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Bad Kissingen
Stadtwerke Bad Kissingen: Im Jahr 2023 drohte die Insolvenz
Ein Millionendefizit wegen eines Management-Versagens bedrohte die Stadtwerke im Jahr 2023. Was führte zu dieser dramatischen finanziellen Schieflage in dem kommunalen Unternehmen?
Die Stadtwerke Bad Kissingen hatten massive Probleme.       -  Die Stadtwerke Bad Kissingen hatten massive Probleme.
Foto: Karl Kovacs | Die Stadtwerke Bad Kissingen hatten massive Probleme.
Karl Kovacs
 |  aktualisiert: 08.12.2024 20:02 Uhr

Die Stadtwerke, sagt Dirk Vogel (SPD), "waren 2023 wie ein Flieger in der Luft, bei dem niemand im Cockpit wusste, wie lang er noch fliegen kann und wohin es überhaupt geht". Dieses Bild zeichnet Bad Kissingens Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender im Gespräch über die Probleme bei dem städtischen Versorger in den vergangenen Jahren.

Zunächst die Zahlen

Nach einem Verlust von etwa 2,6 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2021 erhöhte sich das Defizit im Folgejahr drastisch auf gut 22,9 Millionen Euro, was gravierende Folgen fürs Jahr 2023 hatte. 

Bevor die Zahlen mithilfe eines externen Wirtschaftsprüfungsunternehmens ans Licht gekommen seien, erläutert Vogel, habe der langjährige und mittlerweile abgesetzte Geschäftsführer Manfred Zimmer für das Jahr 2022 noch mit einem Überschuss von 743.000 Euro gerechnet. Heute konstatiert Vogel: "Die Geschäftsführung hatte die betriebswirtschaftliche Führung der Stadtwerke nicht ausreichend in der Hand gehabt." Deshalb seien die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und ein Generalbevollmächtigter eingesetzt worden. 

Wie konnte es zu dem immensen Defizit kommen? 

Detailliert geht Dirk Vogel darauf ein, wie der Aufsichtsrat von der finanziellen Situation erfahren hatte. Noch im Dezember 2022 habe die Geschäftsführung betont, dass es wegen der damals schwierigen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen durch Inflation und Ukraine-Krieg keine Jahresabschlüsse gebe. "Wir sind im Dezember davon ausgegangen, dass sich die normalen Abschlussarbeiten aus diesen Gründen verzögern", so Vogel.

Im Februar 2023, als die Zahlen immer noch nicht auf dem Tisch lagen, hat laut dem Oberbürgermeister die eingesetzte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf "zusätzliche Unregelmäßigkeiten" hingewiesen. Diese betrafen den Kauf und Handel von Zertifikaten für Emissionen und "eine ungenügende Unternehmensplanung".  

Darum geht es beim Handel mit Zertifikaten für Emissionen nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz.

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Die Folgen des Defizits

Das Ergebnis dieser Management-Fehler ist ein Defizit von 22,9 Millionen Euro für das Jahr 2022. Davon sind 12,9 Millionen Euro nicht auszugleichen, da sie durch den Einkauf von teurer Energie entstanden waren. Die Geschäftsführung hatte Strom und Gas an den Energiemärkten viel zu spät und deshalb zu viel höheren Preisen geordert. Zudem versäumte sie es, die Beträge für Kunden wegen des geänderten Umfelds entsprechend anzupassen und Kündigungen auszusprechen. 

Für die zehn Millionen Euro Schaden durch den fehlerhaften Zertifikatehandel gibt es laut Vogel ein Best-Case- und ein Worst-Case-Szenario. 

Die Stadt hofft auf eine Versicherung

Im besten Fall greife eine Directors-and-Officers-Versicherung, also eine Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung, weil es sich beim Schaden aus Sicht der Stadt um ein Fehlverhalten der Geschäftsführung gehandelt habe. Außerdem hofft Dirk Vogel, dass die Strafe für den fehlerhaften Zertifikatehandel durch das Umweltbundesamt geringer ausfallen wird. 

Im schlechtesten Fall wird die maximale Strafe fällig und die Versicherung springt nicht ein. Dann werde die Stadt versuchen, eine Stundung des Betrags zu erwirken. Für die Stadtwerke – und somit für die Stadt und die Bürger- würde dies bedeuten, dass das Unternehmen in den kommenden Jahren "weniger Möglichkeiten hat, Dinge wie das Hallenbad anzugehen", so Vogel. 

