Was hat das Coronavirus in einem Jahr mit dem Landkreis gemacht? Als am 9. März 2020 die erste Infektion im Landkreis bekannt wurde, hätte wohl niemand gedacht, dass die Situation genau ein Jahr später so aussehen würde: Der Schulbetrieb läuft langsam wieder an, einzelne Kunden dürfen die Geschäfte betreten und Gastronomen und Hoteliers müssen ihre Türen weiter geschlossen halten. Die Frage "Wo liegt denn die Inzidenz heute?" ist für viele fester Bestandteil des Small Talks beim Bäcker oder im Supermarkt.
Dieses kuriose Jahr hat viele kuriose Bilder hervorgebracht. Die spontanen Gruppenfotos, auf denen sich alle freundschaftlich in den Armen liegen, gibt es nicht. Stattdessen haben wir uns an Zickzack-Aufstellungen mit sorgfältig ausgemessenem Abstand gewöhnt, und an Bildschirmfotos aus Video-Konferenzen. Diese zwölf Fotos mit Symbolcharakter werden uns aus dem Corona-Jahr in Erinnerung bleiben.
Erster Corona-Fall nach Tirol-Urlaub
Mit Schulschließungen ging es los: Ein Schüler einer Marktheidenfelder Schule wurde nach dem Familienurlaub in Tirol positiv getestet. Erst mussten 8. Klassen daheim bleiben, dann die ganze Schule, und schließlich schlossen deutschlandweit die Schulen und Kitas. Seitdem war es für Schüler, Lehrer und Eltern ein ewiges Wechseln zwischen Home Schooling, Präsenz- und Wechselunterricht; zwischen Sportunterricht mit Maske in der Turnhalle wie hier am Johann-Schöner-Gymnasium in Karlstadt im November, und Schulsport daheim mit dem Video auf dem Tablet.
Corona-Teststrecke in Marktheidenfeld nimmt Betrieb auf
Schnell reagierte der Landkreis und eröffnete Anfang April die Corona-Teststrecke in einem Zelt auf der Martinswiese in Marktheidenfeld. Im Mai zog sie dann an die frühere Notaufnahme des Klinikums um. Weil es zwischenzeitlich so wenig Bedarf an Tests in Main-Spessart gab, wurde die Teststrecke laut Landratsamt im Juli sogar vorübergehend "ruhend gestellt" und erst gegen Ende der Sommerferien im August wieder in Betrieb genommen. Für den Abstrich sollten die Personen, die sich testen lassen wollten, in Marktheidenfeld wie beim Drive-in eines Schnellrestaurants in ihrem Auto sitzen bleiben. "Für die Winterzeit bin ich froh, wenn es Testzentren gibt", sagte Dr. Michael Brack, der Praxen in Urspringen und Steinfeld hat, im August. Im Sommer konnte er die Nachfrage nach Tests aber noch gut selbst bewältigen.
Abstandsregeln werden Alltag
Ausgangssperre, Hygiene, Maske tragen – und vor allem Abstand halten, auch auf der Herrentoilette in der Scherenberghalle in Gemünden. Ein positiver Effekt des Lockdowns: Die Menschen in Main-Spessart helfen sich gegenseitig. Eine Helfer-Börse auf Facebook hat in kürzester Zeit mehrere tausend Mitglieder. In Fellen basteln Mitglieder des Familiengottesdienst-Teams 350 Tütchen mit Osterüberraschungen, die sie im Ort verteilen. Um ihre Martinsbräu zu unterstützen, spenden Bierfreunde aus Marktheidenfeld und Umgebung über 60 000 Euro in einer Crowdfunding-Aktion. Und wer eine Nähmaschine daheim hat, schneidert aus alten Oberhemden Alltagsmasken für Familie und Freunde.
Querdenker demonstrieren gegen Corona-Maßnahmen
Auch im Landkreis Main-Spessart störten sich manche gewaltig an den Einschränkungen während der Pandemie: Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen gab es einige im vergangenen Jahr – allerdings mit ganz unterschiedlich hohen Teilnehmerzahlen. Bei der abgebildeten Kundgebung im Mai waren es nur rund 20 Personen, die sich auf dem Marktplatz in Karlstadt bei heftigen Windböen und Regen gegen eine "Pandemie der Angst" protestieren und sich in ihren Grundrechten eingeschränkt fühlten. Im September hatte eine Querdenken-Demo auf der Mainwiese in Marktheidenfeld hingegen knapp 200 Besucher. Zwar liefen die Demos im Landkreis friedlich ab, doch die Verbreitung von Verschwörungstheorien und Falschinformationen über das Coronavirus war dort keine Seltenheit.
Infektionszahlen sinken im Sommer
Auf der abflachenden ersten Pandemie-Welle surfte Main-Spessart entspannt durch den Corona-Sommer. Von Mai bis August waren die Infektionszahlen meistens einstellig, zeitweise war der Landkreis sogar Corona-frei. Konzerte oder Gottestdienste unter freiem Himmel und im Stil eines Autokinos waren möglich, sogar Hochzeitspaare konnten feiern. Unter komplizierten Auflagen öffneten einige Freibäder – mit Terminvergabe, Einbahn-Schwimmen und Abstandsregeln, wie unser Foto aus Karlstadt zeigt. Ein wirtschaftlicher Betrieb war so nicht möglich, wäre das Bad geschlossen und die Mitarbeiter in Kurzarbeit geblieben, hätte die Stadt weniger Verlust gemacht. "Wir wollen den Bürgern aber das Angebot machen", sagte Bürgermeister Michael Hombach im Juni. Bereut hat die Stadt Karlstadt die Entscheidung nicht.
