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Haßfurt/Knetzgau
Von den tödlichen Schüssen bis zur Verurteilung des Jägers: Chronologie im Fall Mara
Rund drei Jahre ist es her, dass ein Weidmann das Tier bei Knetzgau getötet hat. Nun ist die Causa juristisch abgeschlossen. Wie wichtigsten Ereignisse im Überblick.
Da war Mara noch am Leben: Die Hündin hat ihre Halterin Birgit Brunner auf fast jeder Reise begleitet.
Foto: Birgit Brunner | Da war Mara noch am Leben: Die Hündin hat ihre Halterin Birgit Brunner auf fast jeder Reise begleitet.
Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 01.05.2025 10:24 Uhr

Im Sommer 2022 erschießt ein Jäger bei Knetzgau im Landkreis Haßberge die Hündin eines österreichischen Touristenpaars mit einem Kleinkalibergewehr. Der Vorfall sorgt über die Grenzen des Landkreises hinaus für Bestürzung. Inzwischen ist der Waidmann rechtskräftig verurteilt. Der Fall findet damit einen Abschluss, auch für die österreichische Halterin Birgit Brunner. Ein Rückblick auf die Geschehnisse und die Entwicklung der Ereignisse danach.

18. Juli 2022: Bei Knetzgau fällt der tödliche Schuss

Es ist ein Montag im Juli 2022, als für zwei österreichische Touristen unweit der Gemeinde Knetzgau eine kleine Welt zusammenbricht. Das Ehepaar ist mit dem Kanu auf dem Main unterwegs – begleitet von Hündin Mara, einem Alaskan Malamute. Nahe des Knetzgauer Kraftwerks, wo das Paar mit dem Boot schleusen möchte, springt das Tier an Land, so wird es die Polizeiinspektion (PI) Haßfurt drei Tage später in einem Pressebericht mitteilen. 

Mara rennt auf die nahegelegene Mainwiese. Dort hält sich nach Angaben der Polizei zu diesem Zeitpunkt ein Jäger in der Nähe auf, es ist sein Revier. Der Waidmann feuert mit seiner Waffe auf die Hündin und verletzt sie schwer. Trotz der Behandlung durch einen herbeigerufenen Tierarzt überlebt die Hündin den Durchschuss durch Lunge, Zwerchfell und Leber nicht. Sie stirbt nach einer Notoperation. Währenddessen hat sich der Jäger vom Ort des Geschehens bereits entfernt, ohne sich bei dem Paar zu melden oder sich um das angeschossene Tier zu kümmern. Der Polizei gelingt es schließlich, den Schützen zu ermitteln. 

22. Juli 2022: Umstrittener Jäger nimmt Stellung zum tödlichen Schuss 

Nur wenige Tage nach dem Tod von Hündin Mara meldet sich der Schütze, ein Mann im fortgeschrittenen Alter, zu Wort. Im Gespräch mit der Redaktion verteidigt der Jäger sowohl den Schuss auf den Vierbeiner als auch sein Verhalten danach. "Ich hatte keine Wahl, ich musste schießen", sagt der Mann aus dem Landkreis Haßberge. Die frei laufende Hündin sei kurz davor gewesen, einen Hasen zu reißen. Da sei es seine Pflicht gewesen, einzugreifen. 

Der Jäger verweist auf die strengen Naturschutzregeln in den Mainauen. Hundehalter habe er keine gesehen. Er berichtet von Erfahrungen aus der Vergangenheit, von "gerupften Hasen" und einem gerissenen Reh in der Nähe. Auch deshalb habe er auf die Hündin angelegt. Das Tier sei nach dem Schuss aus seinem Sichtfeld verschwunden. Wie schwer es verletzt war, habe er nicht erkennen können. Weil das Nachladen seiner Kleinkaliberwaffe nicht funktioniert habe, sei er nach Hause gefahren, "um mein Jagdgewehr und meinen Hund zu holen". Dort angekommen, habe schon die Polizei angerufen.

Die Bootsschleuse am Kraftwerk Knetzgau mit der Anlegestelle davor. Rechts daneben die Wiese, auf der Mara erschossen wurde.
Foto: Martin Sage (Archivfoto) | Die Bootsschleuse am Kraftwerk Knetzgau mit der Anlegestelle davor. Rechts daneben die Wiese, auf der Mara erschossen wurde.