Bad Kissingens Oberbürgermeister Dirk Vogel       -  Bad Kissingens Oberbürgermeister Dirk Vogel
Foto: Rüdiger Schwenkert | Bad Kissingens Oberbürgermeister Dirk Vogel

Zivilklage gegen ehemaligen Geschäftsführer

Die Stadt Bad Kissingen hat am 15. November dieses Jahres gegen den ehemaligen Geschäftsführer Manfred Zimmer, der seit dem 30. September 2023 freigestellt ist, eine Zivilklage beim Landgericht Schweinfurt eingereicht.  Aus zwei Gründen: Einerseits ist ein Urteil gegen Zimmer nötig, damit die Versicherung das Fehlverhalten des ehemaligen Geschäftsführers anerkennt und einen Teil des Schadens von zehn Millionen Euro bezahlt. Die komplette Summe wird indes nicht von der Versicherung übernommen werden. Daher wird Manfred Zimmer auch privat haftbar gemacht.  

Nach unbestätigten Informationen soll der Prozess im Frühjahr 2025 in Schweinfurt beginnen. 

Bei dem anstehenden Verfahren könnte auch eine ganz andere Frage gestellt werden: Warum hat der Aufsichtsrat nicht früher die Reißleine gezogen? Es hatte schon seit mehreren Jahren Hinweise darauf gegeben, dass Manfred Zimmer möglicherweise nicht mehr in der Lage war, die Geschäfte ordnungsgemäß zu führen. Allerdings, so Vogel, habe Zimmer nie entsprechende Signale gesendet. Zudem seien die Zahlen des Unternehmens in den Jahren davor positiv gewesen und auch von Wirtschaftsprüfern bestätigt worden.

Die Stadtwerke standen vor der Insolvenz

Dirk Vogel wird deutlich: "2023 war ein katastrophales Jahr. Die Gefahr der Insolvenz bestand." Er betont gleichzeitig, dass Gerüchte um nicht gezahlte Gehälter, nicht zuträfen. "Die Angestellten können beruhigt sein." 

Derweil habe sich die Situation in dem Unternehmen, das seit 1. Oktober 2023 von Anja Binder und Ralf Merkl geführt wird, deutlich verbessert. "Wir konnten allen Partnern, Banken und den Behörden beweisen, dass das Unternehmen positiv fortgeführt werden kann. Aus der akuten Krise sind wir draußen." 

Fokus auf Energiebeschaffung und -herstellung

Eine diversifizierte Energiebeschaffung und die eigene Energieherstellung durch die Mitgliedschaft in der Energie Holding des Landkreises und eigenen Beteiligungen an Windkraft- und Photovoltaikanlagen sind zwei der Aufgaben, die bei den Stadtwerken verstärkt in den Fokus rücken sollen. "Auch aus der Wärmeplanung, die wir im kommenden Jahr machen, wird es Erkenntnisse für die Stadtwerke geben." 

Vogel bleibt im Bild des Fliegers: "Er ist gewartet und geputzt worden und fliegt wieder in die richtige Richtung." In Zahlen ausgedrückt bedeute dies: Für das Jahr 2023 steht ein Gewinn von gut fünf Millionen Euro zu Buche, für 2024 geht man von 1,16 Millionen Euro aus.  Insgesamt sieht der Oberbürgermeister das städtische Unternehmen somit wieder in der Spur. 

Handel mit Zertifikaten für Emissionen

  • Das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) ist ein Gesetz aus dem Jahr 2019. Darin geht es um den Handel mit Zertifikaten für Brennstoffemissionen.
  • Die Verantwortlichen sind berichtspflichtig über in Verkehr gebrachte Emissionen. Die Preise für den Erwerb der Zertifikate sind festgelegt.
  • Wenn trotz Verpflichtung keine Emissionszertifikate oder diese nicht rechtzeitig erworben wurden, wird eine Strafe fällig und es ist der entsprechende jahresaktuelle Mehrpreis zu zahlen.
  • Zudem drohen bei nicht oder nicht rechtzeitiger Berichterstattung Bußgelder von bis zu 500.000 Euro.

Quelle: Stadt Bad Kissingen

Anmerkung der Redaktion: Eine Kontaktaufnahme mit dem ehemaligen Geschäftsführer der Stadtwerke, Manfred Zimmer, war nicht möglich. 

 
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