In Main-Spessart war es Anfang Januar sogar eine gute Nachricht, dass innerhalb von 24 Stunden niemand in Zusammenhang mit Corona gestorben war. In den Tagen und Wochen zuvor machten in dem unterfränkischen Landkreis ganz andere Zahlen Schlagzeilen: neun an oder mit einer Corona-Infektion Verstorbene an einem Tag im Dezember, sechs Corona-Tote am Tag darauf, dann erneut neun Todesfälle, kurz vor Weihnachten einmal sogar 13 Verstorbene an oder mit Corona an einem Tag.
Inzwischen sind seit November im Landkreis Main-Spessart über 160 Menschen an oder mit Corona gestorben. Nirgends in Deutschland ist laut Robert Koch-Institut (RKI) die Corona-Sterberate in der zweiten Pandemiewelle so hoch wie hier – über sechs Prozent aller Infizierten, also etwa jeder Siebzehnte, ist in Main-Spessart gestorben. Der bundesweite Wert seit Pandemiebeginn beträgt laut RKI rund zwei Prozent.
Bis in den Spätherbst war Main-Spessart vergleichsweise glimpflich durch die Pandemie gekommen, die Zahl der Corona-Todesfälle lag seit der ersten Welle über Monate bei insgesamt sechs, auch die Infiziertenzahl war überschaubar. Anfang November kam es zum ersten Todesfall der zweiten Pandemiewelle. Dann wurde Main-Spessart zu einem Hotspot in Unterfranken – zeitweise mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von beinahe 300. Im Dezember schnellte die Zahl der Todesfälle geradezu nach oben. Einige Bestatter kamen an die Belastungsgrenze.
Eine einzige Region der insgesamt mehr als 400 Städte und Landkreise in ganz Deutschland liegt insgesamt bei der Covid-19-Fallsterblichkeit noch vor Main-Spessart: der Kreis Tirschenreuth in der Oberpfalz. Noch, muss man sagen. Dort beträgt seit Beginn der Pandemie die Sterblichkeit aller Corona-Infizierten 6,4 Prozent. Allerdings sinkt die Rate von Tirschenreuth, im Frühjahr der erste Hotspot Bayerns, rapide. In der ersten Welle hatte sie bei über zehn Prozent gelegen, in der zweiten liegt sie laut Zahlen des RKI bei unter drei Prozent.
Das macht Main-Spessart aktuell zum traurigen Spitzenreiter der zweiten Welle. Dahinter folgen der Odenwaldkreis und Schwabach, wo bislang 5,2 beziehungsweise 5,0 Prozent aller SARS-CoV-2-Infizierten starben.
Bei der Zahl der Todesfälle pro 100 000 Einwohner liegt Main-Spessart hinter Tirschenreuth, Schwabach und Rosenheim auf dem vierten Platz in Bayern, wobei auch in Rosenheim die meisten Fälle in der ersten Welle auftraten. Einzig in München, Rosenheim, Nürnberg, Augsburg und Tirschenreuth sind in Bayern seit Pandemiebeginn insgesamt mehr Menschen an oder mit Corona verstorben als in Main-Spessart.
Warum gerade in Main-Spessart?
Warum gibt es gerade in Main-Spessart so viele Coronatote? Bei der Zahl der Infizierten liegt der Landkreis bislang mit seinen rund 126 000 Einwohnern bayernweit nur auf Rang 74 von 96. Im Landkreis Schweinfurt gab es bisher mehr, in Stadt und Landkreis Würzburg jeweils annähernd so viele Infizierte wie in Main-Spessart – und doch hat der Landkreis deutlich mehr Coronatote.
Main-Spessarts Landrätin Sabine Sitter (CSU) erklärt dies mit den massiven Ausbrüchen in zehn Alten- und Pflegeheimen im Landkreis, wo jeweils bis zu 50 Prozent der Bewohner betroffen waren. 124 der 168 Todesfälle in Zusammenhang mit Corona betrafen Altenheimbewohner, das Durchschnittsalter beträgt 85,5 Jahre. Insgesamt gab es in elf von 15 Alten- und Pflegeheimen Coronafälle unter den Bewohnern. In der Seniorenresidenz Zellingen etwa starben 20 von 65 infizierten Bewohnern.
"Die sechs Prozent erklären sich problemlos", sagt der Würzburger Virologe Prof. Lars Dölken zur Corona-Sterblichkeit in Main-Spessart. Es sei ganz einfach eine Frage der Altersverteilung. Wenn viele Altenheime betroffen seien wie in Main-Spessart, dann habe man eben eine hohe Sterberate. Sie betrage in den Senioreneinrichtungen nach seinen Erfahrungen 20 Prozent.
Im Landkreis Bad Kissingen ebenso viele Heime betroffen wie in Main-Spessart
Aber wie konnte es in Main-Spessart zu solch massiven Ausbrüchen in den Heimen kommen? Im Landkreis Bad Kissingen etwa gab es in ebenso vielen Seniorenheimen Coronafälle wie in Main-Spessart, aber deutlich weniger Todesfälle. Laut Landrätin Sabine Sitter habe man sich in der Bevölkerung insgesamt und auch in den Heimen der Region nach der glimpflichen ersten Welle in Main-Spessart offenbar zu sicher gefühlt. Zum Zeitpunkt der Ausbrüche habe die Inzidenz bei 50 gelegen. Sitter: "Wir waren eine Woche früher dran mit den Ausbrüchen, weil wir eine so geringe Inzidenz hatten." Woanders sei man aufgrund höherer Zahlen wohl vorsichtiger gewesen.