29. Juli 2022: Halterin widerspricht dem. Schützen deutlich

Eine Woche vergeht, dann erzählt Birgit Brunner von ihren Erlebnissen nahe des Knetzgauer Kraftwerks. Die damals 52-Jährige stammt aus Innsbruck, und sie ist die Halterin der verstorbenen Hündin Mara. Weit entfernt habe sich das Tier nicht vom Boot, erinnert sich Brunner. Nur wenige Momente habe sie Mara nicht im Auge gehabt. Dann, während sie das Kanu festband, hörte Brunner ein Geräusch, dass sie als eine Art Peitschenknall beschreibt. Als sie wieder nach Mara blickt, sei die an der gleichen Stelle gewesen wie zuvor. Doch etwas war anders: Das Tier habe sich vor Schmerzen gekrümmt.

"Mara hat einen angeborenen Hüftschaden. Sie konnte vier, fünf Schritte rennen, mehr nicht", widerspricht Brunner im Gespräch der Erzählung von der angeblichen Hetzjagd ihres Hundes auf einen Hasen. Angeleint sei Mara nicht gewesen, weil Brunner weit und breit weder Spaziergänger noch Radfahrer gesehen habe. Da die Hündin ein Brustgeschirr getragen habe, hätte der Schütze ihrer Meinung nach davon ausgehen müssen, dass sich die Besitzer in der Nähe aufhalten. Birgit Brunner und ihr Mann erstatten Anzeige gegen den Jäger.

3. August 2022: Jagdverein kritisiert Abschuss von Hündin Mara

Anfang August ruft der Tod der achtjährigen Hündin Mara den Ökologischen Jagdverein (ÖJV) in Bayern auf den Plan. Dessen Vorsitzender Wolfgang Kornder kritisiert insbesondere die negativen Auswirkungen auf seine Zunft: "Wir finden es unmöglich, dass einzelne Jäger das ohnehin ramponierte Ansehen der Jagd durch derartig sinnlose Abschüsse noch weiter beschädigen." Der ÖJV spricht sich deutlich dagegen aus, dass Jägerinnen und Jäger Hunde oder Katzen gemäß Gesetz töten dürfen. Haustiere genießen in der Gesellschaft einen immer höheren Stellenwert, seien Teil der Familien, so Kornders Begründung. 

9. August 2022: Vorwürfe gegen Behörden werden laut

Nach dem Vorfall vom 18. Juli melden sich zahlreiche Menschen bei dieser Redaktion. Sie alle geben an, schlechte Erfahrungen mit dem umstrittenen Jäger gemacht zu haben. Teils liegen diese Erfahrungen viele Jahre zurück, teils nur Monate. Sie berichten, von dem Mann angegangen worden zu sein, meist wenn sie mit ihrem Hund in seinem Jagdrevier am Main spazieren waren. Oft soll der Jäger gedroht haben, die Hunde zu erschießen. Unter den Betroffenen, alle wollen anonym bleiben, befindet sich auch ein ehemaliger Polizist. Der Waidmann widerspricht den Vorwürfen. Er drohe höchstens mit der Polizei, sagt er.

Vorfälle wie diese waren auch den zuständigen Behörden bekannt. Einen Grund oder eine Möglichkeit einzuschreiten, sah man dort offenbar nicht. Dabei hatte es im Jahr 2020 zwischenzeitlich danach ausgesehen, als könne der Mann seinen Jagdschein verlieren. Damals verurteilte ihn das Amtsgericht Haßfurt wegen Bedrohung und Beleidigung zweier Reiterinnen zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 30 Euro. Ab einem Strafmaß von 60 Tagessätzen ist der Jagdschein normalerweise weg. Der Jäger ging in Berufung. Das Landgericht Bamberg reduzierte das Strafmaß auf 40 Tagessätze. Der Mann konnte weiter jagen.

Unbekannte sprühen im August 2022 unweit der Knetzgauer Schleuse mit roter Farbe Parolen auf ein Trafohäuschen, die gegen den Jäger gerichtet sind.
Foto: Johanna Heim (Archivfoto) | Unbekannte sprühen im August 2022 unweit der Knetzgauer Schleuse mit roter Farbe Parolen auf ein Trafohäuschen, die gegen den Jäger gerichtet sind.

