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Bad Kissingen
Grundsteuer in Bad Kissingen: Land finanziert Stadt - OB Vogel übt in offenem Brief Kritik
Das neue Jahr dürfte für Hausbesitzer mit einer Überraschung beginnen: Die Grundsteuer wird teurer - oder billiger. Es kommt darauf an, ob man in der Stadt oder auf dem Land wohnt. Wie kann das sein?
Viele Grundsteuerbescheide für 2025 dürften in Bad Kissingen für Ärger sorgen.
Foto: Symbolbild: Jens Büttner/dpa | Viele Grundsteuerbescheide für 2025 dürften in Bad Kissingen für Ärger sorgen.
Rüdiger Schwenkert
 |  aktualisiert: 24.03.2025 02:30 Uhr

Wenn es nach Oberbürgermeister Dirk Vogel (SPD) geht, würden die Bescheide ganz anders aussehen. Aber die Stadt muss sich an geltendes Recht halten und die Grundsteuerbescheide ab Anfang kommenden Jahres verschicken.  Die Reaktionen -  vor allem auf dem Land - dürften heftig ausfallen. 

Worum es geht

Schuld an diesen höchst unterschiedlichen Belastungen ist die Grundsteuerreform .  Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 das bisherige Einheitswerte-Modell gekippt. 2019 wurde deshalb eine Reform der Grundsteuer auf Bundesebene beschlossen.

Damals entschied Deutschlands höchstes Gericht, dass die Regelungen für die Bewertung von Grund und Boden verfassungswidrig waren. Es galt zu diesem Zeitpunkt noch, dass alle Grundstücke einheitlich bewertet werden - allerdings auf Datengrundlagen, die aus den Jahren 1964 in den westlichen Bundesländern und sogar von 1935 in den östlichen Bundesländern stammten.

Bayern führt Flächenmodell ein

Die Verfassungsrichter verfügten damals, dass bis zum 1. Januar 2025 eine Grundsteuer-Reform in Kraft treten muss. Bayern hat sich bei der Grundsteuer B, die alle nicht-landwirtschaftlichen Grundstücke betrifft, für ein Flächenmodell entschieden.

Dieser bayerische Sonderweg hat für Hausbesitzer in Bad Kissingen und den Stadtteilen erhebliche Auswirkungen. Die Berechnung basiert künftig nur noch auf der Größe des Grundstücks .

Das hat zur Folge, dass in zentralen Lagen die Steuerlast sinkt. In ländlichen Gebieten, etwa in Poppenroth, Kleinbrach, Arnshausen oder Albertshausen, wird es dagegen deutlich teurer. Grund: Auf dem Land sind die Grundstücke in der Regel viel größer. 

Hebesatz Grundsteuer B  440 Prozent 

Mit dem Auslaufen der aktuellen Hebesätze zum 31. Dezember 2024 mussten die bayerischen Städte und Gemeinden ab dem 1. Januar 2025 neue Hebesätze festlegen, um weiterhin Einnahmen durch die Grundsteuer zu sichern. 

Bad Kissingens Stadtrat hat am 25. September beschlossen, den Hebesatz für die Grundsteuer B von 380 auf 440 Prozentpunkte anzuheben. Diese Anhebung werde der Stadt keine zusätzlichen Einnahmen bringen, sondern lediglich das bisherige Aufkommen von 4,8 Millionen Euro sichern, so Daniel Bahn, Leiter der Finanzverwaltung.

Vogel: Neue Regelung ungerecht

Bad Kissingens Oberbürgermeister Dirk Vogel ( SPD ) hält die neue Regelung für ungerecht. Er weist auf die erhebliche Verteuerung für Eigentümer in ländlichen Gebieten hin. Um einen Ausgleich zwischen Stadt und Land zu schaffen, möchte Vogel gerne unterschiedliche Hebesätze anwenden – eine sogenannte Zonierung. 

Diese Möglichkeit stand auch im Entwurf für das neue bayerische Grundsteuergesetz . Allerdings wurde dieser Passus in der endgültigen Fassung gestrichen. 

Zankapfel Zonierung

Kommunale Vertreter hätten sich gegen die Zonierung ausgesprochen, weil diese Regelung "erhebliches Konfliktpotential" berge, so der bayerische Haushaltsausschuss. Oberbürgermeister Vogel sieht das völlig anders. "Das prophezeite Konfliktpotential tritt bei uns gerade wegen der fehlenden Zonierung ein."

