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Bad Kissingen
Alexander Steinbeis: So plant der neue Intendant des Kissinger Sommers
In Berlin war der 47-Jährige bekannt für innovative Klassikformate. Für Bad Kissingen verspricht er einen neuen Ansatz, in dem die Glanzzeit der Kurstadt eine Rolle spielt.
Intendant Alexander Steinbeis über den Kissinger Sommer: 'Unser Publikum ist sehr treu und engagiert.' 
Foto: Anand Anders | Intendant Alexander Steinbeis über den Kissinger Sommer: "Unser Publikum ist sehr treu und engagiert." 
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 18:08 Uhr

Im Klassikbetrieb sind zwei bis drei Jahre Vorlauf üblich. Alexander Steinbeis, der neue Intendant des Kissinger Sommers, hat nur einen Bruchteil dieser Zeit, um die komplette Saison 2022 auf die Beine zu stellen. Was genau in der nächsten Ausgabe des Festivals passieren wird, verrät er noch nicht. "Lassen Sie sich überraschen", sagt er. Aber wie er vorgeht, gibt er preis. In Berlin jedenfalls war Steinbeis bekannt für innovative Klassikformate und Offenheit gegenüber der freien Szene.

Was findet man denn vor, wenn man als neuer Intendant ein Festival übernimmt?

Alexander Steinbeis: Man findet mit Bad Kissingen einen herrlichen Ort mit einer beeindruckenden und reichhaltigen Tradition vor, der seit wenigen Monaten Unesco-Welterbe ist. Man findet Kur-Liegenschaften vor, die nicht nur Geschichte haben, sondern zu den besten Konzertorten der Welt gehören, und wir haben mit dem Kissinger Sommer ein Festival, das seit 1986 existiert, mit einer für sich schon sehr beeindruckenden Geschichte.

Den klassischen Kurgast oder Sommerfrischler gibt es ja nicht mehr. Wo holen Sie Ihr Publikum her?

Steinbeis: Unser Publikum ist tatsächlich sehr treu und engagiert. Es identifiziert sich eng mit dem Kissinger Sommer. Das zeigt sich allein daran, dass das Festival von einem Förderverein mit fast 1000 Mitgliedern maßgeblich unterstützt wird. Neben den Besucherinnen und Besuchern aus der Region haben wir ein beachtliches Stammpublikum, darunter viele Kulturtouristen, die Jahr für Jahr aus dem ganzen Land, teilweise auch aus dem Ausland nach Bad Kissingen reisen. Aber natürlich müssen wir uns heute der Herausforderung stellen, wie wir neue Publikumsschichten motivieren und für uns begeistern können.

"Die großen Musikerinnen und Musiker kann man heutzutage an so vielen Orten erleben, nicht allein in Bad Kissingen."
Alexander Steinbeis über die Notwendigkeit neuer Ansätze

Was erwarten Kulturtouristen, wenn sie nach Bad Kissingen kommen?

Steinbeis: Vielen Gästen geht es nicht nur um die Konzerterfahrung an sich. Sie wollen darüber hinaus auch den Ort mit seinen Gebäuden, den Parks, den Geschichten und dem Flair insgesamt erleben. In einer Zeit, in der sich Menschen zunehmend überlegen, ob sie in den Flieger steigen oder sich doch näher ansehen, welche Angebote es hierzulande gibt, sehe ich auf jeden Fall Potenzial. Ich bin gespannt, was sich damit machen lässt.

Was bedeutet das für Sie als Programmmacher?

Steinbeis: Darüber denke ich viel nach. Ich beschäftige mich beispielsweise mit der Frage, wie wir unser Festival thematisch noch stärker hier in Bad Kissingen verorten können. Da sind wir natürlich recht schnell bei der eigenen Geschichte. Wenn man sich ansieht, wer hier vor allem im 19. Jahrhundert und bis zum Zweiten Weltkrieg alles ein- und ausgegangen ist an illustren Kurgästen, gekrönten Häuptern, Dichtern und Denkern, Künstlern, politischen Persönlichkeiten, Wissenschaftlern – ist das eine beeindruckende Liste. Wie also können wir hier anknüpfen? Wissen Sie, die großen Musikerinnen und Musiker kann man heutzutage an so vielen Orten erleben, nicht allein in Bad Kissingen. Da müssen wir schon zusätzliche Anreize setzen und vor allem Zusammenhänge zwischen Geschichte, Programm und Künstlern herstellen.

