Im American Football ist die US-Profiliga NFL für Nachwuchsspieler das Ziel aller Träume. Doch der Weg dorthin ist beschwerlich und lang. Cedric Anton, der in Schweinfurt und im Poppenhausener Ortsteil Hain aufwuchs, hat es bereits ans College geschafft, wo künftige Profis ausgebildet werden. Im Interview erzählt der 20-Jährige von seinen Anfängen in der Heimat und gibt Einblicke in die Welt des American Footballs in den USA.
Cedric Anton: Der Pass kommt von Gerald Zettner, dem Eishockey-Sportleiter der Mighty Dogs Schweinfurt. Er hat den Tipp für die Nominierung von seinem Sohn bekommen. Moritz Zettner ist mein alter Schulfreund. Wir stehen bis heute regelmäßig in Kontakt, auch wenn ich seit drei Jahren in den USA lebe. Passend dazu war Eishockey meine erste Kontaktsportart, die ich in der Jugend des ERV Schweinfurt ausgeübt habe.
Anton: Ich war schon immer sportlich und habe vieles ausprobiert: Eiskunstlauf, Turnen, Kung-Fu, Schwimmen, Fußball und Handball. Ich habe aber nichts gefunden, was mir so gut gefallen hat, dass ich es für immer machen wollte. Durch Zufall bin ich zum American Football gekommen, als sich auf dem Schweinfurter Marktplatz alle Sportvereine präsentiert haben. Mir wurde ein Ball zugeworfen, den ich gefangen habe. So hat mit zwölf Jahren meine Karriere als Quarterback bei den Schweinfurt Gladiators in der Spielgemeinschaft mit den Würzburg Panthers begonnen. Der Sport war eine Notlösung, weil meine Eltern verhindern wollten, dass ich mich sinnlos in der Stadt herumtreibe.
Anton: Mit 15 bin ich auf ein Sportinternat in Paderborn gewechselt, eine Kaderschmiede für Deutschlands Football-Talente. Dort habe ich Jugend-Bundesliga gespielt, mit der Auswahl Nordrhein-Westfalens die deutsche Meisterschaft gewonnen und wurde Tight End, weil meine Leistungen für die Quarterback-Position nicht ausgereicht haben. Das hat sehr an mir genagt, aber nichts an meiner Vision geändert, in die weite Welt hinauszukommen. Der nächste Schritt war die Highschool Rabun Gap im US-Bundesstaat Georgia. Im Sommer 2020 saß ich trotz Corona und Reisebeschränkungen im Flieger nach Amerika. Highschool-Football ist die beste Basis fürs College.
Anton: In den zwei Jahren an der Highschool habe ich ein Dutzend Angebote von Colleges erhalten. Die Trainer haben mir von Hand Briefe geschrieben, dass sie mich in ihrem Team haben wollen. Die Eastern Michigan University in der Nähe von Detroit war die Schule, die mir das beste Gefühl gegeben hat. Dort hat man Erfahrung mit Spielern aus Europa. Seit Januar bin ich in Michigan, wo ich vier bis fünf Jahre bleiben darf, um Football zu spielen und zu studieren. Der Leistungsdruck ist hoch, die Konkurrenz riesig. Wir sind 110 Leute im Team. In der ersten Saison, die im September beginnt, werde ich nicht viel spielen. Ich muss erst auf das College-Niveau kommen. Ich habe viel weniger Erfahrung als die Amerikaner, die deutlich früher mit Football angefangen haben.
Anton: Aus Deutschland schaffen es jedes Jahr nur drei bis fünf Footballspieler aufs College. Bei jedem Angebot ist die Euphorie riesig. Es geht zu wie auf einem Viehmarkt: Wer ist der Größte? Wer ist der Schwerste? Wer ist der Stärkste? Wer ist der Schnellste? Man muss sich gut verkaufen. Die Schulen machen es genauso. Du bekommst bei der Besichtigung des Colleges ein Wochenende lang die Füße geküsst, wirst eingeflogen, bekommst alles bezahlt. Beim Antrittsbesuch in Michigan wurde ich mit meinen Eltern wie ein Star von den Trainern empfangen, die vor dem Eingang Spalier standen. Für meine Mutter waren die Eindrücke so überwältigend, dass sie angefangen hat zu weinen. In dem Moment wusste ich, das war die richtige Entscheidung.
