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Würzburg
Würzburger Studierende haben genug von Online-Vorlesungen
Corona hat die Uni zwangsdigitalisiert. Doch ohne Studium vor Ort bleibt viel auf der Strecke. Warum sich Würzburger Studierende an Söder und den Uni-Präsidenten wandten.
Hochschule in der Corona-Krise: Das einsame Lernen ohne echte Kontakte zu Kommilitonen und Dozenten setzt vielen Studierenden zu. 
Foto: Getty Images | Hochschule in der Corona-Krise: Das einsame Lernen ohne echte Kontakte zu Kommilitonen und Dozenten setzt vielen Studierenden zu. 
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:47 Uhr

Die einen waren gleich skeptisch, andere dankbar für den Kompromiss: Mit einem "Hybridsemester" sollten die 28 000 Studierenden und die Dozenten der Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) durch den Winter kommen – mit einer Mischung aus Online- und Präsenzlehre, aus gestreamten Vorlesungen und echter Gruppenarbeit. Corona sollte den Uni-Betrieb nicht aus den Angeln heben. Und tat es schließlich doch.

Hochschulen vor dem dritten digitalen Corona-Semester

Seit 1. Dezember geht nichts mehr in Hörsälen und Seminarräumen. Bayerns verschärfter Lockdown zwang die Studierenden erneut zum Daheimbleiben. Nun soll auch das anstehende Sommersemester an Würzburgs Uni fast ausschließlich online laufen – das dritte Corona-Semester in Folge. Manche Studierenden haben ihre Hochschule noch nie von innen gesehen. Wie kann da ein Studium gelingen?

Der Unmut wächst. Betroffene können nicht verstehen, warum nicht wenigstens ein Teil der Vorlesungen und Seminare vor Ort stattfindet. "Gerade Geisteswissenschaften leben von der Diskussion, vom Argumentieren, von der kritischen Auseinandersetzung", sagt Katja Ruete, Studentin im 11. Semester für Gymnasiallehramt in Englisch und Geschichte. Jetzt starren Studierende stattdessen auf ihre Laptops. Die Kommunikation sei bisweilen katastrophal und mühsam auch für die Dozenten.

Dass die Universität bereits Mitte Februar der Präsenz im Sommersemester – wenige Laborpraktika und Übungen ausgenommen – eine Absage erteilte, dafür haben die 23-jährige Studentin und weitere Kommilitonen kein Verständnis. In einem Brief an den gerade verabschiedeten Unipräsidenten Alfred Forchel machten sie ihrem Ärger Luft, nun ruhen ihre Hoffnungen auf Nachfolger Paul Pauli. Als Psychologe, so meinen die Studierenden, sollte er wissen, wie wichtig Begegnung und Austausch sind. Für Psyche wie für Lernerfolg.

Seit einem Jahr heißt es fast durchgängig: Wir müssen draußen bleiben. Die Universität Würzburg (hier am Sanderring) ist für den Präsenzbetrieb weitgehend geschlossen. 
Foto: Patty Varasano | Seit einem Jahr heißt es fast durchgängig: Wir müssen draußen bleiben. Die Universität Würzburg (hier am Sanderring) ist für den Präsenzbetrieb weitgehend geschlossen. 

Sicheres Lernen an der Hochschule sei auch in Pandemie-Zeiten möglich, sagt Katja Ruete. Die vier Vorlesungswochen im Herbst hätten das gezeigt: "Wir waren vielleicht 15 Leute im großen Hörsaal, auf Abstand, jeder mit Maske und einzeln registriert für einen Platz, mit eigenen Ein- und Ausgängen." Mit einigem Aufwand wurden Hygienekonzepte umgesetzt. "Das hat funktioniert!", beteuert der 24-jährige Etienne Hees, Lehramtsstudent für Latein und Geschichte.

Kritik: Schulen und Universitäten gleichbehandeln?

Anders als Schulen könne die Universität viel Platz für wenige Leute organisieren. "Und Erwachsenen fällt es doch leichter, sich an Hygienevorschriften zu halten als jungen Schülern", sagt Valentin Lindner, Lehramtsstudent für Latein und Sport. Man fühle sich bevormundet, so der 24-Jährige.

An Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schrieb man deshalb Anfang Dezember zu zwölft einen vierseitigen Brief, protestierte darin gegen die Beschneidungen und die Benachteiligung, vor allem mit Blick Richtung Examen. Während für Abschlussklassen an Schulen Präsenzunterricht erlaubt werde, lasse man Examensleute an der Uni im Regen stehen. Man komme nur schwer an Unterlagen heran, klagen die Studierenden. Die Bibliotheken brauche man dringend als Lernorte zur Vorbereitung auf die Prüfungen, sagt Christian Onnen, Lehramtsstudent für Latein und Geschichte. 

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Besonders trifft es die Erstsemester. Wann dürfen sie ihre Hochschule endlich kennenlernen? Wer nach dem März 2020 sein Studium aufgenommen hat, erlebt es wie ein Fernstudium. Kommilitonen zu treffen und sich auszutauschen – dafür gibt es kaum Gelegenheiten. "Dabei ist das total wichtig", so Etienne Hees, der wie Katja Ruete als Tutor und wissenschaftliche Hilfskraft arbeitet. "Später im Job sind Teamgeist und andere social skills gefordert. Die lernt man an der Uni." Die Qualität des Studiums leide erheblich, davon sind die Studierenden überzeugt.