Wenn ich also in die Liste berühmter Kurgäste schaue und da die Sopranistin Jenny Lind oder Komponisten wie Gioacchino Rossini oder Ralph Benatzky entdecke, kann ich Rückschlüsse auf Ihr Programm ziehen?

Steinbeis: Da will ich noch nichts verraten. Nur so viel: Die Geschichten sind da, und sie erzählen sich letztendlich von selbst. Das sind für mich tolle Aufhänger für ein originelles Festivalprogramm, das hoffentlich über viele Jahre Bestand haben wird.

Der Gendarmenmarkt mit Konzerthaus (links) in Berlin. 14 Jahre war Alexander Steinbeis Manager des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, seit April ist er Intendant des Kissinger Sommers.
Foto: Rainer Jensen, dpa | Der Gendarmenmarkt mit Konzerthaus (links) in Berlin. 14 Jahre war Alexander Steinbeis Manager des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, seit April ist er Intendant des Kissinger Sommers.
Verleiten die tollen Säle, in den klassischen Konzertformaten zu verharren, oder wollen Sie auch neue Formate und Orte anbieten?

Steinbeis: Die klassischen Konzertformate haben natürlich ihren Wert und ihre Berechtigung. Aber man muss ja nicht auf das eine verzichten, um das andere zu tun. Wenn, dann geht es um eine inhaltlich fundierte Erweiterung des Angebots. Dazu gehört natürlich auch, dass man mal das eine oder andere Wagnis eingeht. Damit möglicherweise zu scheitern, gehört für mich selbstverständlich zum künstlerischen Prozess dazu. Wir wollen relevant und lebendig bleiben, wir wollen uns weiterentwickeln, und dafür müssen wir Ideen ausprobieren können.

"Es wäre für mich konzeptionell schwierig gewesen, eine Teilplanung des Vorgängers zu übernehmen."
Alexander Steinbeis über den Start mit einem weißen Blatt Papier
Haben Sie Dinge vor, die hier noch nicht probiert wurden?

Steinbeis: (lacht) Sie versuchen's immer wieder. Auch da sage ich ganz sportlich: Lassen Sie sich überraschen! Wir werden aller Voraussicht nach Ende Januar oder Anfang Februar 2022 unser Programm publik machen können. Aber so viel kann ich sagen: Erstmal sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Wenn Sie das Programm erst im neuen Jahr verraten, ist es ja nicht mehr allzu weit bis zum Sommer. . .

Steinbeis: Klar, unser Fahrplan ist recht straff. Das liegt aber auch daran, dass ich erst Mitte April mit den Planungen loslegen konnte. Rein praktisch heißt das, dass ich nur einige wenige Monate Zeit habe, das komplette Festivalprogramm zu konzipieren. Die üblichen Vorläufe der Klassik liegen bei zwei, drei Jahren. Ich habe tatsächlich mit einem weißen Blatt Papier angefangen. Das war mir auch wichtig, um wirklich von Grund auf eigene Akzente setzen zu können. Es wäre für mich konzeptionell schwierig gewesen, eine Teilplanung des Vorgängers zu übernehmen. Nichtsdestotrotz: Es ist zwar eine sehr sportliche Aufgabe, vor der ich großen Respekt habe, aber sie macht enorm Spaß!

Wie sehen sie die Entwicklung des Kissinger Sommers unter Ihren Vorgängern?

Steinbeis: Dank Kari Kahl-Wolfsjäger gibt es das Festival überhaupt. Vor allem hat sie es geschafft, ganz viele der bedeutenden Künstlerinnen und Künstler nach Bad Kissingen zu holen. Tilman Schlömp hat dem Festival durch pointierte Themensetzungen eine noch größere programmatische Ernsthaftigkeit gegeben. Mir stellt sich jetzt die spannende Frage, welchen Schritt können wir als nächstes gehen. Dass wir uns weiter entwickeln und vor allem weiter öffnen wollen und müssen, versteht sich von selbst.

Zur Person

Alexander Steinbeis, Jahrgang 1974, wuchs im Süden von München auf. Sein Abitur legte er in einem englischen Internat ab. Danach studierte er Management beziehungsweise Betriebswirtschaft in London (Bachelor) und Paris (Master), bevor er in den USA beim Boston Symphony Orchestra und dem dazugehörigen Sommerfestival Tanglewood  seine erste Stelle als stellvertretender künstlerischer Leiter antrat. Zuletzt leitete er 14 Jahre lang das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin, wo er neue Formate wie Casual Concerts, Symphonic Mob oder Notturno-Kammerkonzerte einführte und Projekte mit Akteuren der freien Musikszene anstieß.
maw
 
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