zurück
Rottendorf
Samstagsbrief: Wohin steuern Sie Ihren Modekonzern s.Oliver, Bernd Freier?
Gerade brachte ein Chefwechsel den Modekonzern s.Oliver mal wieder in die Schlagzeilen. Firmengründer Bernd Freier hat nun eine besondere Pflicht, meint unser Autor.
Eigentlich längst im Ruhestand – und mischt doch intensiv mit: Bernd Freier, 77 Jahre alter Gründer des Rottendorfer Modekonzerns s.Oliver. Das Foto des öffentlichkeitsscheuen Firmenpatriarchen stammt aus dem Jahr 2009.
Foto: Frank Ossenbrink (Archivbild) | Eigentlich längst im Ruhestand – und mischt doch intensiv mit: Bernd Freier, 77 Jahre alter Gründer des Rottendorfer Modekonzerns s.Oliver. Das Foto des öffentlichkeitsscheuen Firmenpatriarchen stammt aus dem Jahr 2009.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 04.04.2024 02:48 Uhr

Sehr geehrter Bernd Freier,

es war 1969, als Sie ein Unternehmen begannen, das heute eine wesentliche Rolle spielt in der global tätigen Wirtschaft Mainfrankens. Ihnen wird zu Recht nachgesagt, dass Sie s.Oliver mit einer Mischung aus gewieftem Kaufmannsgespür, energiegeladener Beharrlichkeit und ausgeprägter Arbeitsfreude zu etwas Großem gemacht haben. Über s.Oliver sprach man in der Region jahrelang wohlwollend. Keine Frage: Das ist Ihr Verdienst, dafür gebührt Ihnen Respekt.

Doch seit geraumer Zeit hält sich der Eindruck, dass Ihnen Ihr Modekonzern entgleitet. Es herrscht seit Jahren ein Hin und Her auf den Führungsposten. Das vor wenigen Tagen in der überraschenden Nachricht gipfelte, dass nach nur einem Jahr auch Jürgen Otto den Chefsessel verlässt.

Ausgerechnet Otto, auf den Sie besonders große Stücke halten, wie man hört - erst recht nach dem Scherbenhaufen, den sein Vorgänger Claus-Dietrich Lahrs hinterließ. Ausgerechnet Otto, der sich einen Namen als Sanierer gemacht hat. Ausgerechnet Otto, der es vor allem in seiner langen Zeit beim Coburger Autozulieferer Brose geschafft hat, mit einem Firmenpatriarchen Ihres Zuschnitts klarzukommen. Denn wie Sie, Herr Freier, gilt der 76-jährige Brose-Patriarch Michael Stoschek  als unberechenbarer, zu harschen Reaktionen neigender Firmenlenker.

Warum konnte s.Oliver den Manager Jürgen Otto nicht halten?

Hinter vorgehaltener Hand wird in der s.Oliver-Zentrale in Rottendorf erzählt, dass Sie mit Jürgen Otto außerordentlich eng zusammengearbeitet haben. Bei so viel überraschender Harmonie stellt sich die Frage: Warum halten Sie Jürgen Otto nicht?

Die Antwort könnte sein: Er hatte immer nur das Ziel vor Augen, s.Oliver wieder auf eine gute Spur zu bringen. Das ist ihm nach nur einem Jahr dem Vernehmen nach gelungen. Mission erledigt, also zieht er weiter.

Eine Antwort wäre auch: Für Otto war s.Oliver letztendlich zu klein. 4700 Beschäftigte insgesamt, darunter 1300 in Rottendorf – da sind die bayerischen Autozulieferer Brose mit 32.000 und Dräxlmaier mit 74.000 Mitarbeitenden ganz andere Kaliber, für die Otto zuvor in führenden Positionen tätig war. Und Adressen, die wahrscheinlich mehr bezahlen.

Ganz abgesehen davon, dass Ihr scheidender Geschäftsführer keinen Hehl daraus macht, dass ihm die Auto- und Maschinenbaubranche nach wie vor am Herzen liegt. Im Gegensatz zu Lahrs und dessen Vorgängern war Otto nie ein Mode-Manager in der turbulenten Branche.

Bernd Freier, Sie müssen nicht ans Steuer. Sie wollen es unbedingt!

Jetzt geht er, und Sie müssen wieder einmal ans Steuer.

Aber was heißt "müssen"? Sie werden es unbedingt wollen! Denn nachdem Sie sich im November 2019 in den Ruhestand verabschiedet hatten, behielt sich Lahrs per Vertrag vor, dass Sie sich aus dem operativen Geschäft herauszuhalten haben. Er soll Ihnen deswegen sogar den Zutritt zur s.Oliver-Zentrale explizit verboten haben.

Doch Sie haben gut zwei Jahre später gezeigt: Ein Bernd Freier wäre kein Bernd Freier, wenn er sein Lebenswerk nicht mit Klauen und Zähnen verteidigen würde. Das taten Sie, jagten Ihren einstigen Wunschkandidaten Lahrs vom Hof, weil er Ihren energischen Forderungen vom Gegensteuern nicht gerecht wurde.

Als die s.Oliver-Belegschaft liebevoll applaudierte

Unter anderem 174 Millionen Euro Verlust in 2022 und der schlagzeilenträchtige Abbau von 370 Arbeitsplätzen in Rottendorf fallen in die Ära von Lahrs. Andererseits auch die lange von Ihnen unterdrückte Wahl eines Betriebsrates sowie der Bau des Logistikzentrums in Dettelbach, das s.Oliver vor allem bei strafferen Abläufen und bei der Digitalisierung voranbringen soll. So schlecht klingt das nicht.

