Der schlagzeilenträchtige Abbau von 370 Stellen im vergangenen Jahr hat offenbar zu einer überraschenden Kehrtwende beim Modehändler s.Oliver in Rottendorf bei Würzburg geführt: Der Konzern wird nach Angaben der Gewerkschaft Verdi einen Betriebsrat wählen lassen. Das Unternehmen hat das am Freitag bestätigt.
Das 15-köpfige Gremium werde die Interessen von 1300 Beschäftigten von s.Oliver und der Tochterfirma Comma vertreten, heißt es in der Verdi-Mitteilung. Gewerkschaftssekretär Peter König sagte auf Anfrage, dass Bewerberlisten bis 22. Februar eingereicht werden können. Die Wahl werde voraussichtlich am 20. März sein.
Erste Schritte zur Bildung eines Betriebsrates seien bereits im vergangenen Sommer eingeleitet worden, so König. Die corona-bedingten Kontaktbeschränkungen seien aber bis zuletzt ein Hindernis für eine Gründungsversammlung gewesen. Nun soll laut Verdi ein dreiköpfiger Wahlvorstand die Gründung vorantreiben.
Er besteht laut König aus Mitgliedern von "For Us". Dies treffe nicht zu, entgegnete s.Oliver am späteren Freitagnachmittag. Nur ein Teil des Wahlvorstands komme von "For Us".
Diese rechtlich ungebundene Gruppe besteht nach s.Oliver-Informationen aus elf Mitgliedern und hat bislang die Aufgabe der Mitarbeitervertretung. Verdi-Mann König sieht "For Us" aber als stumpfe Waffe an.
Warum das Thema Betriebsrat bei s.Oliver heikel ist
Das Thema Betriebsrat hat schon deshalb Brisanz, weil 2015 ein Versuch von Teilen der Belegschaft gescheitert war, ein solches Gremium zu gründen. Druck von der damaligen s.Oliver-Geschäftsleitung um Firmengründer Bernd Freier sei ausschlaggebend gewesen, war seinerzeit zu hören gewesen. In der Folge schwelte das Thema in Rottendorf weiter.
Im Zusammenhang mit der Berichterstattung dieser Redaktion über den jüngsten Stellenabbau in Rottendorf kam schließlich die Frage auf, ob ein Betriebsrat für die Belegschaft nicht Besseres hätte erreichen können. So hatte der Würzburger Wirtschaftsprofessor Steffen Hillebrecht gegenüber dieser Redaktion die Meinung vertreten, dass die Stellenstreichung bei s.Oliver mit einem Betriebsrat wohl sozialverträglicher gelaufen wäre.
Mehr Arbeitnehmerrechte, bessere Arbeitsbedingungen und damit sozialere Entscheidungen der Chefetage – all das könne bei s.Oliver "mit einem guten Betriebsrat nun endlich wahr werden", heißt es in der Mitteilung der Gewerkschaft. "Ich bin gespannt, wer gewählt wird", ließ Verdi-Sekretär König letzte Zweifel durchblicken, ob die neue Mitarbeitervertretung den gewünschten Biss haben wird.
Die s.Oliver-Führung um Vorstandschef und Freier-Nachfolger Claus-Dietrich Lahrs zeigte sich am Freitag in einer schriftlichen Reaktion verhandlungsbereit. Die Gründung eines Betriebsrates sei das Recht der Arbeitnehmer. "Selbstverständlich unterstützt die Geschäftsführung dieses Recht." Wie die Zusammenarbeit letztendlich sein wird, zeige sich nach der Wahl. Der Austausch zwischen beiden Seiten werde eng sein.
"Nach dem herausfordernden letzten Jahr" seien es gewerkschaftlich nicht organisierte Mitarbeiter von s.Oliver gewesen, die die Wahl eines Betriebsrates initiiert hätten, teilte das Unternehmen mit. Auf diesen Hinweis reagierte Peter König gereizt: Verdi habe die Wahl angeleiert und niemand von s.Oliver.
Der weitere Weg war nach Verdi-Darstellung steinig: Wegen der Corona-Vorgaben beim Versammlungsrecht habe im Herbst beim Arbeitsgericht in Würzburg die rein schriftliche Einsetzung eines Wahlvorstandes beantragt werden müssen. Denn die vorgeschriebene Gründungsversammlung mit 1300 Teilnehmern sei nicht möglich gewesen, so König.
Indes ließ s.Oliver am Freitag durchblicken, dass sich wegen der Corona-Krise die wirtschaftliche Lage erheblich verschlechtert habe. Sei 2020 noch "relativ gut" gelaufen, werde dem Unternehmen "seit Mitte Dezember die Geschäftsbasis entzogen". Der Konzern "verliert im Moment jeden Tag eine Million Euro".
Konzernchef Lahrs hatte vor wenigen Tagen gegenüber dem Deutschlandfunk gefordert, dass auch große Unternehmen wegen des Lockdowns staatliche Hilfe bekommen sollten. Außer Kurzarbeitergeld habe s.Oliver "bisher keinen Cent" von der Regierung erhalten. "Es geht jetzt an unsere Substanz", hieß es am Freitag aus Rottendorf. Dazu trage bei, dass bereits vor Monaten Ware bezahlt werden musste, "die wir aktuell nicht verkaufen können".