Wer in der Zellerau eine Wohnung bekommen hat, kann sich glücklich schätzen. Nicht immer hatte diese Ecke Würzburgs Würzburg einen guten Ruf, mittlerweile aber gilt die Zellerau als "aufstrebender Stadtteil". Denn es mangelt an nichts. Die Nahversorgung ist gut, mit der Straßenbahn ist man in wenigen Minuten in der Innenstadt und eine große Vielfalt der Bewohner – von Jung bis Alt - prägt das Leben.
Wer einen Arzt braucht, ist direkt im Stadtteil auch gut versorgt. Doch bald könnte sich das ändern, befürchtet Allgemeinarzt Dr. Norbert Hofmann. Er hat eine Praxis in der Friedrichstraße, die Lage könnte kaum besser sein. Die Straßenbahn ist nur einen Katzensprung entfernt, das große Friedrich-Koenig-Gymnasium in Sichtweite. Und dennoch hat der Allgemeinarzt ein großes Problem. Er findet keinen Nachfolger für seine Praxis.
Seit zwei Jahren sucht er bereits - vergeblich. "Eigentlich wollte ich im Juli aufhören", sagt der 67-jährige Mediziner. Der Mietvertrag für seine Praxis laufe aber noch bis Ende des Jahres. Hofmann hofft, bis dahin doch noch einen Nachfolger zu finden: "Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt." Auch der Vermieter, sagt der Allgemeinarzt, wünsche sich, dass es weiterhin eine Praxis im Haus gibt.
Doch wie? In einer schlaflosen Nacht kam dem Allgemeinmediziner die Idee: verschenken! Hofmann schaltete eine Anzeige in der Main-Post: "Allgemeinarztpraxis in Würzburg zu verschenken". Kein Tippfehler oder Versehen - "sondern Absicht", sagt der Arzt aus der Zellerau. Denn wenn eine Nachfolgersuche auf dem üblichen Weg nicht klappe, müssten andere Herangehensweisen ausprobiert werden. Im Ärzteblatt klingt seine Anzeige noch drastischer: "Warum möchte eigentlich keiner eine Praxis in Würzburg geschenkt bekommen?"
Vermutung: Viele wollen Spezialisten werden
Eine Frage, die sich der Mediziner schon oft stellte. Eine mögliche Erklärung sei, dass viele Ärzte heute angestellt sein möchten. "Mit beispielsweise 7000 Euro im Monat lebt es sich gut als angestellter, junger Arzt", sagt der 67-Jährige. Und man müsse sich dann auch nicht um die zeitraubende Bürokratie kümmern, die bei einem niedergelassenen Hausarzt anfalle und die erst einmal abschrecke.
Der 67-Jährige hat noch eine andere Theorie: Die Ärzte der nächsten Generation spezialisierten sich lieber, um dann zum Beispiel als Kardiologe oder Radiologe zu arbeiten. Auch die Forschung an der Uni zögen viele Nachwuchsmediziner dem Praxisalltag vor: "Die Allgemeinmedizin hat einfach nicht mehr die Basis", lautet das Fazit des Arztes. "Und früher war 'work' auch 'life', heute ist das mit der Work-Life-Balance etwas anders."
Die Vorteile, als Hausarzt zu arbeiten, würden viele gar nicht mehr kennen und sehen. "Keine Nachtdienste, keine Arbeit am Wochenende und Urlaub, wann man ihn selbst nehmen möchte. Wo kriegen Sie das denn in einem Krankenhaus?", fragt der Arzt. Bis jetzt hätten sich nur wenige Kollegen auf die Anzeigen gemeldet. Vielen sei die 180-Quadratmeter-Praxis zu groß, einigen fehle am Ende dann doch der Mut, sich niederzulassen. Er verstehe das, sagt Hofmann. Doch wünscht er sich weiter, dass die im Stadtteil bekannte Praxis mit rund 1800 Patienten pro Quartal nicht stirbt. Eine Gemeinschaftspraxis sei zum Beispiel eine gute Möglichkeit, sagt der Mediziner. Dann könnten die Räume aufgeteilt werden.
Hat das Praxissterben nun auch die Stadt erreicht? Hofmann zählt einige Praxen auf, die in jüngster Vergangenheit schließen mussten, weil ein Nachfolger fehlte. "Das geht durch alle Stadtteile." Auf dem Papier gilt Würzburg jedoch als "überversorgt". Laut Kassenärztlicher Vereinigung Bayerns (KVB) gibt es in der Domstadt 104,30 Kassenarztsitze verteilt auf 120 Ärzte, von denen nicht alle in Vollzeit tätig sind. "Damit hat Würzburg einen Versorgungsgrad von 135,67 Prozent und ist statistisch überversorgt", so KVB-Sprecher Axel Heise. Dass in Innenstädten Praxen wegfallen, sei nicht als Trend zu beobachten.
Seinem eigenen Trend-Gefühl möchte Norbert Hofmann zumindest entgegen wirken, er sucht weiter nach einem Nachfolger. Doch was würde der eigentlich geschenkt bekommen? "Eine voll funktionsfähige Praxis", sagt Hofmann. Das beinhalte beispielsweise die gesamte Einrichtung und nach Absprache auch diverse medizinische Geräte. Über den Kundenstamm könne man sich natürlich auch unterhalten, sagt der Mediziner schmunzelnd. Zudem würde sich auch seine sichtlich gut gelaunte Arzthelferin über einen Nachfolger freuen: "Die beste Helferin Würzburgs", sagt Hofmann. "Sie kennt wirklich jeden und wäre natürlich bereit, dem Nachfolger unter die Arme zu greifen." Und er selbst, meint der 67-Jährige, würde auf Wunsch in der Anfangsphase auch aushelfen.
Sollte sich niemand für die Zellerauer Praxis finden, wird sie der Hausarzt wohl für immer schließen müssen. Davor, so Hofmann, sei auch den Ärzten in der Nachbarschaft bange. Noch gibt er sich vorsichtig optimistisch: "Ich selbst bin damals durch Zufall an die Praxis gekommen, jetzt hoffe ich wieder auf einen Zufall, um sie an jemanden weiterzugeben."
Interessenten können sich per Mail bei Norbert Hofmann melden: drnorberthofmann@aol.com.