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Würzburg
Aufatmen nach dem Lockdown: War's das mit Corona – oder nicht?
Die Inzidenzen sinken, die Regeln werden gelockert, das Leben wird leichter. Ist Corona nun vorbei? Oder macht die Pandemie nur Pause? Wir haben acht Würzburger gefragt.
Die Inzidenzen sinken, die Temperaturen steigen: Unterfranken scheint aufzuatmen. Viele Menschen zieht es nach dem langen Lockdown nach draußen.
Foto: Daniel Peter | Die Inzidenzen sinken, die Temperaturen steigen: Unterfranken scheint aufzuatmen. Viele Menschen zieht es nach dem langen Lockdown nach draußen.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:51 Uhr

Endlich. Endlich sinken die Inzidenzen. Endlich nimmt das Impftempo zu. Endlich werden die strengen Corona-Einschränkungen in vielen Bereichen gelockert. Und sogar das Wetter wechselt von Dauertrübnis auf Sommertemperatur – endlich. Verwaiste Innenstädte sind passé, in den Fußgängerzonen tummeln sich zahlreiche Menschen. Ebenso an den Flussufern, Seen und in Parkanlagen. Es herrscht kollektives Aufatmen nach dem langen Lockdown. Doch, war’s das wirklich mit der Pandemie? Oder ist längst nicht alles vorbei? Acht Würzburger erzählen.

Elfriede und Theodor Schedel sind froh, dass Besuche im Seniorenstift nun wieder einfacher möglich sind.
Foto: Thomas Obermeier | Elfriede und Theodor Schedel sind froh, dass Besuche im Seniorenstift nun wieder einfacher möglich sind.

Das Ehepaar Schedel: Seit 64 Jahren verheiratet und im Lockdown so lange getrennt wie nie

Seite an Seite sitzen Elfriede und Theodor Schedel auf der Parkbank. Lieber im Schatten als in der prallen Junisonne. Mehr als sechs Jahrzehnte sind die Beiden verheiratet. "Es geht uns gut", sagt Elfriede Schedel. Jetzt wieder. Der Lockdown sei schwer gewesen. "So lange getrennt waren wir vorher nie." Die 86-Jährige lebt seit zwei Jahren im Juliusspital Seniorenstift in Würzburg, ihr Mann aber wohnte im Winter noch zuhause. Täglich kam er mit dem Bus vorbei – bis Corona und eine Erkrankung das unmöglich machten.

Seniorenheime schränkten Besuche ein, teilweise konnte sich das Paar nur noch ein Mal pro Woche sehen. "Es war alles so leer. Wenn man so lange verheiratet ist, da fehlt einem schon der Partner", sagt Elfriede Schedel. Sie hätten telefoniert, "aber das ist nicht dasselbe". Im März zog Theodor Schedel auch in das Seniorenstift, Tür an Tür liegen ihre Zimmer. Kontakte nach außen blieben schwierig, die Treffen mit der Tochter waren zeitlich begrenzt. Jetzt endlich sei das wieder einfacher, sagt Elfriede Schedel. Sie und ihr Mann sind geimpft - und erleichtert.

Denn: "Wir sind noch fit", sagt Theodor Schedel. Und unternehmungslustig. "Im Sommer gehen wir viel spazieren und Eis essen oder ins Café." Der 87-Jährige zieht sich an den Griffen seines Gehwagens hoch. Genug gesessen. "Man muss sich auf den Füßen halten. Wenn man sich den ganzen Tag hinsetzt, steht man irgendwann nicht mehr auf."

Dr. Matthias Held  hat als Lungenspezialist zahlreiche Covid-19-Patienten im Klinikum Würzburg Mitte betreut.
Foto: Daniel Peter | Dr. Matthias Held  hat als Lungenspezialist zahlreiche Covid-19-Patienten im Klinikum Würzburg Mitte betreut.

