
Seit 2020 ist Dirk Vogel (SPD) Oberbürgermeister von Bad Kissingen. Im Gespräch mit dieser Redaktion blickt der 47-Jährige auf das Jahr 2024 zurück und voraus auf 2025. Er spricht über Chancen und Herausforderungen für die Stadt und verrät, was er sich von den Bürgerinnen und Bürgern wünscht.
Dirk Vogel: Wir hatten ein sehr gutes Jahr. Das zeigt sich auch daran, dass wir den Haushalt 2025 schon Ende des alten Jahres beschließen konnten. Das gibt Rückenwind, den ich mitnehme.
Vogel: Ich glaube, dass wir in einem hysterischen Zeitalter leben, in dem viele Dinge übertrieben werden. Die Wahrheit liegt ja oft in der Mitte und das gelingt uns im Moment in Deutschland nicht so gut. Meine große Hoffnung ist, dass wir das in Bad Kissingen anders machen. Es kann riesige Standortvorteile bringen, wenn man sich dieser Hysterie nicht anschließt.
Vogel: Dieses Jahr fand ich es besonders toll, auf dem fertig sanierten Sprungturm im Freibad zu stehen. Die Sanierung war nämlich bis kurz vor Baubeginn überhaupt nicht in trockenen Tüchern. Wir haben die restlichen und unabdingbar notwendigen Mittel des Freistaats Bayern erst kurz vor Baubeginn zugesichert bekommen, auch mit Unterstützung des hiesigen Landtagsabgeordneten. Den Turm hätten wir ansonsten dieses Jahr schließen müssen. Viele nehmen diese Sanierung leider für selbstverständlich hin. Es wird sich in der öffentlichen Wahrnehmung in Sachen Schwimmbad gerne auf das Hallenbad konzentriert.

Vogel: Sicherlich der Baubeginn für das neue Hotel Sonnenhof als Nachfolger des Steigenberger-Hotels, der eine zeithistorische Baulücke schließen wird. Wir konnten das Projekt als öffentliche Hand zwar weniger direkt beeinflussen, aber hinter den Kulissen hat die Stadtverwaltung in all den Abstimmungen dazu einen herausragenden Job gemacht. Ganz wichtig für die soziale Infrastruktur war auch der Baubeginn des Theresienkindergartens.
Vogel: Am Bahnhof wird die Bahn im Januar eine Unisex-Toilette einrichten und die Stadt wird diese später unterhalten. Dieses Beispiel zeigt ganz gut, wie man gesamtgesellschaftlich mit Problemen umgehen kann. Man kann immer wieder die Bahn kritisieren. Oder man kann gemeinsam Ideen entwickeln und zusammenarbeiten, um zu einer Lösung zu kommen, wenn alle grundsätzlich an einem Strang ziehen. Das geschieht aktuell rund um das Thema Bahnhof, auch mit Unterstützung der hiesigen Bundestagsabgeordneten.
Vogel: Man muss differenzieren. Das eine ist die Ertüchtigung, also alles, was mit dem Betrieb des Bahnhofs zu tun hat. Etwa der barrierefreie Zugang zu den Bahngleisen. Da sind die Signale der Bahn ganz gut. Was die Bevölkerung am meisten wahrnimmt, ist aber ja die Sanierung des historischen Gebäudes. Und da bin ich wieder beim Thema Hysterie. Ich glaube nicht, dass der Bahnhof katastrophal aussieht.

Vogel: Aber gleichzeitig muss definitiv etwas getan werden. Wir arbeiten darauf hin, dass wir in ein Förderprogramm kommen, durch das eine Sanierung finanziert wäre. Für so ein Programm sind im Moment im Bund die Mittel nicht frei. Es gilt also, dabei zu sein, sobald sich das Fenster öffnet. Aktuell haben wir das Thema im Griff. Ohne, dass ich versprechen kann, dass der Bahnhof 2030 oder 2032 fertig ist.
Vogel: Dazu muss ich festhalten, dass der Stadtrat 2016 schon beschlossen hat, dass die Stadt ein Hallenbad nicht alleine finanzieren kann. Deshalb sollten es die Stadtwerke bauen. Dazu gab es aber, übrigens schon vor der Krise der Stadtwerke, keine tragfähige Finanzierung, sondern nur Ideen. Inzwischen ist jegliche Illusion abhandengekommen, nach der die Stadtwerke hier in Zukunft einen signifikanten Beitrag leisten können. Man muss also erstmal die Erwartungshaltung in der Stadt den finanziellen Möglichkeiten anpassen. Das ist seit vielen Jahren nicht so gut gelungen.
Vogel: Wir stehen nicht bei null. Wir werden uns vom alten Standort lösen und wollen an der KissSalis-Therme neu bauen. Und wir werden neue Wege gehen, was die Finanzierung anbelangt. Es gibt mehrere Ansätze, wie man ein Hallenbad in Zukunft betreiben kann. Es ist ja grundsätzlich nicht so, dass wir kein Geld ausgeben. Immerhin haben wir seit 2020 über 50 Millionen Euro in Bad Kissingen verbaut. Aber klar ist auch, dass Pflichtaufgaben wie eine Schule oder Kita eben Vorrang haben vor einer freiwilligen Leistung wie einem Hallenbad. Ganz einfach ausgedrückt: Weil wir eine Schule bauen, können wir kein Hallenbad bauen, da besteht direkter Zusammenhang. Also arbeiten wir an neuen Finanzierungsideen.

