
Nach Monaten des Lockdowns dürfen in Bayern ab Montag wieder Biergärten, Theater und Kinos öffnen – zunächst allerdings nur in Landkreisen mit einer "stabilen Sieben-Tage-Inzidenz" unter 100. Doch der Weg zur Öffnung ist reichlich kompliziert, weil es hier aus nicht näher erklärten Gründen keinen an die Inzidenz gebundenen Automatismus gibt, wie etwa beim Einzelhandel oder bei den Schulen.
Es beginnt schon mit der Frage, was eigentlich genau die geforderte "stabile" Inzidenz ist. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sprach in diesem Zusammenhang zuletzt mehrfach vage von einer "Wochenschau": Man müsse in einer Woche erkennen, "dass es keine Ausschläge gibt und die Tendenz nach unten geht", formulierte er etwa am Mittwoch im Landtag. Ein Jurist würde diese Definition einer "stabilen Inzidenz" wohl als unbestimmten Rechtsbegriff bezeichnen.
Nach wieviel Tagen ist eine Inzidenz stabil?
Vom Gesundheitsministerium war zunächst auf Nachfrage zu erfahren, dass der Antrag eines Landratsamtes auf regionale Öffnung nur dann förmlich bewilligt werden könne, wenn die regionale Inzidenz mehr als fünf Tage unter dem Wert 100 liegt. Am Donnerstagmittag soll Holetschek in einer Videoschalte zu dem Thema jedoch "sieben Tage" als stabile Entwicklung definiert haben. Das erklärte gegenüber dieser Redaktion Michael Schwägerl, Bezirksgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), der an dem Gespräch teilnahm.
Ebenso offen waren auch zwei Tage nach dem grundsätzlichen Öffnungsbeschluss des Söder-Kabinetts die genauen Rahmenbedingungen für die betroffenen Gewerbe: Zwar ist in Paragraf 27 der Bayerischen Corona-Verordnung geregelt, dass etwa Außengastronomie zwischen den Inzidenzen 50 und 100 nur mit Tischreservierung, Dokumentation für die Kontaktnachverfolgung und – bei mehreren Haushalten am Tisch – Corona-Test möglich ist. Die Detailregeln eines bayernweiten "Rahmen-Hygienekonzeptes" lagen hier allerdings vier Tage vor dem Startschuss genauso wenig vor, wie ähnliche Vorgaben für Theater, Kino oder den ebenfalls wieder erlaubten erweiterten Freizeitsport.
Klarheit nicht vor Freitag – Opposition schüttelt den Kopf
Diese Pläne werden dem Vernehmen nach von den jeweils zuständigen Ministerien erstellt – also für die Gastronomie im Wirtschaftsressort, für Theater und Konzerte im Kunstressort oder für den Sport im Innenministerium. Erst am Freitag, so hieß es aus der Staatsregierung, sollen die Vorgaben dann veröffentlicht werden.
Für den SPD-Landtagsabgeordneten Volkmar Halbleib aus Ochsenfurt (Lkr. Würzburg) ist die Situation ein unhaltbarer Zustand: "Leider gibt es noch immer überhaupt keine Aussagen darüber, was möglich sein wird und was nicht", kritisiert er. So wüssten etwa Theater und Kinos nicht einmal, wie viele Zuschauer erlaubt sind: "Sie warten nun auf klare Ansagen, unter welchen Bedingungen der Start umgesetzt werden kann."
Auch im Landtag schüttelt die Opposition den Kopf: "Die Öffnungspläne müssten doch seit Monaten in der Schublade liegen", ärgert sich etwa FDP-Fraktionschef Martin Hagen. "Söder wollte mal wieder schneller sein, als alle anderen." Doch die Umsetzung sei schlecht vorbereitet: "Wenn das dann die Betroffenen vor Ort vor Probleme stellt, dann ist das offensichtlich wurscht."
Bei den Wirten herrscht große Verunsicherung
Tatsächlich ist die Verunsicherung bei den Betroffenen groß. "Leider wissen wir bis heute nicht, wer unter welchen Voraussetzungen überhaupt bewirtet werden darf und wie das alles von wem kontrolliert werden soll", sagt etwa Wolfgang Plinske, Betreiber des "Meegärtle" in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg). "Ich hätte spätestens am Donnerstag beim Metzger wegen meiner Bratwurst-Bestellung anrufen müssen", erzählt er im Gespräch mit der Redaktion. Doch so lange er die Regelungen nicht kenne, könne er nicht abschätzen, wie viele Würste er brauchen würde.