Der Lungenspezialist Dr. Matthias Held: Nach Monaten am Limit lässt die Anspannung nach

Tage und Wochen, in denen die Anspannung fast zu hoch wurde. In denen immer mehr Corona-Erkrankte behandelt werden mussten. Und die Mitarbeiter am Limit waren. Und jetzt? "Ich atme auf", sagt Dr. Matthias Held, Lungenspezialist und Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. "Auch wir sehen in der Klinik fallende Zahlen von Patienten mit Covid-19-Neuinfektionen." Zwar würden auf den Stationen noch immer Menschen mit langwierigen Corona-Verläufen versorgt und es sei unsicher, wie sich die Pandemie weiter entwickle. Aber: "Die dritte Welle scheint jetzt im Griff".

Deshalb habe man im Klinikum die Besucherregel gelockert. Er sei darüber enorm erleichtert, sagt Held. Das komplette Besuchsverbot sei "für jeden von uns eine innere Zerreißprobe und Herausforderung" gewesen: Einerseits habe die Pandemie die Beschränkung nötig gemacht. Gleichzeitig gab es die Bedürfnisse der Patienten, den Wunsch nach Kontakt zu Angehörigen. Aus Helds Sicht ist diese emotionale Belastung nun überstanden.

Ganz vorbei sei die Pandemie aber noch nicht, sagt der Mediziner. Manche Folgen würden zudem erst nach und nach sichtbar: So kämen beispielsweise verstärkt Patienten, die eine Behandlung aufgeschoben hätten. Und privat? Macht sich auch da Entspannung bemerkbar? Ja, sagt Held. Er freue sich vor allem darauf, wieder draußen Essen gehen zu können - und auf Treffen mit Freunden und Verwandten.

Schützenhof-Betreiber Lorenz Berndt genießt es, endlich wieder Gäste in seinem Biergarten bewirten zu können.
Foto: Thomas Obermeier | Schützenhof-Betreiber Lorenz Berndt genießt es, endlich wieder Gäste in seinem Biergarten bewirten zu können.

Der Gastronom Lorenz Berndt: Freude über das Wiedersehen mit Stammgästen

Es sei ein "komisches Gefühl" gewesen, als die ersten Gäste wieder an den Tischen saßen, sagt Lorenz Berndt. Er betreibt gemeinsam mit seiner Mutter den Schützenhof in Würzburg. Sechs Monate war dort alles dicht. Keine klirrenden Bierkrüge, keine hungrigen Ausflügler, keine Einnahmen. "Aus finanzieller Sicht musste was passieren", sagt Berndt. Mitte Mai war es soweit: Neustart. "Natürlich freuen wir uns." Es sei schön, die Freude der Menschen nach dem langen Lockdown zu spüren, Stammgäste wieder zu sehen, wieder Gastgeber sein zu dürfen.

Andererseits sei vor allem in den ersten Tagen die Unsicherheit groß gewesen. "Es war noch nicht klar, wie wir mit den Regeln zurechtkommen – denn im täglichen Ablauf bedeuten die viel mehr Aufwand." Dass dank sinkender Inzidenzen nun die Testpflicht weggefallen sei, "ist eine große Entlastung", sagt Berndt. Insgesamt sei er optimistisch für den Sommer: Schon jetzt sei die Nachfrage hoch, das gute Wetter locke, die Gäste kämen – nur deutlich spontaner als vor Corona. "Das Reservierungsverhalten hat sich komplett verändert." Früher hätten die meisten Besucher ein paar Tage im Voraus bestellt, heute werde oft erst am Vorabend angerufen. "Das macht die Personalplanung und den Einkauf schwieriger", sagt der Gastronom. "Es ist immer ein Schuss ins Blaue."

Dank der Öffnungen ende für viele Studierende langsam die Isolation, sagt Ingo Heide, Vorsitzender der Studierendenvertretung der Uni Würzburg. 
Foto: Veronika Zirbs | Dank der Öffnungen ende für viele Studierende langsam die Isolation, sagt Ingo Heide, Vorsitzender der Studierendenvertretung der Uni Würzburg. 

