Sehr geehrter Bernd Freier,
es war 1969, als Sie ein Unternehmen begannen, das heute eine wesentliche Rolle spielt in der global tätigen Wirtschaft Mainfrankens. Ihnen wird zu Recht nachgesagt, dass Sie s.Oliver mit einer Mischung aus gewieftem Kaufmannsgespür, energiegeladener Beharrlichkeit und ausgeprägter Arbeitsfreude zu etwas Großem gemacht haben. Über s.Oliver sprach man in der Region jahrelang wohlwollend. Keine Frage: Das ist Ihr Verdienst, dafür gebührt Ihnen Respekt.
Doch seit geraumer Zeit hält sich der Eindruck, dass Ihnen Ihr Modekonzern entgleitet. Es herrscht seit Jahren ein Hin und Her auf den Führungsposten. Das vor wenigen Tagen in der überraschenden Nachricht gipfelte, dass nach nur einem Jahr auch Jürgen Otto den Chefsessel verlässt.
Ausgerechnet Otto, auf den Sie besonders große Stücke halten, wie man hört - erst recht nach dem Scherbenhaufen, den sein Vorgänger Claus-Dietrich Lahrs hinterließ. Ausgerechnet Otto, der sich einen Namen als Sanierer gemacht hat. Ausgerechnet Otto, der es vor allem in seiner langen Zeit beim Coburger Autozulieferer Brose geschafft hat, mit einem Firmenpatriarchen Ihres Zuschnitts klarzukommen. Denn wie Sie, Herr Freier, gilt der 76-jährige Brose-Patriarch Michael Stoschek als unberechenbarer, zu harschen Reaktionen neigender Firmenlenker.
Warum konnte s.Oliver den Manager Jürgen Otto nicht halten?
Hinter vorgehaltener Hand wird in der s.Oliver-Zentrale in Rottendorf erzählt, dass Sie mit Jürgen Otto außerordentlich eng zusammengearbeitet haben. Bei so viel überraschender Harmonie stellt sich die Frage: Warum halten Sie Jürgen Otto nicht?
Die Antwort könnte sein: Er hatte immer nur das Ziel vor Augen, s.Oliver wieder auf eine gute Spur zu bringen. Das ist ihm nach nur einem Jahr dem Vernehmen nach gelungen. Mission erledigt, also zieht er weiter.
Eine Antwort wäre auch: Für Otto war s.Oliver letztendlich zu klein. 4700 Beschäftigte insgesamt, darunter 1300 in Rottendorf – da sind die bayerischen Autozulieferer Brose mit 32.000 und Dräxlmaier mit 74.000 Mitarbeitenden ganz andere Kaliber, für die Otto zuvor in führenden Positionen tätig war. Und Adressen, die wahrscheinlich mehr bezahlen.
Ganz abgesehen davon, dass Ihr scheidender Geschäftsführer keinen Hehl daraus macht, dass ihm die Auto- und Maschinenbaubranche nach wie vor am Herzen liegt. Im Gegensatz zu Lahrs und dessen Vorgängern war Otto nie ein Mode-Manager in der turbulenten Branche.
Bernd Freier, Sie müssen nicht ans Steuer. Sie wollen es unbedingt!
Jetzt geht er, und Sie müssen wieder einmal ans Steuer.
Aber was heißt "müssen"? Sie werden es unbedingt wollen! Denn nachdem Sie sich im November 2019 in den Ruhestand verabschiedet hatten, behielt sich Lahrs per Vertrag vor, dass Sie sich aus dem operativen Geschäft herauszuhalten haben. Er soll Ihnen deswegen sogar den Zutritt zur s.Oliver-Zentrale explizit verboten haben.
Doch Sie haben gut zwei Jahre später gezeigt: Ein Bernd Freier wäre kein Bernd Freier, wenn er sein Lebenswerk nicht mit Klauen und Zähnen verteidigen würde. Das taten Sie, jagten Ihren einstigen Wunschkandidaten Lahrs vom Hof, weil er Ihren energischen Forderungen vom Gegensteuern nicht gerecht wurde.
Als die s.Oliver-Belegschaft liebevoll applaudierte
Unter anderem 174 Millionen Euro Verlust in 2022 und der schlagzeilenträchtige Abbau von 370 Arbeitsplätzen in Rottendorf fallen in die Ära von Lahrs. Andererseits auch die lange von Ihnen unterdrückte Wahl eines Betriebsrates sowie der Bau des Logistikzentrums in Dettelbach, das s.Oliver vor allem bei strafferen Abläufen und bei der Digitalisierung voranbringen soll. So schlecht klingt das nicht.
Herr Freier, Ihr Name ist und bleibt untrennbar mit s.Oliver verbunden. Wie intensiv das offenbar in Ihrer Belegschaft, in den Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, verankert ist, zeigte zum Beispiel die 50-Jahr-Feier Ihres Unternehmens 2019 auf dem Flugplatzgelände in Giebelstadt bei Würzburg. Als Sie dort vor gut 2000 Gästen auf die große Bühne gerufen wurden, brandete ein geradezu liebevoller Applaus Ihrer Beschäftigten auf. Er zeigte: Bernd Freier, Du bist unser Übervater.
Kein Wunder, denn wie schillernd war s.Oliver einst dank Ihres Umtriebes etwa im Sponsoring. Nicht nur Würzburgs größte Sportarena hatte den Namen Ihres Unternehmens. Auch Boxlegende Wladimir Klitschko, die Würzburger Bundesliga-Basketballer oder die Fußball-Granden Bayern München und Borussia Dortmund trugen Ihr Logo. Alles vorbei.
Sie, Herr Freier, haben binnen weniger Jahre in Ihrem Familienunternehmen gut und gerne ein halbes Dutzend Führungskräfte verschlissen. Das Kommen und Gehen macht bis heute deutlich, dass Sie eine zweifelhafte Unruhe haben bei dem Bemühen, Ihr Schiff auf Kurs zu halten. Welcher Kapitän kann es Ihnen eigentlich recht machen?
Sehr geehrter Herr Freier, bleiben Sie Übervater von s.Oliver. Aber finden Sie zügig eine sattelfeste Lösung, wer Ihren Konzern lenkt. Und lassen Sie dann los. Endgültig. Ansonsten ist zu befürchten, dass Ihr Modeunternehmen einmal nicht mehr zentral zu Mainfrankens internationaler Wirtschaft gehört.
Einen gesunden Ruhestand wünscht Ihnen
Jürgen Haug-Peichl, Redakteur
Mit freundlichen Grüßen,
Jürgen Haug-Peichl
Redakteur
Main-Post
97084 Würzburg
Herr Freier ist kein Träger öffentlicher Belange, von dem man erwarten kann, dass er sich in irgendeiner Weise rechtfertigen oder zumindest erklären sollte.
Er ist ein Unternehmenspatriarch, der sein eigenes Königreich regiert, und im Rahmen der Gesetze tun und lassen kann was er will. Wie er es tut, kann man gut oder schlecht finden.
Ihn in der Zeitung allerdings öffentlich zu kommentieren ist allerdings schon ein wenig übergriffig.
Außerdem hätte man dann wirklich viel zu tun, denn solche privatwirtschaftliche Unternehmer wie Herrn Freier gibt es viele, große wie kleine, bei wem fängt man an, und wo hört man auf?