Eine Antwort aus der Staatskanzlei haben sie bis heute nicht. "Wenigstens einen Formbrief hätte ich erwartet", klagt Lindner. Bei ihren telefonischen Nachfragen in München sei sie im Hause Söder vom einen zum anderen weitergereicht worden, ohne Ergebnis, berichet Ruete. Selbst auf mehrmalige E-Mail-Nachfragen habe es keinerlei Reaktion gegeben: "Mein Frust ist jetzt noch größer."

Und nun? Die vier Lehramtsstudierenden wollen sich mit anderen Hochschulen vernetzen. Die Initiative "Nicht nur online" macht bundesweit mobil gegen Digitalzwang und Präsenzverbot. Man bestreite nicht, dass Digitalformate ein Gewinn für Studierende und Professoren sein können, sagen die vier unisono. "Aber sie können die Präsenzlehre nicht ersetzen."

Sie hoffen, dass sich an der Uni Würzburg im Sommersemester doch noch kleinere Gruppen unter Einhaltung der Hygienevorschriften treffen dürfen. Und mit Blick voraus, bei fortgeschrittener Impfkampagne, ist ihre Forderung klar: "Im Wintersemester wollen wir Präsenz!"

 
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  • J. G.
    Oft geht nicht alles online, sondern es ist auch Präsenz nötig. Ein Medizinstudent z B. braucht auch Exponate, die er live sieht und nicht nur aus der Ferne. Ich kann die Sorgen der Studierenden voll verstehen. Die Präsenz muss auch in dieser Situation funktionieren. Auch wenn dies einige voller Muffensausen anders sehen. Ich merke das selbst im Beruf, dass man nicht alles über den "Schirm" regeln kann, sondern persönlicher Kontakt notwendig ist. Da pfeife ich auf das Gerede von Kontaktvermeidung. Mit den Schutzmaßnahmen funktioniert das. Dass die GEW quasi das Abitur verschenken will, hatte ich nicht für gut. Das geht nur zum Nachteil der Abiturienten, die ein zweitklassiges Abi bekommen würden. Das fällt denen später auf die Füße und wäre nicht mehr wert als ein Realschulabschluss. Bei uns haben übrigens alle Azubis ihre Prüfungen in gewohnter Weise absolviert und ohne Corona-Fall. Es geht, wenn man will.
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    Nachdem heute darüber gesprochen wird das diesjährige Abitur ausfallen zu lassen,und den zukünftigen Hochschulbesuchern den Zugang zum Studium zu „schenken“,muß man sich nicht wundern,daß die bereits studierende“akademische Zukunft“unseres Landes ebenfalls der „Dünnbrettbohrer-Methode“verfallen ist.Verzogen zur Unselbständigkeit,egoistisch und rücsichtslos,stets nur fordernd ohne Leistung,sind Vorgehensweisen die zur Selbstverständlichkeit innerhalb unserer Studentenschaft geworden sind. Bei der Penetranz heutiger Studenten und der Unfähig- und Hörigkeit deutscher Schulen und Universtäten,ist der Abschluss eines Studiums ohne Examina durchaus denkbar.Armes Deutschland,es kann einem Angst und Bang werden.Deutschland,früher das Land der Dichter und Denker-heute ein Land verdummender,initiativloser,stets nur auf ihr Recht pochender Schmarotzer unserer Gesellschaft.
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  • O. G.
    Was für ein Weltbild. Was Sie den Schulen und Unis vorwerfen: Hörigkeit, erwarten Sie von Schülern und Studenten. Gottseidank leben wir nicht in Ihrer Welt. In den letzten 50 Jahren hat sich dann doch etwas zum Besseren verändert.
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  • T. H.
    Es gibt eben nicht nur unter Lehrern, sondern auch unter Dozenten schwarze Schafe, die ihre Schüler bzw Studenten zurzeit im Regen stehen lassen. Wenn Präsenzunterricht und online Unterricht denselben Effekt hätten, könnte man die Schulen ja generell schließen. Da könnte man sehr viel Personal und Kosten sparen.
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  • I. G.
    Studierende, warum dann nicht auch Dozierende?
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  • T. H.
    Das Partizip Präsens als Substantiv zu benutzen, ist meiner Meinung nach sowieso seltsam. Warum sagt man dann nicht auch "Mauernde", "Backende" und "Krankenpflegende" ?
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  • R. D.
    Wieder nur jammern auf hohem Niveau.
    Hochqualifizierte Erwachsene sollten nicht nur Hygieneregeln einhalten können, sondern eben auch sich mal umstellen und Vorlesungen online absolvieren können. Es gibt Fernstudien die funktionieren nur so und diskutieren kann man auch über eine Onlineplattform. In Firmen funktioniert es ja auch so.
    Was will man stattdessen wirklich erreichen?
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  • J. G.
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