Vogel: Ich danke für die Frage. Weil die Realität eben nicht zu den Zahlen passt. Abgesehen vom Schulbetrieb und Vereinssport hatten wir ungefähr 30 bis 70 Gäste pro Tag im alten Hallenbad. Zweitens haben wir auch im Terrassenschwimmbad radikal sinkende Besucherzahlen. Im angesprochenen Schwimmbadbus nach Bad Neustadt, den wir bezahlen, waren bei den ersten beiden Fahrten jeweils zwei Menschen dabei, und die wohl noch nicht einmal aus Bad Kissingen. Und bei den Schwimmkursen sind nicht die fehlenden Becken der Grund, aus dem man sie nicht weiter ausweiten kann, sondern fehlendes Personal. Man muss der Gesellschaft da auch bitte ein bisschen den Spiegel vorhalten.
Vogel: Ich hätte am liebsten ein Hallenbad. Ich glaube, es gehört zu Bad Kissingen dazu. Aber das ist gleichzeitig ein sehr teurer Wunsch, der vielleicht nicht sofort erfüllt wird. Ich kann nicht isoliert ein Thema beenden, wenn ich im Anschluss in der Stadt nichts mehr machen kann und sich alle darüber dann beschweren. "First things first" hat uns mal US-Präsident Roosevelt gelehrt. Die fränkische Variante meiner Oma lautete: Die Klöße werden nacheinander gegessen.
Vogel: Die Trends sprechen für Bad Kissingen. Großstädte geraten an die Grenzen des Wachstums. Im Segment der Mittelstädte sind wir Premium: Wir haben ein Mindestmaß an Urbanem, außerdem Kulturangebot, Einzelhandel, Schulen, Kitas und Natur. Und wir können noch Menschen aufnehmen. Wir sind klein genug, dass man sich kennt. Aber so groß, dass es nicht langweilig wird. Die Lebensqualität ist hoch und wir versuchen, die auch für jüngere Menschen weiter auszubauen. Zum Beispiel mit den Open-Air-Konzerten oder Festspielen.

Vogel: Im Bereich Unternehmen und Beschäftigte. Mit unserer Verbindung zwischen Urbanität und ländlichem Raum müssen wir eigentlich nochmal vier oder fünf Unternehmen und entsprechend Beschäftigte nach Bad Kissingen holen, die Gewerbe- und Einkommenssteuer zahlen. Das ist wichtig, um den Level an Angeboten aufrechtzuerhalten.
Vogel: Wir sind in einem Sektor sehr erfolgreich: Wir haben 17 Rehakliniken und mittlerweile über 1,5 Millionen Übernachtungen pro Jahr. Mehr hat in Franken nur Nürnberg. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass wir hier sehr viele sehr gut gepflegte Grünanlagen haben. Das ist ein Mehrwert für die Einwohner. Aber keiner, der finanziell im Rathaus ankommt.
Vogel: Nein, er kostet. Aber wir haben natürlich auch einen großen Mehrwert davon und wir stechen mit ihm unter den Mittelstädten hervor. Er ist mittlerweile wieder, auch dank unseres Intendanten, Sympathieträger und Standortkampagne geworden. Und die Alternative wäre ja, dass wir hier leere Säle haben und unsere Geschichte nicht leben.
Vogel: Es ist das größte Hochbauprojekt der Stadt seit Jahrzehnten. Aber es gibt viele weitere sehr spannende: die Fertigstellung des Nordrings, der Spielplatz Westring, tolle kulturelle Veranstaltungen, die Stadtteilentwicklung, die Münnerstädter Straße. Und wir werden das Turniergebäude in der Au eröffnen. Das wird ein emotionales Highlight. Viele kennen dieses Gebäude nur als Ruine.

Vogel: Mehr zu lesen. Ich merke, dass wir teilweise keine informierte Gesellschaft mehr haben. Ich werde manchmal mit Themen konfrontiert, die schon geklärt, mehrfach kommuniziert wurden und im Stadtgebiet sichtbar sind. Das war früher anders, als ein Großteil die hiesigen Zeitungen gelesen haben. Selbst unsere Versuche über soziale Medien, Stadtblatt und Aushänge diese Lücken zu füllen, gelingt nicht vollständig. Ein höherer Informationsgrad fördert das Verständnis für das Gemeinwesen und das Gemeinwohl.