sind in Würzburg stark wie nie. Gelingt es ihnen, mit ihrem Kandidaten Martin Heilig künftig den Oberbürgermeister zu stellen? Schon bald nach Schließung der Wahllokale ist klar: Daraus wird nichts. Amtsinhaber Christian Schuchardt führt schnell souverän und schafft mit rund 52 Prozent die Wiederwahl sogar im ersten Durchgang. Martin Heilig geht aber auch nicht leer aus: Im Mai wird er berufsmäßiger zweiter Bürgermeister und zugleich erster "Klimabürgermeister" in Bayern. Was die Grünen bei der OB-Wahl nicht geschafft haben, gelingt ihnen im Stadtrat: Sie lösen die CSU als stärkste Fraktion ab.
3. Einbahnstraßentest in der Zeller Straße – und keiner bekommt es mit
Stell' Dir vor, es ändert sich etwas, und keiner kümmert sich drum. So oder so ähnlich könnte man die Umwandlung der Zeller Straße in eine Einbahnstraße kommentieren. Denn nachdem die Stadt auf Beschluss des Stadtrates ab dem 1. September einen einjährigen Probebetrieb der Straße als Einbahnstraße stadtauswärts umgesetzt hatte, häuften sich die Beschwerden, weil man die Rechnung ohne die Autofahrer gemacht hatten, die sich um diese Regelung nicht scherten. Erst eine mehr als deutliche Beschilderung durch die Stadt und Kontrollen der Polizei führten dazu, dass sich die Zahl der Falschfahrer – absichtlich oder unabsichtlich – deutlich verringerte.
4. Auf den Mainwiesen demonstrieren 2000 Menschen gegen Rassismus
Nach dem Tod des schwarzen US-Amerikaners George Floyd in Minneapolis als Folge von Polizeibrutalität versammelten sich Anfang Juni insgesamt mehr als 2000 vorwiegend junge Menschen bei zwei Kundgebungen am Freitag und Samstag zum friedlichen Protest. Auf den Mainwiesen demonstrierten sie unter dem Motto "Black Lives Matter" gegen Rassismus und Polizeigewalt. Die Organisatoren hatten eine Versammlung mit 300 Teilnehmern angemeldet und waren selbst davon überrascht, dass so viele Menschen kamen.
5. Lange Nacht in der Zellerau: Fliegerbombe wird entschärft
"Achtung, Achtung, auf Grund eines Bombenfundes muss der umliegende Bereich sofort geräumt werden. Verlassen Sie die Gebäude und leisten Sie den Anweisungen der Einsatzkräfte Folge." Dies erklingt am Freitagabend, den 6.März, aus den Lautsprecherfahrzeugen, die durch die Straßen in der Zellerau rollen. Knapp 12 000 Menschen leben in Würzburgs Westen. Rund 2000 von ihnen werden an diesem Abend ihre Wohnung verlassen müssen.
Grund ist eine 75 Jahre alte 250-Kilo-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Diese war am Nachmittag bei Erdarbeiten an der Staatlichen Feuerwehrschule in der Mainaustraße ans Tageslicht befördert worden. Der herbei gerufene Kampfmittelräumdienst aus Nürnberg ist sich schnell sicher: Die Lage ist ernst.
Mehr als 250 Helfer sind im Einsatz, zahlreiche Feuerwehren, Rotes Kreuz, Malteser, Johanniter. Rund 100 Menschen müssen mit Rettungswagen aus der Gefahrenzone gefahren werden, weil sie zu alt, krank oder zu schwach sind, um sich selbst auf den Weg zu machen. Die Evakuierung dauert, es wird 1.30 Uhr, bis die Experten mit der Entschärfung der Bombe beginnen können. Um kurz vor 4 Uhr dann die erlösende Nachricht: Die Gefahr ist gebannt, die Menschen können an diesem frühen Samstag zurück in ihre Wohnungen.
6. Diskussion: Werden Würzburger Straßen umbenannt?
Eine Kommission hat Würzburger Straßennamen mit Blick auf eine Verstrickung der Namenspaten ins NS-Regime untersucht, kurz vor Jahresende liegt der Abschlussbericht vor. Bei neun Namen sieht die Kommission Handlungsbedarf, darunter sind so bekannte Personen wie Mozartfest-Begründer Hermann Zilcher oder Heiner Dikreiter, der Gründer der Städtischen Galerie. Im Dezember beschäftigt sich der Stadtrat mit dem Thema und verständigt sich auf einen Fahrplan: Voraussichtlich bis Ende 2021 soll feststehen, ob und welche Straßen umbenannt werden oder wie man anderweitig mit den Straßennamen umgeht. An der Debatte sollen auch die Würzburger Bürger beteiligt werden.
