
Vor einem halben Jahr, am 19. August 2022, wurde der Skandal um eine rückwärtslaufende Wasseruhr in der Bergtheimer Mulde öffentlich: Da berichtete diese Redaktion darüber, dass ein Landwirt mutmaßlich mehr Grundwasser zur Bewässerung entnommen zu hat als ihm erlaubt war. Die Behörden reagierten zunächst zögerlich, doch die Empörung in der Bevölkerung war groß. Die Ermittlungen der Würzburger Staatsanwaltschaft sind noch immer nicht abgeschlossen.
Das Wasser-Problem im nördlichen Landkreis Würzburg besteht nicht aus diesem Einzelfall. Es geht um Fehler in der Vergangenheit und Angst vor der Zukunft. Zum Welttag des Wassers am 22. März ein Blick auf Entwicklungen und die Hintergründe von Grundwasser und Landwirtschaft in der Bergtheimer Mulde.
In den 1980er Jahren: Das Wasser in der Bergtheimer Mulde fließt reichlich, Gemüsebauern bohren immer mehr Brunnen
Kraut und Gurken werden in der fruchtbaren Bergtheimer Mulde schon lange angebaut. In den 1980er Jahren bohren Bauern dort Brunnen und intensivieren dank der Bewässerung den Gemüseanbau. Für die, die sich die Investition leisten können, ein lukratives Geschäft: Das Grundwasser ist kostenlos, der Erlös für Gemüse viel höher als für Getreide, mit dem damals wenig zu verdienen ist. Wer Wasser hat, kann für die lebensmittelverarbeitende Industrie - wie Kühne und Mainfrucht im Landkreis Schweinfurt - stabile Mengen produzieren. "Das war eine Goldgräberstimmung wie im Wilden Westen", beschreibt ein Bergtheimer diese Zeit.
Anfang der 2000er Jahre: Der Klimawandel wird spürbar, der Verdrängungswettbewerb unter den Bauern der Bergtheimer Mulde härter
In den 2000er Jahren werden die Sommer heißer, die Winter trockener: Die Neubildung von Grundwasser nimmt ab. Gleichzeitig müssen die Landwirte mehr Wasser aus dem Boden pumpen, um stabile Gemüse- und Beerenernten zu garantieren. Bald regt sich Kritik daran.

2007 kritisiert der Bund Naturschutz (BN) in Bayern, dass "einige Bauern in der Bergtheimer Mulde immer mehr Brunnen bohren, obwohl es dort bayernweit die geringsten Niederschlagsmengen gibt". Die Folgen seien, dass erste Quellen versiegen und Gewässer austrocknen. "Effiziente Kontrollen der Wasserentnahme und der Tiefe der gebohrten Brunnen scheint es wohl nicht zu geben", bemängelt der BN damals in einer Pressemitteilung.
Auch die Kommunen in der Bergtheimer Mulde erkennen negative Auswirkungen der Bewässerungspraxis. Die in der Allianz Würzburger Norden zusammen geschlossenen Gemeinden fürchten um ihre eigenen Quellen zur Trinkwasserversorgung und kritisieren einen Verdrängungswettbewerb unter ihren Landwirten.
Ein Beispiel: Wer bewässert, erzeugt rund 100 Tonnen Rotkohl pro Hektar. Wer kein Wasser hat, erntet in trockenen Jahren ein Drittel weniger. Betriebe mit Wasserrechten können deshalb höhere Pachtpreise für Felder zahlen als Betriebe ohne Wasserrechte oder Landwirte, die vom Getreideanbau leben. Die Folge: Die Anbaufläche für Gemüse, Beeren und Blumen mit hohem Wasserbedarf wächst weiter. Von 2006 bis heute verdoppelt sie sich - auf aktuell rund 1000 Hektar.