In einem offenen Brief an den Bayerischen Städte- und Gemeindetag kritisiert Vogel die neue Regelung heftig: "Die Zonierung im Erstentwurf des Gesetzestextes war als Kann-Vorschrift formuliert. Damit hätten sich alle Kommunen frei entscheiden können, ob wir eine solche Differenzierung schaffen wollen oder nicht. Dieser Akt der kommunalen Selbstentmündigung ist für mich nicht nachvollziehbar."

Erhöhung um bis zu 37 Prozent

Welche Auswirkungen das neue Gesetz für Bad Kissingen und seine Stadtteile hat, rechnet der Oberbürgermeister vor: Für ein Einfamilienhaus auf dem Land mit 1000 Quadratmeter Grundstück muss bei einem Hebesatz von 440 Prozent künftig 581,86 Euro Grundsteuer bezahlt werden. 37 Prozent mehr als im laufenden Jahr.

Ein Einfamilienhaus in der Stadt (500 Quadratmeter Grund) kostet jährlich 486,12 Euro Grundsteuer. Also 54 Prozent weniger als bisher. 

Vogel will unterschiedliche Hebesätze

Deshalb will Dirk Vogel die Hebesätze für die Grundsteuer im urbanen und ländlichen Bereich unterschiedlich gestalten. So würden die Unterschiede für Stadt und Land nur gering variieren. 

Der Oberbürgermeister schreibt: "Die Anwendung des neuen Hebesatzes führt zu einer prozentualen Steigerung von 37 Prozent. Bei einer "Zone Land" mit einem Hebesatz 330 Prozent dagegen würde die Steigerung mit drei Prozent vertretbar ausfallen."

Drei Prozent mehr oder weniger

Für die Stadt stellt Vogel folgende Rechnung auf: "In der urbanen Siedlungsstruktur führt der einheitliche Hebesatz von 440 Prozent zu einer Senkung der Grundsteuer von 54 Prozent. Mit einem für diesen urbanen Siedlungsbereich angepassten Hebesatz von 930 Prozent dagegen wäre wiederum eine vertretbare Senkung von drei Prozent der Fall."

An den jährlichen Einnahmen der Stadt Bad Kissingen aus der Grundsteuer würde sich mit 4,8 Millionen Euro nach dieser Methode nichts ändern, meint Vogel. 

Städte und Gemeinden mit einer einheitlich urbanen oder ländlichen Struktur haben dieses Problem nicht. So wie Bad Kissingen dürfte es nach Meinung Vogels auch Städten wie Kitzingen oder Ansbach gehen.

"Land finanziert Stadt"

"Durch die einheitliche Hebesatzfestsetzung kommt es zu massiven Verschiebungen der Steuerlast innerhalb des Gemeindegebiets von der urbanen Siedlungsstruktur zur ländlichen", schreibt Dirk Vogel. Oder anders gesagt: "Land finanziert Stadt."

Erstmals konkrete Zahlen

Mit der Versendung der Grundsteuerbescheide ab Anfang nächsten Jahres dürfte auf die Stadt viel Arbeit zukommen. Denn dann sehen die Eigentümer erstmals konkret, was sie zahlen müssen. 

Eine Vielzahl von Einsprüchen aus ländlichen Stadtteilen dürfte die Folge sein. Große Hoffnungen sollten die Bürger aber darauf nicht setzen. Denn die verschickten Bescheide sind nach der aktuellen Regelung rechtmäßig. "Aber nicht gerecht", meint OB Vogel. 

Rechtsweg möglich

Für einige Betriebe in den ländlichen Stadtteilen könnten die neuen Bescheide katastrophal sein, meint Vogel. Sie sollten den Rechtsweg in Betracht ziehen und könnten unter Umständen von der Härtefallregelung profitieren. Für Privatleute ist diese Möglichkeit eher unwahrscheinlich. Denn sie  wird nur in Ausnahmen angewandt und ist nicht einklagbar. 

Die Hoffnung bleibt

Doch alle Einwände helfen aktuell nicht. Denn die Bescheide müssen nach der aktuellen Gesetzeslage verschickt werden – mit allen Konsequenzen für die Eigentümer und die Stadt Bad Kissingen . 

Die Hoffnung auf eine Besserung gibt der Oberbürgermeister aber nicht auf: "Ich sehe für die Zukunft eine Chance."

 
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