7. Nun rollen auch in Würzburg die E-Scooter
Seit Mitte Oktober rollen sie auch durch Würzburg: Die Elektro-Roller oder auf neudeutsch E-Scooter. 100 Stück davon hatte die irische Firma Zeus in der Domstadt verteilt. Bisweilen sieht man die dreirädrigen Gefährte auf Gehsteigen und am Straßenrand stehen und auf neue Kundschaft warten. Denn die Nutzung ist relativ einfach: App herunterladen, registrieren, den nächsten freien Roller suchen und losfahren. Abgerechnet wird nach Zeit. Ein Problem: Würzburgs Fußgängerzonen sind für die kleinen Flitzer tabu. Größere Probleme mit dem dreirädrigen Gefährten seien aber bislang im Rathaus nicht bekannt, hieß es auf Anfrage.
8. Faschingszug in Würzburg: ein letztes bisschen Normalität
Rund 70 000 Närrinnen und Narren säumten am 23. Februar die Route, auf der sich Süddeutschlands größter Faschingszug durch Würzburgs Straßen wälzte. Wie aktuell schon bald das Motto eines Wagens namens "Pflegenotstand" werden sollte, der unter dem Motto "Sind Alte und Kranke nichts mehr wert, läuft in unserer Welt etwas verkehrt!" auf den Personalmangel in der Pflege aufmerksam machte, ahnte auch noch niemand. 2021 wird es keine Faschingszüge in Würzburg geben, das steht seit Anfang September bereits fest.
9. Praxis zu verschenken: Ein Würzburger Arzt sucht einen Nachfolger
Eigentlich wollte der Hausarzt Dr. Norbert Hofmann bereits seit Juli im Ruhestand sein. Doch daraus wurde nichts. Denn er fand einfach keinen Nachfolger für seine Praxis in der Zellerau. Über zwei Jahre war er nun schon auf der Suche. Eines Nachts kam ihm der Gedanke, seine Praxis verschenken zu wollen. Mit Anzeigen in verschiedenen Medien machte er auf sich und seine Praxis aufmerksam.
Nun hat es endlich geklappt. Doch eine dauerhafte Lösung ist dies nicht. Denn der Allgemeinarzt Dr. Victor Cioric, der die Praxis nun übernimmt, betreibt bereits eine Praxis in der Innenstadt und darf rechtlich keine zwei Praxisstandorte in Persona versorgen. Ein älterer Kollege hat sich nun bereit erklärt, die ersten Monate etwa 20 Stunden pro Woche in der Zellerauer Praxis zur Verfügung zu stehen. Er steigt jedoch nur vorübergehend ein, um den Sitz zu erhalten. Deshalb wird weiterhin ein williger Kollege oder eine willige Kollegin gesucht.
10. Dieter Bohlen joggt in den Weinbergen – und macht die Festung zur "Würzburg"
Im Oktober war Prominenz zu Gast in Würzburg. Der Poptitan Dieter Bohlen zeigte seinen 1,5 Millionen Followern auf Instagram, dass er sich in den Weinbergen der Domstadt aufhielt. Doch dann sagte er etwas, was vor allem bei seinen unterfränkischen Fans für einen Lacher sorgte. Er schwenkte seine Handykamera und der Blick fiel auf die Stadt und auf die Festung Marienberg, die er fälschlicherweise für die "Würzburg" hielt. "Und wo ist denn diese 'Würzburg'? Oder doch Pfefferburg?", scherzte er.
11. Gedenkort: Koffer erinnern an deportierte Juden
Genau 77 Jahre nach dem letzten Deportationszug aus Würzburg wurde im Juni am Hauptbahnhof ein Denkmal eröffnet. Der "DenkOrt Deportation" soll an die dunkle Zeit und die vielen von den Nazis ausgelöschten Leben erinnern. In der Grünanlage am östlichen Rand des Bahnhofsplatzes sieht man nun Stelen und Sitzgelegenheiten, die an einen Bahnsteig erinnern.
Dort wurden aus der Stadt Würzburg und allen unterfränkischen Gemeinden, in denen während des Dritten Reiches Juden lebten, 47 symbolische Gepäckstücke sowie ein Koffer mit einem Gedicht des deutsch-israelischen Lyrikers Jehuda Amichai aufgestellt. Parallel haben in den jeweiligen Gemeinden identische Gepäckstücke Platz gefunden.