
Der TSV Aubstadt ohne Christian Köttler – in dieser Saison keine Seltenheit. Der erfahrene Innenverteidiger des Fußball-Regionalligisten ist seit Wochen verletzt. Das macht dem 29-Jährigen aus dem Hofheimer Stadtteil Lendershausen (Lankreis Haßberge) zu schaffen, wie er sagt. Im Interview spricht Köttler auch über endlose Busfahrten durch Franken, das Sammelfieber in der Aubstädter Kabine und den aus seiner Sicht besten Hallenfußballer.
Christian Köttler: Maximilian Stahl, mein Mitspieler beim TSV Aubstadt. Ich mag seine offene Art. Er ist als junger Neuzugang aus der Landesliga extrem lernwillig und nimmt Ratschläge an. Es freut mich, dass er sich sofort in der Mannschaft beweisen durfte. Das hat er richtig gut gemacht, bevor er sich leider verletzt hat. Das ist derzeit unser gemeinsames Schicksal. Durch den breiten Kader herrscht bei uns große Konkurrenz. Daher muss er auf seine Chance warten, wenn er fit ist. Dann traue ich ihm den Durchbruch in der Regionalliga zu.
Köttler: Mit vier Jahren habe ich beim TSV Lendershausen mit dem Kicken begonnen. Trainer war mein Vater Erich, der für den FC Zeil in der viertklassigen Landesliga gespielt hat. Mit 14 ging es für zwei Jahre zum TSV Großbardorf. Ab der U16 wurde es richtig aufwendig, als ich zur SpVgg Greuther Fürth gewechselt bin. Wir hatten in der Woche vier-, fünfmal Training und haben in der Junioren-Bundesliga in ganz Süddeutschland gespielt. Nach dreieinhalb Jahren hat mich der Trainer nicht mehr aufgestellt und mir keine Perspektive aufgezeigt. Daraufhin bin ich als A-Jugendlicher im Januar 2013 nach Aubstadt zur ersten Mannschaft gekommen, in der ich nun der dienstälteste Spieler bin. Der TSV ist mein zweiter Heimatverein geworden. Nach so langer Zeit kennt man die Zuschauer, die Helfer, das ganze Umfeld und das halbe Dorf.

Köttler: Nein. Ich wollte nicht ins Internat, sondern in meinem gewohnten Umfeld bleiben. Ich habe in Hofheim die Schule beendet und eine Ausbildung begonnen. Ein Kleinbus des Vereins fuhr die Jugendspieler aus Unterfranken am Nachmittag zum Training und spät abends wieder nach Hause. Max Schebak und Ingo Feser, die auch seit vielen Jahren in Aubstadt spielen, saßen damals mit mir im Bus. Johannes Geis, der es in die Bundesliga geschafft hat, ist dagegen von zu Hause weggegangen. Mir war der Rückhalt aus dem Elternhaus wichtiger, wenn es mal schlecht lief oder ich verletzt war.
Köttler: Ich habe die Seuche am Fuß, das ist mir so noch nie passiert. Ich hatte im Sommer eine gute Vorbereitung und wäre als Stammspieler in die Saison gegangen. Beim ersten Regionalliga-Spiel in Fürth stand ich in der Startelf, als ich beim Aufwärmen Schmerzen bekommen habe. Ein falscher Schritt, dann es hat unterhalb der Wade gestochen. Die Achillessehne war so gereizt, dass sie hätte reißen können. Bis ich wieder fit war, dauerte es vier Wochen. In dieser Zeit hatten wir einen guten Lauf und kassierten keine Gegentore. Es gab für den Trainer kein Grund, die Innenverteidiger auszutauschen. Daher musste ich auf die Ersatzbank und wurde nur zweimal eingewechselt. Vor zwei Wochen folgte dann der nächste Rückschlag. Ich laboriere aktuell an einem Muskelfaserriss an den Adduktoren und hoffe, dass ich Mitte Oktober wieder ins Training einsteigen kann.