Was Plinske außerdem ärgert: Die Politik würde übersehen, wie lange es dauert, einen Betrieb hochzufahren. "Wir brauchen mindestens 60 Arbeitsstunden, um unseren Garten herzurichten", sagt Plinske. Außerdem seien Datenschutzfragen ungeklärt. "Schließlich müssen wir medizinische Unterlagen – Impfpässe, Befreiungen von der Maskenpflicht, Testbescheinigungen mit unterschiedlicher Gültigkeit – kontrollieren."
Viele Wirte wollen am Montag noch nicht öffnen
"Jeder hat Angst, seinen Betrieb hochzufahren und dann wieder dicht machen zu müssen", sagt Michael Streit. Er betreibt in Thüngersheim (Lkr. Würzburg) ein Burger-Restaurant. In mehreren Facebook-Gruppen hat er Umfragen gestartet, wollte von seinen Gastro-Kollegen wissen, ob sie am Montag öffnen, und von Gästen, ob sie bereit wären, einen Corona-Test für einen Biergarten-Besuch zu machen. Das Ergebnis: Eine Mehrheit der Wirte will am Montag noch nicht öffnen und längst nicht alle Gäste wären zu einem Test bereit.
Was bisher bekannt ist, bezeichnet Streit als "Wischiwaschi". Hinzu kämen viele Unbekannte. Neben dem Wetter vor allem das Infektionsgeschehen: Wenn die Gefahr besteht, dass wegen steigender Inzidenzen die Außengastronomie schnell wieder schließen muss, überlege sich jeder, ob er Waren bestellt, die dann verderben, oder sein Personal aus der Kurzarbeit holt.
Einerseits gebe es ein "Aufatmen" in der Branche, weil es endlich wieder eine Perspektive gibt, sagt Dehoga-Chef Schwägerl. Andererseits sei die Lage unübersichtlich und "es wird viel bürokratischer". Die Entscheidung, ob sie öffnen, könne man den Betrieben nicht abnehmen.
Landrat sieht langes Warten nicht als Problem
Würzburgs Landrat Thomas Eberth (CSU) nimmt die Herausforderung dagegen sportlich: "Wir haben den Antrag auf die möglichen Öffnungen heute gestellt – so weit uns dies aktuell möglich ist", sagt er auf Anfrage. Dass die Rahmenbedingungen am Donnerstag noch immer unklar waren, hält Eberth für nicht so entscheidend: "Die Profis etwa in der Gastronomie sind clever genug, um zu wissen, wie sie die Öffnung bestmöglich darstellen können."
Insgesamt jedoch würde sich Eberth bei den Corona-Lockerungen mehr Kompetenzen für die Kreis-Behörden wünschen – auch jenseits fixer Inzidenz-Schwellen: "Wir können vor Ort doch am besten beurteilen, welches Infektionensgeschehen für bestimmte Lockerungen gefährlich ist, und welches nicht."
Kinos dringen auf bundeseinheitliche Regelungen
Den Kinos würde unterdessen nur eine deutschlandweit einheitliche Regelung eine echte Öffnungsperspektive bringen: "Die Situation mit Blick auf die lokalen Inzidenzwerte ist derzeit noch zu dynamisch und uneinheitlich, als dass ein stetiger Kinobetrieb geboten werden kann", sagt Ingrid Breul-Husar, Pressechefin für die Cinemaxx-Kinos, von denen es eines in Würzburg gibt. "Denn erst wenn deutschlandweit ein stetiger Kinobetrieb stattfinden kann, werden die Verleiher Neustarts in die Kinos bringen." Es seien zudem bislang keinerlei Informationen über konkrete Vorgaben bekannt gemacht worden.
Julia Michel, Theaterleiterin des Cineworld im Mainfrankenpark bei Dettelbach (Lkr. Kitzingen), berichtet von einem Gespräch zwischen der Bundeskanzlerin und einer Vertreterin der Kinos vor wenigen Tagen: "Frau Merkel verstand unsere Not, dass die Kinobranche einheitlich öffnen muss. Daher hat uns der Schnellschuss von Herrn Söder schon sehr überrumpelt." Man werde deshalb mit Sicherheit nicht gleich am Montag wieder öffnen können.
also tbb liegt nicht mal 20 km und da gibts ein gutes schlosskaffee, wo man auch gern mal wieder hin möchte!