Sein Herz schlägt grün-weiß: Vladimir Slintchenko hat als Jugendlicher dem FC 05 Schweinfurt im Stadion zugejubelt, als Spieler jahrelang das Trikot getragen und später in der Geschäftsstelle gearbeitet. Im Interview spricht der 35-Jährige über seine Zeit im Fanblock, die schwierige Suche nach Sponsoren und darüber, warum er niemals zu den Würzburger Kickers gewechselt wäre.
Vladimir Slintchenko: Als Defensivspieler muss ich selten Steilpässe erlaufen, aber das Interview-Zuspiel von Martin Thomann nehme ich gerne an. Beim FC 05 Schweinfurt habe ich nur ein Jahr mit ihm zusammengespielt, weil er aus der Jugend kam und mein Weg nach der Saison woanders hinführte. Schon damals hat mich sein unvergleichlicher Ehrgeiz beeindruckt, der ihn zur SpVgg Bayreuth in die Dritte Liga gebracht hat. Ich hoffe, er bleibt nach seinem Wechsel zum TSV Aubstadt endlich verletzungsfrei.
Slintchenko: Wie bei so vielen, die später höherklassig gespielt haben, war die FT Schweinfurt mein erster Verein. Der Anruf des FC 05 kam in der D-Jugend. Bei den Schnüdeln hatte ich eine sehr gute Zeit. Wir waren der erfolgreichste Jahrgang der Vereinshistorie, wurden zweimal Bayernliga-Meister und sind in die höchste Jugendspielklasse aufgestiegen. Bei den Herren musste ich zunächst in der zweiten Mannschaft spielen, so dass ich kurz davor war, zu den Turnern zurückzukehren. Ich bin geblieben, was die beste Entscheidung meiner Karriere war. Der neue Trainer Werner Dreßel war ein großer Förderer junger Spieler. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich nie in der Bayernliga gespielt.
Slintchenko: Das letzte Jahr vor dem Wechsel war schwierig. Ich hatte mit dem Pfeifferschen Drüsenfieber zu kämpfen und meinen Stammplatz als Innenverteidiger verloren. Hinzu kam, dass ich durch mein Studium in Würzburg nach Schweinfurt zum Training gependelt bin. Es war mit dem Aufstieg in die Regionalliga an der Zeit, etwas Neues zu probieren. Die Anfrage des Würzburger FV kam genau richtig, wo ich zwei tolle Jahre hatte, ehe ich nach dem Studienabschluss wieder nach Schweinfurt gezogen und zum aufstrebenden SV Euerbach/Kützberg gegangen bin. Seit 2018 bin ich Spielertrainer der SG Dittelbrunn.
Slintchenko: Ich war einige Zeit in der Fanszene des FC 05 aktiv. Als ich mit 13 Jahren in den Verein kam, sind die Profis in die Zweite Liga aufgestiegen. Ich habe jedes Heimspiel verfolgt und war selbst in der Regionalliga auswärts dabei. Durch die Fanfeindschaft zu den Kickers wurde ich früh geprägt, so dass ein Wechsel dorthin nie denkbar gewesen wäre. Das hätten mir die Anhänger krummgenommen.
Slintchenko: Das Gemeinschaftsgefühl unter den Fans hat mich angezogen. Als junger Kerl habe ich Choreografien auf der Gegengerade organisiert und bin mit den anderen in die Provinz gefahren, etwa nach Pfullendorf, wo es nicht mal einen Hauptbahnhof gab. Die Schweinfurter Fanszene ist ein bisschen rauer. Gewisse Dinge wie das Abbrennen von Pyrotechnik fand ich schon damals kritisch, wenn man sieht, welche Geldstrafen das für den Verein nach sich zieht. Als Spieler weiß man aber, was es bedeutet, wenn der Fanblock hinter dir steht. Diese Unterstützung ist unbeschreiblich.
Slintchenko: Ich bin in Kiew geboren und als kleines Kind mit meinen Eltern nach Deutschland gekommen. Der Krieg in der Ukraine belastet uns sehr. Wir haben regelmäßig Verwandte zu Gast. Frauen und Kinder, die noch ausreisen dürfen, nehmen wir bei uns auf. Was sie uns berichten, geht unter die Haut. Der Lebensgefährte meiner Tante ist von einer Kugel getroffen worden und hat nur überlebt, weil er sein Handy in der Brusttasche hatte. Da abends immer die Sirenen aufheulen, schläft mein Cousin nur noch in der Badewanne.
