Er ist ehrgeizig, er ist gradlinig und er ist seit 100 Tagen Cheftrainer des TSV Aubstadt in der Fußball-Regionalliga Bayern: Julian Grell. Der 37-Jährige kennt den Klub aus seiner Zeit als Spieler in- und auswendig, schließlich führte er ihn als Kapitän vor vier Jahren zur Meisterschaft in der Bayernliga Nord und in die Viertklassigkeit.
Die Startbilanz des TSV Aubstadt unter Julian Grell kann sich sehen lassen: Von elf Spielen wurden sieben gewonnen, 23 Punkte, Platz 4. Im Gespräch erklärt Grell, warum ihn der gute Saisonbeginn nicht überrascht hat, wieso ihm die jüngste 0:5-Schlappe beim FC Augsburg II im Nachhinein gar nicht ungelegen kam und weshalb der FC Bayern München II als Gegner an diesem Samstag ideal ist.
Julian Grell: Ich bin mittlerweile ganz glücklich darüber, dass uns das in dieser Härte widerfahren ist. Es gibt nach so einem Spiel keine Ausreden, sondern man kann es im Gegenteil knallhart analysieren. Das haben wir beim Training am Dienstag in aller Deutlichkeit getan. Diese Niederlage war durchaus wichtig für uns, weil sich in den letzten Wochen eine gewisse Zufriedenheit und Trägheit eingeschlichen hatte. Wir können aus diesem 0:5 Kraft und Energie ziehen und es nutzen, um in den kommenden Spielen wieder erfolgreich zu sein. In Augsburg haben wir alle Fehler gemacht: wir Trainer und die Spieler. Keiner kann sich aus der Verantwortung herausnehmen, wir haben im Kollektiv versagt.
Grell: Von uns Trainern kommt ja der Matchplan, also zum Beispiel die Vorgaben an die Spieler, auf welcher Höhe sie die Gegner anlaufen und wie sie aufbauen sollen. Davon wurde wenig umgesetzt beziehungsweise konnte umgesetzt werden. Insofern lag der Fehler schon vor dem Spiel bei uns. Das während der laufenden Partie zu korrigieren, war so gut wie unmöglich, weil wir von einem Rückschlag in den nächsten geraten sind. Aber: Es war kein Spieler dabei, der nicht wollte. Es ging halt einfach nicht. Positiv war, dass sich in der zweiten Halbzeit keiner aufgegeben hat, sondern wir es geschafft haben, das Ergebnis dieses schon verlorenen Spiels erträglich zu gestalten. Das spricht für den Charakter der Jungs.
Grell: Nein, das nicht. Ich hatte das Glück, dass mich auf meinem eigenen Weg als Fußballer immer hervorragende Trainer begleitet haben, am Schluss mit Josef Francic jahrelang der beste. Davon habe ich profitiert, konnte vieles übernehmen und mit eigenen Ideen verbinden. Diese Aufgabe ist eine Hausnummer, das ist mir bewusst. Aber ich spüre das Vertrauen des Vereins und es ist ja auch nicht so, dass ich alles alleine mache. Ich habe um mich herum ein unglaubliches Trainerteam mit den beiden Co-Trainern Alexander Sarwanidi und Martin Schendzielorz, den Torwarttrainern Christian Mack und Julian Schneider, Athletiktrainer Kilian Kuhn sowie Jan Schneider, der für uns die Spielanalyse macht. Das ermöglicht mir, Job, Familie und Fußball unter einen Hut zu bekommen.
Grell: Wir tauschen uns regelmäßig aus, besprechen zum Beispiel, wie wir mit unzufriedenen Spielern umgehen sollen oder solchen, die vielleicht gerade in einem Formtief stecken. Das erleichtert mir die Arbeit extrem.
Grell: Na klar. Erfolg ist die Grundlage dafür, Selbstbewusstsein zu entwickeln und zu wachsen. Er hat uns allen gutgetan, gerade nach dem Abstiegskampf in der Vorsaison und der Zoll-Razzia. Das Besondere an Regionalliga-Fußball in Aubstadt ist ja nicht die Mannschaft, sondern was der Verein und die ganzen Ehrenamtlichen Woche für Woche leisten. Ich bin stolz darauf, diesen Klub als Trainer zu repräsentieren.