Der Jurastudent Ingo Heide: seit Corona isoliert studiert - und mit Sehnsucht nach Leichtigkeit

Laptop und Studentenbude. Keine Hörsäle, keine Mittagspausen in der Mensa, keine Erstsemester-Partys. Für viele Studierenden seien die vergangenen Monate hart gewesen, sagt Ingo Heide. Und vor allem einsam. "Das ist jetzt besser: Wir können raus gehen und uns wieder mit mehr Menschen treffen", sagt der Jurastudent und Vorsitzende der Studierendenvertretung der Uni Würzburg. Die gesellschaftlichen Öffnungen seien "eine enorme Erleichterung" – auch wenn das Semester an den Universitäten weiter weitgehend digital laufe.

Aber immerhin habe sich die finanzielle Situation entspannt, man könne sich wieder etwas dazu verdienen. Er selbst habe sich nach dem Lockdown als erstes mit seiner Lerngruppe getroffen, erzählt Heide. "Strafrecht ist nicht das größte Vergnügen, aber es war schön, die Leute zu sehen." Denn für Studierende war der Lockdown "eine riesige emotionale und psychische Belastung". Das soziale Netz fehlte, die Isolation erdrückte. "Viele junge Menschen haben das Gefühl, zentrale Ereignisse in ihrem Leben durch Corona verpasst zu haben", sagt Heide.

Deshalb seien weitere Lockerungen dringend nötig, genauso wie Impfungen für Junge. Der 21-Jährige ist selbst noch nicht geimpft. "Da ist ein gewisser Frust dabei", sagt er. Zurückzustecken und zu sehen, wie andere bereits Freiheiten genießen, sei nicht leicht. "Viele haben schwere Zeiten hinter sich – da gibt es einfach den Wunsch nach einer gewissen Leichtigkeit."

Die Monate mit schwer kranken Corona-Patienten seien eine 'ganz besondere Herausforderung' gewesen, sagt der Uniklinik-Intensivmediziner Prof. Patrick Meybohm.
Foto: R. Wenzl / Uniklinikum Würzburg | Die Monate mit schwer kranken Corona-Patienten seien eine "ganz besondere Herausforderung" gewesen, sagt der Uniklinik-Intensivmediziner Prof. Patrick Meybohm.

Der Intensivmediziner Patrick Meybohm: Die dritte Welle ist wohl weitestgehend überstanden

Anfang März 2020 hat Prof. Patrick Meybohm den ersten Corona-Erkrankten behandelt. Unzählige weitere folgten. Bis heute. Jetzt lasse der Druck spürbar nach, sagt der Intensivmediziner und Direktor der Klinik für Anästhesiologie des Uniklinikums Würzburg. Endlich. Nach Monaten, in denen er und sein Team oft an der Belastungsgrenze arbeiten mussten. An vielen Tagen seien 90 Prozent ihrer Patienten schwerstkranke Menschen gewesen – "mit Kreislaufinstabilität, Einsatz der künstlichen Lunge Ecmo und Dialyse, alles parallel", sagt Meybohm. Für die gesamte Klinik sei das eine "ganz besondere Herausforderung" gewesen.

Parallel zu den sinkenden Inzidenzen gehe nun aber die Zahl der Covid-Intensivpatienten zurück – und die Anspannung lasse nach, sagt Meybohm. Aus seiner Sicht sei die dritte Welle "weitestgehend überstanden". Dennoch rät er, wachsam zu bleiben. "In der Intensivmedizin rechnen wir damit, dass es noch für Monate oder sogar ins nächste Jahr hinein immer intensivpflichtige Covid-19-Patienten geben wird."

Aktuell entspanne sich die Lage. Und auch im Privatleben kann lang Vermisstes endlich wieder stattfinden. Für ihn seien das zum Beispiel "kulinarische Events mit Freunden, Nachbarn und Kollegen", sagt Meybohm. "Darauf und auf den Sommerfamilienurlaub in den Alpen freue ich mich riesig."

Auf der Bühne wird wieder gespielt, trotzdem hadert Chambinzky-Chef Csaba Béke mit den Corona-Regeln.
Foto: Silvia Gralla | Auf der Bühne wird wieder gespielt, trotzdem hadert Chambinzky-Chef Csaba Béke mit den Corona-Regeln.