Viele Neuinfektionen und Maskenpflicht in der Öffentlichkeit im Herbst
Der lange Sommer war rückblickend die Ruhe vor dem Sturm, denn im Herbst gingen die Infektionszahlen massiv in die Höhe. "Wir befinden uns am Limit", sagte Main-Spessarts Landrätin Sabine Sitter laut einer Pressemitteilung Anfang Dezember. Damals lag die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis bei 278 und drohte weiter zu steigen. Das Landratsamt reagierte unter anderem mit einer Maskenpflicht auf zahlreichen Straßen und öffentlichen Plätzen. Solche Schilder wie auf diesem Bild am Adenauerplatz in Marktheidenfeld waren bald an vielen Orten im Landkreis zu finden. Für viele Bereiche wurde zudem ein Alkoholverbot angeordnet.
Sterblichkeit in Main-Spessart extrem hoch
Ein Nikolaus mit OP-Maske über dem Bart hätte Kinder in normalen Zeiten wohl Angst gemacht. Nach einem Dreivierteljahr Pandemie waren die Kindergartenkinder in Birkenfeld zur Weihnachtszeit aber schon an den Anblick gewöhnt. Ob Weihnachten 2020 im Kreise der Familie möglich sein würde, war lange unklar – vor allem, da die Infektionszahlen in Main-Spessart extrem hoch waren. Zeitweise waren 600 Menschen gleichzeitig erkrankt. Viele werden Weihnachten auch an die gedacht haben, die die Corona-Infektion nicht überlebt haben. Bis heute sind in Main-Spessart 186 Menschen an oder mit Corona gestorben.
Impfzentrum kann an sieben Tagen in der Woche arbeiten
So hatten die Sportler des TSV Lohr ihre Spessarttorhalle auch noch nicht gesehen: Seit Mitte Dezember befindet sich hier das Impfzentrum des Landkreises. Zwischen Weihnachten und Neujahr wurden die ersten Bewohner im Seniorenheim der Heroldstiftung in Karlstadt geimpft. Bis im Impfzentrum die ersten Spritzen gesetzt wurden, dauerte es dann noch – der Impfstoff kam einfach nicht in ausreichenden Mengen. Seit Ende Januar herrscht jedoch Betrieb in der Spessarttorhalle, 300 Impfungen am Tag können hier verabreicht werden. "Im Idealfall impfen wir hier sieben Tage die Woche und dann bis in den frühen Abend hinein", sagt Florian Schüßler, BRK Projektleiter des Impfzentrums.
Zweiter Lockdown bringt Einzelhändler und Gastronomen in große Schwierigkeiten
"Die Untätigkeit ist schlimm, von daher ist es gut, wenn irgendetwas zu tun ist", sagte Géraldine Barrois, Vorsitzende der Werbegemeinschaft Marktheidenfeld, über das Konzept Click & Collect im Januar diesen Jahres. Nachdem der Einzelhandel während des Weihnachtsgeschäfts im Dezember schon zum zweiten Mal in der Corona-Pandemie seine Türen schließen musste, hatten die Geschäfte in Bayern im neuen Jahr wenigstens die Möglichkeit, bestellte Waren für die Kundschaft zum Abholen bereitzustellen. Viele Unternehmer in Main-Spessart haben diese Option genutzt. So auch die Buchhandlung Schönigh in Marktheidenfeld, die hier im Bild zu sehen ist.
Landrätin verbringt das erste Jahr mit Krisenmanagement
"Ich kann nur auf Sicht planen, von Tag zu Tag", beschreibt Landrätin Sabine Sitter ihr erstes Jahr im Amt. "Man bekommt die Themen von der Pandemie vorbestimmt und ist damit beschäftigt, Vorgaben von Bund und Ministerium umzusetzen." Eigene Akzente konnte sie daher noch nicht setzen, bedauert sie. Innerhalb des Landratsamts habe sich die Zusammenarbeit sehr schnell eingespielt. Aber nach außen zu kommunizieren, sei in der Pandemie schwierig gewesen. "Hier fehlen zum Beispiel die Feuerwehrfeste oder Weinfeste, die Nähe zum Bürger schaffen", so Sitter. "Aber man muss mit dem umgehen, was man bekommt." Unser Foto zeigt Sitter im Januar bei der Verabschiedung von 50 Soldaten, die während der schwierigen Phase im November und Dezember in den Seniorenheimen oder bei der Kontaktverfolgung halfen.
Fünfte Jahreszeit: Narren waren trotz Corona äußerst kreativ
Auch Fasching konnte in dieser Session nicht wie gewohnt stattfinden. Doch die Narren im Landkreis sind äußerst einfallsreich mit der Situation umgegangen. Statt ganz darauf zu verzichten, hat beispielsweise der Faschingsverein Lengfurter Schnagge (FLS) den Rathaussturm zum Start der fünften Jahreszeit eben deutlich kleiner ausfallen lassen als sonst. Und wie hier zu sehen ist, konnte die Bürgermeisterin von Triefenstein, Kerstin Deckenbrock, den Schlüssel zur Gemeindekasse auch mit ausreichend Abstand übergeben. In Karlstadt hat die KaKaGe ihre Prunksitzung dieses Jahr gefilmt und im Internet veröffentlicht, im Raum Marktheidenfeld haben Karnevalisten einen eigenen Schlager geschrieben und in Fellen hängte der Faschingsverein "Feller Hoase" als Ersatz zum Faschingszug in der Ortsmitte viele Fotos von Kostümierten an einer Leine auf.