Grell: Ich war ja Kapitän der Aufstiegsmannschaft und es war längst mein Ziel, selbst Trainer zu werden. Deshalb habe immer darauf geachtet, voranzugehen: ob beim Auslaufen oder bei der Vorbereitung auf wichtige Begegnungen. Das wissen diejenigen, mit denen ich zusammengespielt habe. Deswegen, denke ich, kann ich meine Vorstellungen glaubwürdig durchsetzen. Die Vergangenheit spielt bei meinen Entscheidungen keine Rolle. Die Ergebnisse, das 0:5 in Augsburg mal ausgenommen, zeigen ja, dass es uns gelungen ist, alle aus dem Kader mitzunehmen und ihnen zu zeigen, dass sie gebraucht werden.
Grell: Wir alle sind extrem ehrgeizig und ich bin hier angetreten, um etwas zu erreichen. Das Wichtigste ist, dass der Verein stabil dasteht und die Klasse hält. Das ist die Basis, alles andere wird die Zeit zeigen. Auch, wohin die Entwicklung geht. Aufgrund der Qualität im Kader überrascht mich unsere aktuelle Situation nicht. Ich habe ja versprochen, dass wir immer eine Mannschaft aufbieten werden, die auf dem Platz alles gibt. Diesem Anspruch sind wir bis jetzt immer gerecht geworden – außer gegen Augsburg. An diesem Versprechen lasse ich mich messen. Unser Weg muss aber sein, dass wir noch stabiler werden und Rückschläge besser verkraften.
Grell: Ja, ist sie. Ich hatte als Trainer noch nie diese Möglichkeit, Spieler einzuwechseln, die eine Partie dermaßen verändern können. Das bedeutet natürlich auch und gehört in diesem Leistungsbereich dazu, dass mal einer, der in einer guten Verfassung ist, auf die Bank muss. Damit solche Entscheidungen akzeptiert werden, müssen sie ehrlich und authentisch begründet werden.
Grell: Am liebsten mag ich richtige Entscheidungen. Eine mutige Entscheidung, die nach hinten losgeht, war eine falsche.
Grell: Wir wollen unseren Verein widerspiegeln. Ich lege Wert auf einen großen Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft. Und ich fordere von den Spielern Leidenschaft ein, damit sich die Menschen im Klub, alle unsere Ehrenamtlichen mit der Mannschaft identifizieren können. Das ist mir wichtiger als vielleicht mal eine in letzter Minute gewonnene Partie. Beim Fußball ist man nicht zwingend erfolgreich, wenn man 80 Prozent Ballbesitz hat. Wir wollen aggressiv sein und die Zuschauer begeistern. Ob wir dann mit langen Bällen oder Kurzpass-Spiel zum Erfolg kommen, ist mir egal.
Grell: Die Mischung macht es. Gegen einen fußballerisch überlegenen Gegner müssen wir unsere Chancen im Umschaltspiel suchen. Gegen einen Gegner, der sich zurückzieht und auf Konter lauert, braucht es Lösungen im Ballbesitz. Ich halte es für einen Fehler, auch bei wirklich guten Mannschaften, wenn es keinen Plan B gibt.
Grell: Die Basis erfolgreichen Fußballs, egal ob man gut oder schlecht spielt, ist die Defensive. Zuletzt haben wir zu einfache Gegentore gefangen, deshalb haben wir in den letzten Tagen den Fokus vermehrt auf die Abwehrarbeit gelegt. Also, lieber 1:0.
Grell: FC Bayern, absolut.
Grell: Nein. So schön es auch ist, aktuell in dieser Situation zu sein und die Resonanz zu spüren. Ich bin davon überzeugt, dass es der sinnvollste Weg ist, sich unter der Woche immer nur auf die kommende Begegnung zu konzentrieren. Ich bin so froh, dass wir nach der enttäuschenden Leistung von Augsburg jetzt gegen die Bayern-Amateure spielen dürfen. Das ist für uns der beste Gegner, gegen den wir jetzt spielen können. Und am Samstag in einer Woche ist für uns der FC 05 Schweinfurt der beste Gegner, den wir haben können. Denn das bedeutet, dass keiner auch nur irgendeine Sekunde lang den Fuß vom Gas nehmen kann. Nein, das wird nicht passieren.