
Die einen waren gleich skeptisch, andere dankbar für den Kompromiss: Mit einem "Hybridsemester" sollten die 28 000 Studierenden und die Dozenten der Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) durch den Winter kommen – mit einer Mischung aus Online- und Präsenzlehre, aus gestreamten Vorlesungen und echter Gruppenarbeit. Corona sollte den Uni-Betrieb nicht aus den Angeln heben. Und tat es schließlich doch.
Hochschulen vor dem dritten digitalen Corona-Semester
Seit 1. Dezember geht nichts mehr in Hörsälen und Seminarräumen. Bayerns verschärfter Lockdown zwang die Studierenden erneut zum Daheimbleiben. Nun soll auch das anstehende Sommersemester an Würzburgs Uni fast ausschließlich online laufen – das dritte Corona-Semester in Folge. Manche Studierenden haben ihre Hochschule noch nie von innen gesehen. Wie kann da ein Studium gelingen?
Der Unmut wächst. Betroffene können nicht verstehen, warum nicht wenigstens ein Teil der Vorlesungen und Seminare vor Ort stattfindet. "Gerade Geisteswissenschaften leben von der Diskussion, vom Argumentieren, von der kritischen Auseinandersetzung", sagt Katja Ruete, Studentin im 11. Semester für Gymnasiallehramt in Englisch und Geschichte. Jetzt starren Studierende stattdessen auf ihre Laptops. Die Kommunikation sei bisweilen katastrophal und mühsam auch für die Dozenten.
Dass die Universität bereits Mitte Februar der Präsenz im Sommersemester – wenige Laborpraktika und Übungen ausgenommen – eine Absage erteilte, dafür haben die 23-jährige Studentin und weitere Kommilitonen kein Verständnis. In einem Brief an den gerade verabschiedeten Unipräsidenten Alfred Forchel machten sie ihrem Ärger Luft, nun ruhen ihre Hoffnungen auf Nachfolger Paul Pauli. Als Psychologe, so meinen die Studierenden, sollte er wissen, wie wichtig Begegnung und Austausch sind. Für Psyche wie für Lernerfolg.

Sicheres Lernen an der Hochschule sei auch in Pandemie-Zeiten möglich, sagt Katja Ruete. Die vier Vorlesungswochen im Herbst hätten das gezeigt: "Wir waren vielleicht 15 Leute im großen Hörsaal, auf Abstand, jeder mit Maske und einzeln registriert für einen Platz, mit eigenen Ein- und Ausgängen." Mit einigem Aufwand wurden Hygienekonzepte umgesetzt. "Das hat funktioniert!", beteuert der 24-jährige Etienne Hees, Lehramtsstudent für Latein und Geschichte.
Kritik: Schulen und Universitäten gleichbehandeln?
Anders als Schulen könne die Universität viel Platz für wenige Leute organisieren. "Und Erwachsenen fällt es doch leichter, sich an Hygienevorschriften zu halten als jungen Schülern", sagt Valentin Lindner, Lehramtsstudent für Latein und Sport. Man fühle sich bevormundet, so der 24-Jährige.
An Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schrieb man deshalb Anfang Dezember zu zwölft einen vierseitigen Brief, protestierte darin gegen die Beschneidungen und die Benachteiligung, vor allem mit Blick Richtung Examen. Während für Abschlussklassen an Schulen Präsenzunterricht erlaubt werde, lasse man Examensleute an der Uni im Regen stehen. Man komme nur schwer an Unterlagen heran, klagen die Studierenden. Die Bibliotheken brauche man dringend als Lernorte zur Vorbereitung auf die Prüfungen, sagt Christian Onnen, Lehramtsstudent für Latein und Geschichte.
Besonders trifft es die Erstsemester. Wann dürfen sie ihre Hochschule endlich kennenlernen? Wer nach dem März 2020 sein Studium aufgenommen hat, erlebt es wie ein Fernstudium. Kommilitonen zu treffen und sich auszutauschen – dafür gibt es kaum Gelegenheiten. "Dabei ist das total wichtig", so Etienne Hees, der wie Katja Ruete als Tutor und wissenschaftliche Hilfskraft arbeitet. "Später im Job sind Teamgeist und andere social skills gefordert. Die lernt man an der Uni." Die Qualität des Studiums leide erheblich, davon sind die Studierenden überzeugt.
Eine Antwort aus der Staatskanzlei haben sie bis heute nicht. "Wenigstens einen Formbrief hätte ich erwartet", klagt Lindner. Bei ihren telefonischen Nachfragen in München sei sie im Hause Söder vom einen zum anderen weitergereicht worden, ohne Ergebnis, berichet Ruete. Selbst auf mehrmalige E-Mail-Nachfragen habe es keinerlei Reaktion gegeben: "Mein Frust ist jetzt noch größer."
Und nun? Die vier Lehramtsstudierenden wollen sich mit anderen Hochschulen vernetzen. Die Initiative "Nicht nur online" macht bundesweit mobil gegen Digitalzwang und Präsenzverbot. Man bestreite nicht, dass Digitalformate ein Gewinn für Studierende und Professoren sein können, sagen die vier unisono. "Aber sie können die Präsenzlehre nicht ersetzen."
Sie hoffen, dass sich an der Uni Würzburg im Sommersemester doch noch kleinere Gruppen unter Einhaltung der Hygienevorschriften treffen dürfen. Und mit Blick voraus, bei fortgeschrittener Impfkampagne, ist ihre Forderung klar: "Im Wintersemester wollen wir Präsenz!"
Hochqualifizierte Erwachsene sollten nicht nur Hygieneregeln einhalten können, sondern eben auch sich mal umstellen und Vorlesungen online absolvieren können. Es gibt Fernstudien die funktionieren nur so und diskutieren kann man auch über eine Onlineplattform. In Firmen funktioniert es ja auch so.
Was will man stattdessen wirklich erreichen?