Wie eine Welle habe sich das Virus, das sich in der Bevölkerung eher schleichend verbreitet habe, plötzlich in den Pflegeheimen Main-Spessarts verteilt. Aus dem Landkreis Bad Kissingen wisse sie, dass sich die dortigen Heime nach Vorfällen mit Toten im Frühjahr besser gewappnet hätten, sagt Sitter.
Zu lasche Vorkehrungen in Heimen in Main-Spessart?
Erst nach den Ausbrüchen in Main-Spessart waren striktere Maßnahmen in Alten- und Pflegeheimen veranlasst worden, um eine Ausbreitung zu verhindern. Reihentests hätten die Heime aber schon vor den Ausbrüchen machen können, sagt die Landrätin. Sie seien aber ebenso unterblieben wie etwa eine flächendeckende FFP2-Maskenpflicht, offenbar weil man sich in Main-Spessart zu sicher fühlte. Sie wolle den Heimen aber nicht die Schuld geben, der Druck aus der Bevölkerung sei im Sommer groß gewesen, die Maßnahmen zu lockern.
Waren die Vorkehrungen also zu lasch? Der Landkreis hätte von sich aus den Heimen im Vorfeld nicht einfach strengere Regeln vorschreiben dürfen, erst recht nicht angesichts einer niedrigen Inzidenz, sagt Florian Kreiselmeier, Leiter der Abteilung Gesundheitswesen, öffentliche Sicherheit und Ordnung im Landratsamt. Landrätin Sitter: "Es ist eine Balance zwischen Eigenverantwortung der Heime und uns, die das beaufsichtigen müssen."
Laut Landratsamt lassen sich in Main-Spessart jetzt rund 90 bis 95 Prozent der Bewohner in Alten- und Pflegeheimen impfen. Interessant wird es beim Blick auf das Pflegepersonal: Bei den drei Alten- und Pflegeheimen in Main-Spessart, bei denen der Landkreis beteiligt ist, nehmen laut Landratsamt bisher nur rund 30 Prozent in Gemünden und Karlstadt sowie 50 Prozent in Marktheidenfeld die Impfung wahr. Im Altenheim Heroldstiftung in Karlstadt hatten sich bis Ende vergangener Woche indes 51 Mitarbeiter bereits infiziert gehabt – sie sind somit womöglich ohnehin immun. Bislang haben sich laut Landratsamt 550 Mitarbeiter von Heimen im Landkreis impfen lassen.
Sinkende Inzidenz und Todeszahlen in Main-Spessart
Momentan hat sich die Lage in Main-Spessart etwas beruhigt, die Inzidenz liegt jetzt unter 100, die Zahl der Toten ist nicht mehr so erschreckend hoch. Landrätin Sabine Sitter warnt jedoch davor, Maßnahmen bei einer niedriger werdenden Inzidenz zu lockern. Die Ausbrüche in den Heimen hätten gezeigt, dass das gefährlich sein kann.
Laut Johannes Hardenacke, Pressesprecher der Regierung von Unterfranken, starben in ganz Unterfranken (Stand Montag) seit Beginn der Pandemie 501 Alten- und Pflegeheimbewohner in Zusammenhang mit Corona.
Das Personal und die Besucher. Allesamt nicht getestet. Oder wenn, dann nicht engmaschig; nicht aktuell vor dem Zutritt. Was sollen Massentests, von Urlaubsrückkehrern z.B.? Viel Sinnvoller wäre es gewesen, die Ressourcen, die viele Kohle für Schnelltests auszugeben, für jene, die Pflegeheime betreten. Das ganze engmaschig. Tübingen hats vorgemacht. Gezielt dort getestet wo es am sensibelsten ist. Das war wohl politisch nicht gewollt. Wenn von Merkel jetzt zu hören ist, dass das Schutzkonzept für die Pflegeheime theoretisch perfekt war, nur praktisch nicht funktinert - warum auch immer - war es eben kein perfekter Plan. Denn was in der Theorie gut aussieht und in der Praxis nicht funktioniert war nie gut.
Eine Viruswelle kann man nie ganz von allem fernhalten, aber man hätte es wenigstens versuchen können.
Des Weiteren wartete man oftmals eine Woche auf das Testergebnis.
Die Jugendlichen und die Seniorenheime sind keinesfalls die alleinigen "Verursacher" für die aktuell und im Vergleich hohen Anzahl von Todesfällen.
... sich die Spessarter nicht betroffen fühlen?
... sich in den abgelegenen Dörfern viele einfach nicht an die Regeln halten und die Einhaltung weniger kontrolliert wird?
... es dort besonders viele Querdenker gibt?
...
Im Herbst, und auch noch Silvester gab es in MSP Feiern von Jugendlichen bzw jungen Erwachsenen. Mehrere von denen ich Kenntnis habe. Teilweise sogar in Facebook gepostet.
Auf dem Land, damit meine ich Dörfer unter ca. 500 Einwohnern, können sie noch halbwegs sicher sein, nicht verpfiffen zu werden.
Über die Besucher und Mitarbeiter wird es dann in die Heime getragen.
wer hätte das auch ahnen können, dass sowas passiert, dass die pflegeheime zu hotspots werden. das passiert zwar bei anderen infektionswellen auch regelmäßig, aber, "da corona ja ganz anders ist", konnte man das auch nicht als blue-print nehmen. versagen der politik und der heime, nicht der jugendlichen!