Slintchenko: In den letzten dreieineinhalb Jahren war ich Marketingleiter des FC 05, habe mich vor allem um die Akquise und Betreuung der Sponsoren gekümmert. Es war eine der hauptamtlichen Stellen, die geschaffen wurden, um die Strukturen für die Dritte Liga aufzubauen. Als klar war, dass ab Sommer der Weg unter Profibedingungen nicht weitergeht und die Geschäftsstelle verkleinert wird, konnte ich mich frühzeitig um einen neuen Job kümmern. Seit Juni arbeite ich im Vertrieb einer Agentur für Online-Marketing.
Slintchenko: Während meiner Zeit hat Corona alles verkompliziert. Eine ganze Saison ist ausgefallen, und ohne Spiele keine Werbeleistung. Trotzdem konnten wir die Sponsoren annähernd zusammenhalten. Danach kamen die Energiekrise und der Ukraine-Krieg, was bei den Unternehmen zu neuen Problemen geführt hat. Dass in dieser Situation Marketingbudgets gestrichen werden, ist völlig normal. Markus Wolf als Hauptsponsor muss man zugutehalten, dass er dem Verein seit so vielen Jahren treu ist. Das wirtschaftliche Potenzial für die Dritte Liga wäre ohne Weiteres vorhanden, wenn die Großindustrie den FC 05 unterstützen würde, doch die Konzernzentralen befinden sich nicht in Schweinfurt, so dass die Entscheider keinen Bezug zum Fußball in der Stadt haben.
Slintchenko: Neid ist das falsche Wort. An den Kickers sieht man, was nach einiger Zeit im Profifußball möglich ist, in der sich eine neue Fanbasis gebildet hat. Unser Problem ist: Wir spielen seit Jahren in der gleichen Liga gegen überwiegend die gleichen Mannschaften. Natürlich war die Saison auf den Rängen auch ein Abbild der sportlichen Entwicklung. Die neue regionale Kaderzusammenstellung macht mir Hoffnung, dass sich wieder mehr Zuschauer mit der Mannschaft identifizieren.
Slintchenko: Zwischenzeitlich sah es für den FC 05 wirklich kritisch aus, aber mit dem Trainerwechsel im Frühjahr hat sich angedeutet, dass die Saison einen positiven Ausgang nimmt. Der Erfolg mit Dittelbrunn kam dagegen überraschend, die Freude war ausgelassener. Als Spielertrainer hatte ich im Vergleich zu meiner Tätigkeit beim FC 05 mehr Einfluss auf das sportliche Geschehen.
Slintchenko: Wir sind in die Relegation gekommen, weil Sömmersdorf/Obbach/Geldersheim auf Platz drei verzichtet hat. Im Jahr zuvor haben wir als Vizemeister beide Entscheidungsrunden verloren und sind nicht aufgestiegen. Mal profitiert man und mal nicht. Ich bin Freund einer schlanken Relegation, ein Spiel – alles oder nichts. Das macht den Reiz aus, hält die Belastung für die Mannschaften in Grenzen und sorgt für mehr Zuschauer, als wenn das Ganze über mehrere Spiele in die Länge gezogen wird.
Slintchenko: Wir finden immer einen Konsens und stehen ständig im Austausch. Wir schreiben uns täglich. Wären wir immer einer Meinung, würde etwas falsch laufen. Das Entscheidende ist: Wir haben die gleichen Vorstellungen vom Fußball. Deshalb funktioniert es so gut. Die Kreisliga ist der größte Erfolg der Dittelbrunner Fußballer, die in einem Verein mit mehreren starken Abteilungen wieder mehr im Fokus stehen.
Slintchenko: Ich gebe ab an Semjon Bär, den Kapitän und Publikumsliebling der Mighty Dogs Schweinfurt. Wenn die Eishockey-Saison Pause hat, spielt er in Dittelbrunn Fußball und weiß als Verteidiger, mit dem Leder umzugehen. Vor zwei Jahren hat er beim Training vorbeigeschaut und sich auf Anhieb bewährt.