16. August 2022: Emotionen im Fall Mara kochen hoch

Der Tod der Hündin erhitzt die Gemüter. Unbekannte sprühen unweit der Knetzgauer Schleuse mit roter Farbe Parolen auf ein Trafohäuschen und auf die Straße. Zu lesen sind Begriffe wie "Lügner" und "Mörder" – stets in Verbindung mit dem Nachnamen des Jägers. Die Polizei nimmt Ermittlungen wegen Sachbeschädigung auf. Der damalige Dienststellenleiter Daniel Seeburg warnt davor, im Fall der erschossenen Hündin Vorverurteilungen zu tätigen. Die Geschehnisse seien emotional, doch am Ende entscheide ein Gericht darüber, ob die Schussabgabe berechtigt gewesen sei oder nicht, so Seeburg. Dann wird es vorerst still im Fall Mara.

16. Dezember 2022: Juristische Aufarbeitung nimmt Fahrt auf

Es ist Mitte Dezember 2022, als schließlich feststeht, dass es im Fall der erschossenen Hündin Mara zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Haßfurt kommen wird. Zuvor war die Justiz dem Antrag der Staatsanwaltschaft Bamberg gefolgt und hatte Strafbefehl gegen den mutmaßlichen Schützen erlassen, wegen Töten eines Wirbeltieres. Dieses verkürzte Verfahren kommt meist dann zum Tragen, wenn die Behörde nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung für nicht erforderlich erachtet. Doch weil der Verteidiger des beschuldigten Jägers fristgerecht Einspruch eingelegt hat, folgt der öffentliche Prozess. Ein Termin für die Hauptverhandlung steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. 

17. Juli 2023: Ermittlungen im Fall Mara ziehen sich in die Länge

Im Sommer 2023, der Fall jährt sich inzwischen, ist noch immer ungewiss, wann genau es zur Hauptverhandlung kommen wird. Grund sind Nachermittlungen, die der zuständige Richter nach dem Einspruch gegen den Strafbefehl in Auftrag gegeben habe, heißt es auf Nachfrage. Zu "einzelnen Fragen der Spezialmaterie" seien Sachverständige herangezogen worden, deren gutachterliche Stellungnahmen erwartet werden. Der Fall zieht sich noch einmal in die Länge. 

Das sind auch für den umstrittenen Schützen schlechte Nachrichten. Dessen Jagdschein sei zwischenzeitlich abgelaufen, heißt es im Sommer auf Nachfrage aus dem Landratsamt. Die Untere Jagdbehörde habe das Papier nicht verlängert, wegen des laufenden Verfahrens. Ob der Mann seinen Jagdschein zurückerhält oder nicht, hänge vom Ergebnis der Hauptverhandlung ab.

11. August 2023: Der Termin für die Hauptverhandlung steht fest

Nun steht fest: Der Prozess um den Tod von Hündin Mara soll am 6. November vor dem Amtsgericht Haßfurt beginnen und am 20. November fortgesetzt werden. Damit erfolgt nun die lange erwartete juristische Aufarbeitung des tragischen Vorfalls, der über die Grenzen des Landkreises hinaus für Bestürzung gesorgt hat. 

20. November 2023: Richter verurteilt den Jäger zu hoher Geldstrafe

Der Prozess am Amtsgericht Haßfurt sorgt für große Aufmerksamkeit. Vier Sachverständige, zwei Polizisten, eine Tierärztin sowie Maras Besitzer sagen im Prozess aus. Nach zwei Verhandlungstagen steht fest: Richter Patrick Keller glaubt den Ausführungen des Jägers nicht. Er spricht den zu diesem Zeitpunkt 77-jährigen Angeklagten der Tötung eines Wirbeltiers ohne vernünftigen Grund schuldig. Der Jäger soll 140 Tagessätze zu je 40 Euro Strafe bezahlen sowie die Verfahrenskosten tragen. Angesichts der Urteilshöhe ist der Jäger seinen Jagdschein wohl länger los. Der Mann geht in Berufung. 

16. Dezember 2024: Zweite Instanz wird im Urteil noch deutlicher 

Als zweite Instanz beschäftigt sich das Landgericht Bamberg mit der Causa "Mara". Der Jäger bleibt bei seiner Geschichte. Doch nach zahlreichen Verhandlungsstunden ist der Fall auch aus Sicht der Berufungskammer eindeutig: "Sie waren nicht berechtigt, den Hund zu erschießen", richtet der Vorsitzende Richter André Libischer sich bei der Urteilsverkündung an den Jäger.