Anton: In der höchsten College-Liga sind die Chancen am größten, in vier bis fünf Jahren einen NFL-Vertrag zu bekommen. Keine andere Nachwuchsliga erhält so große Aufmerksamkeit. Die Stadien fassen 20.000 bis 30.000 Leute. Die Spiele laufen im Fernsehen. Am College werden bereits Stars gemacht. Gerade haben wir ein Trainingscamp, bei dem jeden Tag NFL-Trainer anwesend sind und sich die Spieler anschauen. Auch wenn ich an der Highschool der Überflieger war, bin ich als Neuling am College nur einer von vielen. Allein auf meiner Position gibt es sieben Konkurrenten um drei Plätze in der Aufstellung.
Anton: Als Tight End schütze ich durch Blocken der gegnerischen Defensive meinen Quarterback und fange als Passempfänger Bälle. Es ist ein Mix aus zwei Offensivpositionen. Dafür muss ich groß und kräftig sein, aber gleichzeitig flink und ballsicher. Anfangs war ich zu leicht und körperlich zu schwach, so dass mich der Gegner herumgeworfen hat. Daher habe ich Kraft und Masse aufgebaut. Mit 112 Kilo und 1,88 Metern bin ich in guter Verfassung.
Anton: Durch den Vollkontakt ist es eine Risikosportart. Auf meinem Niveau sind wir aber extrem trainiert, so dass uns die Muskeln schützen. Zudem haben wir eine gute Technik und Ausrüstung. So sind die Verletzungen nicht gravierender als in anderen Sportarten. Man darf nicht bei jedem Wehwehchen aussetzen. Ich habe mir mal die Schulter ausgekugelt und trotz starker Schmerzen die Saison durchgespielt, weil ich nichts verpassen wollte. Unsere größte Sorge sind Kopfaufprälle, die zu Gehirnerschütterungen führen. Bei mehreren in kurzer Zeit wird es gefährlich. Aufgrund von Studien, die Spätfolgen bei Footballspielern nachgewiesen haben, nehmen die Verantwortlichen das Thema sehr ernst. Wir haben in den Helmen Sensoren, die bei zu starkem Kontakt anschlagen. Dann geht es zum Arzt. Bei einer Gehirnerschütterung muss der Spieler mehrere Wochen aussetzen und ein Rehabilitationsprogramm durchlaufen.
Anton: Ich habe wegen meiner Leistungen im Football ein Stipendium der Universität. Somit habe ich keine Sorgen und kann mich voll auf den Sport konzentrieren. Sonst müsste ich im Jahr 20.000 bis 30.000 Dollar Studiengebühren zahlen, was ich mir nicht leisten könnte. Ich bekomme im ersten Jahr eine kleine Wohnung gestellt, kann kostenlos in der Mensa essen und erhalte ein Taschengeld von 400 Dollar im Monat; später sind es sogar 1900 Dollar. Das ist an allen Colleges identisch.
Anton: An der Eastern Michigan University komme ich jetzt ins zweite Semester. Im ersten Studienjahr besuche ich Grundkurse. Ab dem zweiten Jahr muss ich mich spezialisieren. Wahrscheinlich wähle ich als Hauptfach Betriebswirtschaft und Psychologie im Nebenfach. Das will ich unbedingt durchziehen und meine Abschlüsse machen, auch wenn der Fokus auf Football liegt. Ich habe an keinem Tag frei, alles ist von morgens um 6 Uhr bis abends um 21 Uhr durchgetaktet. Wenn die Noten zu schlecht sind, darf ich nicht trainieren. Solange ich im Football-Team bin, darf ich kostenlos studieren. Ich bin nicht der größte Freund von Plan B. Ich sage, ich muss Plan A möglich machen und es in die NFL schaffen.
Anton: Ich gebe ab vom Football zum Fußball und werfe den Ball aus den USA 7000 Kilometer zurück nach Deutschland zu Nico Stephan, der ihn als Torhüter des FC 05 Schweinfurt mit Sicherheit gut fängt. Wir kennen uns über die Dorfjugend in Poppenhausen. Auch er ist als Jugendlicher für seinen Sport von zu Hause weggegangen, um bei Erzgebirge Aue zu spielen.
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