Herr Freier, Ihr Name ist und bleibt untrennbar mit s.Oliver verbunden. Wie intensiv das offenbar in Ihrer Belegschaft, in den Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, verankert ist, zeigte zum Beispiel die 50-Jahr-Feier Ihres Unternehmens 2019 auf dem Flugplatzgelände in Giebelstadt bei Würzburg. Als Sie dort vor gut 2000 Gästen auf die große Bühne gerufen wurden, brandete ein geradezu liebevoller Applaus Ihrer Beschäftigten auf. Er zeigte: Bernd Freier, Du bist unser Übervater.

Brachte s.Oliver auch im Sport-Sponsoring groß raus: Firmengründer Bernd Freier, hier 2018 mit dem damaligen Würzburger Basketballprofi Gabe Olaseni (rechts). Der Bundesligaverein hieß damals noch s.Oliver Würzburg, heute bekannt als Würzburg Baskets.
Foto: Silvia Gralla | Brachte s.Oliver auch im Sport-Sponsoring groß raus: Firmengründer Bernd Freier, hier 2018 mit dem damaligen Würzburger Basketballprofi Gabe Olaseni (rechts).

Kein Wunder, denn wie schillernd war s.Oliver einst dank Ihres Umtriebes etwa im Sponsoring. Nicht nur Würzburgs größte Sportarena hatte den Namen Ihres Unternehmens. Auch Boxlegende Wladimir Klitschko, die Würzburger Bundesliga-Basketballer oder die Fußball-Granden Bayern München und Borussia Dortmund trugen Ihr Logo. Alles vorbei.

Sie, Herr Freier, haben binnen weniger Jahre in Ihrem Familienunternehmen gut und gerne ein halbes Dutzend Führungskräfte verschlissen. Das Kommen und Gehen macht bis heute deutlich, dass Sie eine zweifelhafte Unruhe haben bei dem Bemühen, Ihr Schiff auf Kurs zu halten. Welcher Kapitän kann es Ihnen eigentlich recht machen?

Sehr geehrter Herr Freier, bleiben Sie Übervater von s.Oliver. Aber finden Sie zügig eine sattelfeste Lösung, wer Ihren Konzern lenkt. Und lassen Sie dann los. Endgültig. Ansonsten ist zu befürchten, dass Ihr Modeunternehmen einmal nicht mehr zentral zu Mainfrankens internationaler Wirtschaft gehört. 

Einen gesunden Ruhestand wünscht Ihnen

Jürgen Haug-Peichl, Redakteur

Persönliche Post: der Samstagsbrief

Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Das ist ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur.
Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.
MP
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Rottendorf
Würzburg
Jürgen Haug-Peichl
Bernd Freier
Borussia Dortmund
FC Bayern München
Kapitäne
Maschinenbau
Michael Stoschek
Modekonzerne
Samstagsbrief
Wladimir Klitschko
s.Oliver Würzburg
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Rudolf Thomas
    Einer vom Unternehmer-Kaliber eines Bernd Freier, der ausgehend von einem kleinen Würzburger Modegeschäft es zu einem ganz großen der Textilbranche geschafft hat, wird bis zum letzten Atemzug um sein Lebenswerk kämpfen. Die hochbezahlten Manager sind nur ganz selten gute Unternehmer. Sie sind oft überbezahlte Führungskräfte. Wenn es in einer Krise um die notwendige Kapitalausstattung des Unternehmens geht, dann stehen sie beim Eigentümer in der Tür. Der greift in seine Schatulle und hilft seinem Unternehmen finanziell auf die Sprünge. Wo wäre s.Oliver, wenn Bernd Freier dem Rat des Samstags-Briefschreibers folgt und tatsächlich loslässt oder bereits losgelassen hätte? Springt der Betriebsrat oder gar eine Führungskraft ins finanzielle Loch? Bestimmt nicht!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Walter Seubert
    So ein "Konzern" ohne Betriebsrat das sagt sehr viel über den "Übervater" aus.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Peter Koch
    Ich habe auch 16 Jahre in einer Firma mit Übervater gearbeitet. Da gab es zwar einen Betriebsrat der aber nix zu tun hatte. Als der Übervater nach 14 Jahren meiner Anwesenheit abtreten musste bekam der Betriebsrat gut zu tun. Genützt hat es der Belegschaft aber nichts, es wurde ungut.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Michael Riedner
    W as erlaubt sich so Journalist über Herrn Freier zu schreiben ? Der Samstagsbrief meist unqualifiziert.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Jürgen Haug-Peichl
    Was genau stört Sie, Herr Riedner? Ich schätze Kritik - wenn Sie eine Begründung hat. Sie fehlt hier.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Jürgen Haug-Peichl
    Redakteur
    Main-Post
    97084 Würzburg
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Jutta Nöther
    Schreiben darf er natürlich. Ich Frage mich allerdings, was es bringen soll.

    Herr Freier ist kein Träger öffentlicher Belange, von dem man erwarten kann, dass er sich in irgendeiner Weise rechtfertigen oder zumindest erklären sollte.
    Er ist ein Unternehmenspatriarch, der sein eigenes Königreich regiert, und im Rahmen der Gesetze tun und lassen kann was er will. Wie er es tut, kann man gut oder schlecht finden.
    Ihn in der Zeitung allerdings öffentlich zu kommentieren ist allerdings schon ein wenig übergriffig.

    Außerdem hätte man dann wirklich viel zu tun, denn solche privatwirtschaftliche Unternehmer wie Herrn Freier gibt es viele, große wie kleine, bei wem fängt man an, und wo hört man auf?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten