Etwa 50 Menschen haben sich auf dem Vorplatz am Würzburger Hauptbahnhof versammelt - mehr sind in der aktuellen Corona-Krise nicht erlaubt. Viele haben die Köpfe gesenkt, viele Blicke sind starr. Sie haben sich versammelt, um den insgesamt 2061 Juden aus Stadt und Landkreis Würzburg, die zwischen 1941 und 1943 deportiert wurden, die letzte Würde zu erweisen. Das Denkmal "DenkOrt Deportation", das am Mittwoch eröffnet wurde, soll an die dunkle Zeit und die vielen von den Nazis ausgelöschten Leben erinnern.
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Die Einweihung des Denkortes sollte dem Anlass angemessen mit einer größeren Veranstaltung begangen werden - eigentlich. Weil dies aufgrund der Corona-Pandemie auf absehbare Zeit nicht möglich ist, fand die Eröffnung nun im kleinen Kreis statt.
Seit 2015 hat sich ein Verein für den Gedenkort eingesetzt
"Wir haben einen langen Weg hinter uns, aber es liegt auch ein langer Weg vor uns", sagt Benita Stolz, die Vorsitzende des achtköpfigen Vereins DenkOrt Deportationen e.V., der das Gedenken anregte und seit 2015 für die Planung zuständig war. Es war auch diese Gruppe, die im Jahr 2011 mit 3000 Personen aus ganz Unterfranken den sogenannten Weg der Erinnerung ging. In einem Gedenkzug vom Platzschen Garten bis zum Bahnhof Aumühle vollzogen sie den Weg der Juden, die im April 1942 aus Würzburg deportiert wurden.
Auf 852 Tafeln, die in die damals noch vorhandenen Gleisbette gelegt wurden, standen die Namen der jüdischen Unterfranken, die bei der dritten Deportation die Waggons besteigen mussten. "Niemand kam zurück, alle wurden ermordet", sagt Stolz in ihrer Rede. Seit 2015 setzt sich ihr Verein dafür ein, dass ein Denkort in Würzburg geschaffen wird. "Nun haben wir es geschafft", so Stolz.
Symbolische Gepäckstücke als Erinnerung
In der Grünanlage am östlichen Rand des Bahnhofsplatzes sieht man nun Stelen und Sitzgelegenheiten, die an einen Bahnsteig erinnern. Dort wurden aus der Stadt Würzburg und allen unterfränkischen Gemeinden, in denen während des Dritten Reiches Juden lebten, 47 symbolische Gepäckstücke sowie ein Koffer mit einem Gedicht des deutsch-israelischen Lyrikers Jehuda Amichai aufgestellt. Parallel soll in den jeweiligen Gemeinden ein identisches Gepäckstück einen Platz finden.
Was ist in den Köpfen der Menschen damals vorgegangen? Welche Ängste hatten sie? Wussten die Juden, dass ihnen der Tod bevorsteht? Tafeln mit Fotografien, die Teilnehmer der Eröffnung neben dem Gedenkort in den Händen halten, regen zum Nachdenken an. Auf ihnen sind Juden zu sehen, die den Nationalsozialisten zum Opfern gefallen sind.
Josef Schuster: Die Erinnerung muss wach gehalten werden
Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, zeigt sich beeindruckt von dem Gedenkort. "Hier ist etwas sehr Gutes entstanden", sagt er. Hiermit habe man den Menschen ein Stück Würde zurückgegeben. Von den Menschen wünsche er sich, dass sie sich mehr mit der Vergangenheit auseinandersetzen als wegzusehen. Denn dies sei die bleibende Verpflichtung und Aufgabe nach der Schoa: "Die Erinnerung wach zu halten und an die nächsten Generationen weiterzugeben. Das schulden wir unseren ermordeten Großeltern und Verwandten, von denen nur ein Gepäckstück am Wegesrand zurückgeblieben ist."
Ähnlich sieht es Ludwig Spaenle, Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe: "Erinnerung ist in diesen Tagen mehr als notwendig." Und auch Erwin Dotzel, Präsident des Bezirktags von Unterfranken, stimmt zu: "Dieses Mahnmal bringt die Erschütterung zum Ausdruck."
Inspiriert zu der Gestaltung als eine Art Gepäckband wurde Architekt Matthias Braun durch ein historisches Foto vom Gepäck der Deportierten am Güterbahnhof Aumühle, welches auch auf einer Gedenktafel zu sehen ist. Viele Dankesworte bekommt Braun an diesem Tag zu hören. Auch von Oberbürgermeister Christian Schuchardt: "Wir müssen uns Erinnern, denn diese Erinnerung ist der Schlüssel zu einer besseren und einer menschlicheren Zukunft."