Rechtsanwalt Oliver Heinekamp (links) und der angeklagte Jäger, der zunächst auch das Urteil in zweiter Instanz nicht akzeptiert. 
Foto: Udo Güldner | Rechtsanwalt Oliver Heinekamp (links) und der angeklagte Jäger, der zunächst auch das Urteil in zweiter Instanz nicht akzeptiert. 

Der Mann habe sich der Tötung eines Wirbeltiers ohne vernünftigen Grund, einer quälerischen Tiermisshandlung sowie einer Sachbeschädigung schuldig gemacht. Das Schöffengericht verurteilt den inzwischen 78-jährigen Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung. Hinzu kommt eine Geldauflage von 10.000 Euro, damit der Jäger "etwas spüre". Beendet ist der Fall mit diesem Urteil nicht. Noch im Gerichtssaal kündigt der Jäger an, vor das Bayerische Oberste Landesgericht (OLG) gehen zu wollen. Der Fall Mara droht zum Justizmarathon zu werden. 

7. Februar 2025: Landgericht teilt Rechtskraft des Urteils mit

Der Jäger macht seine Ankündigung wahr, er legt Revision ein. Lange sieht es so aus, als müsste sich nun auch das OLG in Bamberg mit dem qualvollen Tod des Tieres befassen. Doch dann kommt die Kehrtwende. Das Landgericht Bamberg teilt Anfang Februar mit, dass der Angeklagte die Revision zurückgenommen hat. Damit ist das Urteil gegen den Jäger aus dem Dezember 2024 rechtskräftig. Damit ist der Fall der tödlichen Schüsse aus juristischer Sicht abgeschlossen. Doch weil das Urteil Auswirkungen auf den Jagdschein des Mannes haben könnte, kommt nun die zuständige Behörde im Landratsamt Haßberge ins Spiel.

Mitte April 2025: Jäger muss Waffen abgeben

Es dauert mehrere Monate, bis in der Behörde Klarheit herrscht. Mitte April teilt das Landratsamt auf Nachfrage schließlich mit: Der verurteilte Jäger muss seine Waffen abgeben. Derzeit finde "eine Beendigung des Besitzes statt". Der Mann sei "nicht mehr Inhaber eines Jagdscheins". Tatsächlich war die Lizenz des einstigen Jägers bereits im März 2023 abgelaufen. Das Landratsamt hatte sie seither wegen des laufenden Gerichtsverfahrens nicht verlängert. Ob das auch künftig so bleibt, lässt die Behörde offen. 

Ende April 2024: Für Birgit Brunner ist ein Ziel erreicht

Mit der Entscheidung der Behörde, dass der Jäger keine Waffen mehr besitzen darf, ist für Maras Halterin ein großes Ziel erreicht. Das erklärt die Österreicherin Birgit Brunner im Interview mit dieser Redaktion. Der Mann sei eine Gefahr für das Allgemeinwohl, das habe nicht nur der Tod ihres Tieres gezeigt, sondern auch die Erfahrungen anderer Hundebesitzerinnen und -besitzer mit dem Weidmann. "Jemand, der wie in unserem Fall so schnell am Abzug ist, sollte meiner Meinung nach keine Waffe tragen dürfen", so Brunner. 

Zum Verwechseln ähnlich: Das ist nicht Mara, sondern Birgit Brunners neue Begleiterin, Hündin Laika.
Foto: Oswald Helm | Zum Verwechseln ähnlich: Das ist nicht Mara, sondern Birgit Brunners neue Begleiterin, Hündin Laika.

Brunner erzählt, dass sie eigentlich keine neue Hündin haben wollte. Zu sehr habe ihr der Verlust geschmerzt, der lange mit nächtlichen Alpträumen verbunden war. Zu sehr sei das Tier zum Familienmitglied geworden. Doch wie es der Zufall wollte, berichtet Brunner, habe sie mit Laika kurze Zeit nach Maras Tod eine neue Begleiterin gefunden, die ihrer Vorgängerin zum Verwechseln ähnlich sieht: "Ich dachte mir: Ist Mara jetzt vom Himmel gefallen?", erinnert sich Brunner an die erste Begegnung. 

 
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