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Steilpass
"Im Tor werde ich zum Psychopathen" – Lucas Zahaczewski will nicht länger Ersatzmann sein
Als vertragsloser Fußballprofi zum Arbeitsamt? Nach dem Abstieg der SpVgg Bayreuth aus der 3. Liga steht der Keeper aus Oberthulba vor einer ungewissen Zukunft.
Lucas Zahaczewski steht im Kader der SpVgg Bayreuth, aber nur selten auf dem Feld.
Foto: IMAGO/Mladen Lackovic | Lucas Zahaczewski steht im Kader der SpVgg Bayreuth, aber nur selten auf dem Feld.
Michael Kämmerer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:33 Uhr

Lucas Zahaczewski trägt bei der SpVgg Bayreuth die Nummer 1 auf dem Rücken, doch für den Torhüter aus Oberthulba bleibt im Kader des Fußball-Drittligisten nur die Rolle des Reservisten. Das soll sich zur neuen Saison ändern – bei welchem Verein auch immer, aber mit großer Wahrscheinlichkeit in der Regionalliga. Im Interview spricht der 22-Jährige, der im Nürnberger Vorort Großgründlach wohnt, über seine ungewisse Zukunft als Profi, seinen neuen Nebenjob an einer Schule und darüber, wie es sich anfühlt, schon als Kind daheim auszuziehen.

Frage: Wer hat Sie angespielt?

Lucas Zahaczewski: Es ist ein Steilpass zwischen dem 1. FC Nürnberg und der SpVgg Greuther Fürth. Das will bei der großen Rivalität zwischen den Vereinen was heißen, doch Lukas Wenzel ist ein total netter Kerl. In der Jugend stand er beim Club im Tor und ich beim Kleeblatt. Auch für die Nachwuchsteams ist ein Derbysieg immer das Größte. Dass Lukas nach der Saison den TSV Aubstadt verlässt und zum FC 05 Schweinfurt wechselt, habe ich natürlich mitbekommen.

Torhüter unter 1,90 Metern hätten im Profibereich kaum Chancen, meint Lukas Wenzel. Wie sehen Sie das?

Zahaczewski: Größe ist wichtig, aber nicht alles. Ausstrahlung, Ballbehandlung und gute Reaktionen auf der Linie sind auch entscheidend. Ich selbst bringe es auf 1,81 Meter, weshalb ich an meiner Sprungkraft gearbeitet habe, um fehlende Zentimeter zu kompensieren. Im Spiel werde ich zum Psychopathen. Ich schreie 90 Minuten, um die Abwehr zu dirigieren und meine Konzentration hochzuhalten. Die Vorderleute finden das gut, weil sie immer wissen, wie sie auf den Gegner reagieren müssen.

Wie war Ihr Laufweg?

Zahaczewski: Da ich aus Oberthulba komme, habe ich in meinem Heimatort die ersten Schritte gemacht. Lange hat es nicht gedauert, bis der FC 05 Schweinfurt auf mich aufmerksam wurde. Mit zehn Jahren bin ich zu Greuther Fürth gewechselt und zu Gasteltern nach Nürnberg gezogen, die ein Restaurant betrieben und darüber Apartments für mehrere Nachwuchsspieler hatten. Dort konnte ich die gesamte Jugendzeit auf Kosten des Vereins wohnen. Nach zwei Jahren in der U 23 sollte ich einen Profivertrag erhalten. Dann kam Corona, und der Verein musste aufs Geld schauen. Deshalb bin ich vor drei Jahren nach Bayreuth gekommen.

In so jungen Jahren weg von zu Hause – hatten Sie als Kind kein Heimweh?

Zahaczewski: Es gab Momente, in denen es sich komisch angefühlt hat, ohne die Eltern aufzuwachsen. Bei der Gastfamilie, wo ich mit anderen Jugendfußballern zusammengelebt habe, konnte ich die Einsamkeit einigermaßen verkraften. Mancher Mitspieler konnte das nicht und hat den Verein verlassen.

Nach einem Jahr in der 3. Liga ist Bayreuth wieder abgestiegen. Wie geht es mit Ihnen weiter?