Köttler: Die Situation ist bitter. Die Verletzungen machen mir zu schaffen, weil ich sonst wesentlich mehr Spielzeit gehabt hätte. Die Mannschaft spielt eine überragende Saison in der Spitzengruppe der Regionalliga, aber ich kann nicht mitmischen. Das knickt mich schon, doch anders als früher mache ich mich nicht verrückt und verliere nicht den Kopf. Im Laufe der Jahre bin ich erwachsener und ruhiger geworden. Der Verein steht weiter hinter mir. Ich fühle mich wertgeschätzt. Vor allem Trainer Julian Grell fühlt mit mir.

Köttler: Ich bin einer, der sich mit allen in der Mannschaft versteht und offen kommuniziert, aber ich bin keiner, der große Reden hält. Ich sehe mich als Teamplayer, der wichtig für die Stimmung in der Kabine ist und trotz der Verletzung zu den Auswärtsspielen im Bus mitfährt. Da spielt es keine Rolle, wenn ich nicht zum Einsatz komme und unzufrieden bin. Bei uns passt es auch menschlich. Dazu kommt die Mischung aus jüngeren und erfahrenen Spielern. Sonst hätten wir keinen Erfolg.
Köttler: Aubstadt ist keine Wohlfühloase. Natürlich haben wir Druck, der darin besteht, den Klassenerhalt zu schaffen. Wir gehen ja nicht nur einmal in der Woche zum Training und machen La Paloma. Wir spielen in der Regionalliga, da will und muss jeder seine Leistung bringen. Trotzdem hat der Verein ein sehr positives Umfeld. Selbst nach einem schlechten Spiel gibt es keine Vorwürfe, sondern aufmunternde Worte. Ich habe noch nie mitbekommen, dass jemand an den Pranger gestellt wurde oder als Sündenbock herhalten musste. Es überwiegt der Stolz auf viele große Spiele wie den Sieg im Pokalwettbewerb gegen den TSV 1860 München.
Köttler: Heute ist es nicht mehr möglich, eine ambitionierte Mannschaft mit Spielern aus dem Umkreis von 50 Kilometern zusammenzustellen. Mit Landesliga-Akteuren aus der Region wären wir nicht konkurrenzfähig. Ohne gestandene Regionalliga-Spieler und Talente aus Bundesliga-Leistungszentren geht es nicht. Für solche Leute muss der Verein attraktiv sein. Es ist ein Spagat, den dörflichen Charakter mit der Professionalisierung zu verbinden. Einem Neuzugang muss bewusst sein, worauf er sich einlässt. Wir haben keine drei Trainingsplätze und keinen Kunstrasen. Das Aubstädter Umfeld erdet die Spieler. Anders als bei anderen Regionalligisten sitzen wir nach dem Spiel mit den Fans im Sportheim und nicht in einem abgetrennten VIP-Raum und trinken auch mal ein Bier zusammen.
Köttler: Ich habe beim Verkaufsstart leider zu spät reagiert. Sämtliche Alben und Sammelbilder waren auf Anhieb ausverkauft. Ich warte seitdem auf eine neue Lieferung. Dann lege ich los. Bei einigen Mannschaftskollegen ist das Sammelfieber bereits ausgebrochen. In der Kabine wird fleißig getauscht.
Köttler: Ich arbeite als Produktionsplaner für verschiedene Wälzlager in der Schweinfurter Großindustrie, nachdem ich vor fünf Jahren eine weitere Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht habe. Ursprünglich hatte ich Zerspannungsmechaniker gelernt und war Industriemeister, doch der Drei-Schicht-Betrieb ließ sich auf Dauer nicht mit dem Fußball vereinbaren.
Köttler: Ich gebe ab zu Philipp Kleinhenz. Er ist ein begnadeter Techniker – der beste Hallenfußballer, den ich je gesehen habe – und eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Nach vielen Jahren in Diensten des FC 05 Schweinfurt, TSV Großbardorf und TSV Aubstadt in der Regionalliga und Bayernliga spielt Philipp nun in unserer zweiten Mannschaft in der Bezirksliga.
Das Interview-Format "Steilpass"
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