Der Theater-Chef Csaba Béke: Schwanken zwischen Öffnungsfreude und Regel-Frust

"Endlich wieder Menschen sehen, endlich wieder Live-Theater – das ist toll", sagt Csaba Béke. "Das Ensemble ist glücklich, die Techniker freuen sich, dass sie wieder arbeiten dürfen." Und die Zuschauer kommen. "Die Nachfrage ist unverändert da", berichtet der Leiter des Würzburger Theaters Chambinzky.

Reine Freude also? "Es ist ein Pro und Kontra", sagt Béke. Um die Abstands- und Kontaktregeln einzuhalten, könne er bislang nur eine Kapazität von 40 Prozent nutzen, je nach Gruppenkonstellation der Besucher müsse die Bestuhlung geändert werden. In den ersten Tagen nach der Öffnung am 27. Mai habe er zudem mehr Personal gebraucht, um die Testpflicht zu erfüllen. Das trübe die Öffnungsfreude. "Wir können nicht die Einnahmen generieren, die wir brauchen – wir arbeiten defizitär."

Auch sind die sich stetig ändernden Regeln aus seiner Sicht zu "unübersichtlich, man hat immer Angst, etwas zu überlesen". Wer erst in den Biergarten gehe und danach ins Theater, müsse überall andere Vorgaben einhalten – das sei kaum nachvollziehbar. Bisher seien die Besucher aber "sehr kooperativ und geduldig". Er hoffe nun, dass die Inzidenzwerte weiter sinken und es dann für die Theater mehr Freiheiten gibt.

Seit 15 Monaten muss Andreas Eder, Geschäftsführer des Würzburger Zauberbergs, seinen Club wegen Corona geschlossen halten. Immerhin: Den Biergarten konnte er nun wieder öffnen.
Foto: Mario Schmitt | Seit 15 Monaten muss Andreas Eder, Geschäftsführer des Würzburger Zauberbergs, seinen Club wegen Corona geschlossen halten. Immerhin: Den Biergarten konnte er nun wieder öffnen.

Der Club-Betreiber: Noch zu, doch die Hoffnung geht weiter

15 Monate. So lange ist das Licht im Zauberberg aus. Stille statt feiernde Massen auf der Tanzfläche. Eine Perspektive zur Öffnung gebe es nicht, der Frust ist Andreas Eder anzuhören. Der Geschäftsführer des Würzburger Clubs kann in die aktuelle Lockerungs-Euphorie noch nicht richtig einstimmen. Immerhin: Seinen Biergarten konnte er Mitte Mai öffnen. "Da war das Wetter eine Katastrophe und trotzdem saßen die Menschen mit dicker Jacke unter den Schirmen. Früher hätte sich keiner bei Regen und 13 Grad in den Biergarten gesetzt", sagt Eder. Jetzt aber hätten die "Leute unheimlich Lust, raus zu gehen, sie lechzen danach".

Ein wirtschaftlicher Betrieb sei mit den Abstands- und Hygienevorgaben schwer. "Wir haben das im letzten Sommer gemacht – letztlich aber nur, um in Erinnerung zu bleiben." Übrig bleibe unterm Strich nichts. Ohne Kurzarbeit und die Unterstützung vom Staat, "würde es uns nicht mehr geben".

Und wie geht es weiter? Die Fußball-EM steht an, normalerweise tummeln sich dann Hunderte Fans im Zaubergarten. "Es war immer eine super Party, ein Gemeinschaftserlebnis – das wird in dieser Form sicher nicht stattfinden", sagt Eder. Ausfallen soll das Public Viewing aber nicht. Vermutlich muss schlicht alles geordneter ablaufen, mit Sitzplätzen. "Nichtsdestotrotz freue ich mich darauf." Denn auch das ist für ihn wieder ein kleiner Schritt hin zur Normalität: "Gemeinsam Fußball schauen!"

 
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