Zahaczewski: Mein Vertrag endet am 30. Juni. Der Verein würde gerne mit mir verlängern. Die Mannschaft hat am Montag erfahren, dass nach der Entlassung von Thomas Kleine in der nächsten Saison Marek Mintal der neue Trainer wird. Ich weiß nicht, ob er mit mir plant. Das werden die Gespräche in den nächsten Tagen zeigen. Ich kann mir vorstellen, in Bayreuth zu bleiben, weil der Profispielbetrieb in der Regionalliga fortgesetzt wird. Ich habe aber auch vier, fünf Angebote von anderen Regionalligisten, die unter Amateurbedingungen arbeiten.

Haben Sie Angst vor der beruflichen Zukunft?

Zahaczewski: Natürlich mache ich mir Gedanken, wie es ab 1. Juli weitergeht und ob ich dann noch als Profi mein Geld verdiene. Vielleicht muss ich mich arbeitslos melden. Da es Interesse von anderen Vereinen gibt, kann ich wieder beruhigter schlafen. Es wäre besser, wenn ich meine ganze Energie in mein Spiel stecken könnte. Aber den Mitspielern geht es genauso, auch wenn in der Kabine nicht darüber gesprochen wird.

In Bayreuth sitzen Sie seit drei Jahren auf der Bank, die letzten eineinhalb Monate sogar nur noch auf der Tribüne. Wie groß ist Ihre Lust, wieder im Tor zu stehen?

Zahaczewski: Die Anfragen aus der Regionalliga zeigen, dass ich wieder die Perspektive auf einen Stammplatz habe, auch wenn es dafür nie eine Garantie gibt. Ich bin damals nach Bayreuth gegangen, um die Nummer 1 zu werden, vor allem weil ich der Wunschkandidat des Torwarttrainers war, den ich aus Fürth kannte. Ich habe seitdem meine Leistung gebracht und trotzdem nicht gespielt. Mein Ehrgeiz ist weiterhin ungebrochen. Ich lasse mich nicht hängen und mache den Konkurrenten täglich im Training Druck.

Wie gehen Sie mit der Situation um?

Zahaczewski: Es ist hart zuzusehen, wenn die anderen spielen, weil ich weiß, dass ich es genauso kann. Dass ich zuletzt nicht mal mehr im Kader stand, kam überraschend und hat mich extrem enttäuscht. Wir haben die meisten Gegentore der 3. Liga kassiert. Ich bin froh, dass ich vergangenes Wochenende meine Chance bekommen habe und am vorletzten Spieltag gegen Borussia Dortmund II mein erstes Profispiel bestreiten durfte. Auch wenn wir 0:1 verloren haben, war ich mit meiner Leistung sehr zufrieden.

Was macht die Karriere neben der Karriere?

Zahaczewski: Nach der Mittelschule habe ich drei Jahre bei Audi gelernt und die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik abgeschlossen. Spaß hat mir der Beruf nicht gemacht, aber Greuther Fürth war es wichtig, dass ich das durchziehe. Nach der Zeit als Profi will ich eine neue Ausbildung beginnen. Seit Kurzem habe ich einen Nebenjob in der Mittagsbetreuung einer Ganztagsschule in Erlangen. Das Geld kann ich gut gebrauchen. Wenn ich nicht im Kader bin, erhalte ich nämlich keine Siegprämie. In der Regionalliga muss ich ohnehin finanzielle Abstriche machen.

Wen spielen Sie an?

Zahaczewski: Bei der SpVgg Bayreuth gibt es neben mir einen weiteren Unterfranken: Martin Thomann, der zuvor beim FC 05 Schweinfurt und TSV Aubstadt unter Vertrag stand. Letzten Sommer ist er mit einer alten Verletzung zu uns gewechselt, so dass er fast die komplette Saison ausgefallen ist und nur wenige Spiele in der 3. Liga bestreiten konnte. Martin trainiert wie ein Besessener, was sich an seinem muskulösen Körper zeigt. Ich bin gespannt, wie es für ihn in der neuen Saison weitergeht.

Das Interview-Format "Steilpass"

In unserem Interview-Format "Steilpass" übernehmen die Interviewten die Regie. Am Ende des Gespräches dürfen sie entscheiden, wer als Nächstes an der Reihe ist, von uns befragt zu werden – sie spielen also den nächsten Protagonisten oder die nächste Protagonistin an.
Quelle: cam

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