Die meisten der rund 70 Landwirte mit Wasserrechten in der 13 000 Hektar großen Bergtheimer Mulde bekommen Wassermengen um die 5000 Kubikmetern im Jahr. Einige große Betriebe bekommen über 100.000 Kubikmeter genehmigt. Im Jahr 2017 fließen einem Vertreter der Regierung von Unterfranken zufolge "90 Prozent der Wassermenge, die in der Bergtheimer Mulde entnommen werden, auf die Felder der großen Betriebe".
2010 bis 2020: Auf den Feldern steht im Sommer das Wasser, Verstöße bei der Grundwasserentnahme werden nicht geahndet
Ab 2015 wird der Klimawandel noch deutlicher spürbar, dennoch beregnen Bauern weiter ihre Felder mit Sprenkleranlagen. Bürger beobachten damals die Wasserverschwendung. Ihrer Auskunft nach meldeten sie den Kommunen defekte Wasseruhren an Brunnen - ihren Hinweisen sei aber nicht nachgegangen worden.
Zum Verdacht, dass mehr Wasser aus dem Boden gepumpt wird als erlaubt, geben die Behörden an, die Betriebe würden "sehr genau überwacht". Eine Nachfrage der Grünen-Fraktion im Bayerischen Landtag ergibt, dass bei den Kontrollen zwischen 2010 und 2020 zum Beispiel allein in Bergtheim fünf Fälle entdeckt worden waren. Bußgeld- oder Strafverfahren wurden wegen Verstößen bei der Grundwasserentnahme in diesem Zeitraum aber keine eingeleitet.
2016: Die Behörden beginnen langsam zu reagieren, es werden keine großen neuen Brunnen mehr genehmigt
Ab 2016 werden neue Brunnen, aus denen mehr als 5000 Kubikmeter Wasser im Jahr fließt, vom Landratsamt Würzburg nicht mehr genehmigt.
In der 75 Quadratkilometer großen Bergtheimer Mulde bildeten sich laut Berechnung des Wasserwirtschaftsamts Aschaffenburg in den Jahren von 2009 bis 2018 durchschnittlich 45 Liter Grundwasser jährlich pro Quadratmeter Boden. Das sind 3,6 Millionen Kubikmeter im Jahr. Die kommunale Trinkwasserversorgung entnimmt durchschnittlich rund 280 000 Kubikmeter im Jahr. Der Landwirtschaft wird 2018 die Entnahme von 623 000 Kubikmetern genehmigt. Das sind knapp 20 Prozent des berechneten Zuwachses an Grundwasser.

Um diese Berechnung zu überprüfen, gibt das Bayerische Umweltministerium 2016 das Landschaftswasserhaushaltsmodell für die Bergtheimer Mulde in Auftrag - das bis heute noch nicht fertig ist.
Fest steht, dass es immer weniger regnet und dadurch immer weniger Grundwasser dazu kommt. Laut Berechnung des Wasserwirtschaftsamts bilden sich in der Bergtheimer Mulde jährlich rund 900.000 Kubikmeter Wasser weniger als in den 1950er bis 2000er Jahren. Trotzdem erklärt das Wasserwirtschaftsamt noch 2018, dass nicht nachgewiesen sei, ob die Grundwasserpegel in der Bergtheimer Mulde tatsächlich abnehmen.
Ab 2019: Das Grundwasser wird weniger, die Folgen der Trockenheit werden für Natur und Landwirtschaft immer größer
Im Jahr 2019 entscheidet der Gemeinderat von Bergtheim, künftig Fernwasser zu beziehen. Denn die eigene Quelle schüttet nicht mehr genug Wasser und dessen Nitratkonzentration ist zu hoch.

2021 sagt der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg Friedrich Altmann: "In den letzten Jahren ist ein teils erheblicher Rückgang der Grundwasserneubildung zu beobachten. Dies führt zu sinkenden Grundwasserständen, so auch in der Bergtheimer Mulde." Daraus ergebe sich zwangsläufig, dass die Wasserentnahme künftig wahrscheinlich geringer ausfallen muss. Für 2023 wird nur noch die Entnahme von 550.000 Kubikmeter genehmigt, so viel wie 2010.
Die Wassermenge der Landwirte richtet sich jetzt proportional zur bewirtschafteten Fläche. Viele müssen künftig mit weniger Wasser auskommen. Wer es sich leisten kann, pachtet Wiesen oder Getreidefelder dazu, um weiter hohe Wassermengen für seinen Gemüseanbau zu bekommen. Dadurch steigen die Pachtpreise insgesamt weiter.
Ende 2021 wird der Würzburger Landrat Thomas Eberth von Umweltschützern auf die mögliche Verschwendung von Grundwasser und mangelnde Kontrollen hingewiesen. Aufgrund von Beobachtungen, die Bürger auf den Feldern rund um Bergtheim gemacht haben, vermutet die Würzburger Umweltschutzgruppe "Wasser am Limit", dass einige Landwirte mehr Wasser aus dem Boden pumpen als sie dürften. Eberth erklärt, er brauche konkrete Beweise, damit seine Behörde tätig werden kann.
Im Dürresommer 2022 trocknen Bachläufe aus, Bäume werfen ihre Blätter ab, die Felder zeigen tiefe Risse. Die unterfränkische Bevölkerung wird zum Wassersparen aufgerufen.
Betriebe wie der Biogemüseland Schlereth in Unterpleichfeld nutzen sparsame Tröpfchenbewässerung und in Zisternen aufgefangenes Regenwasser. Trotzdem reicht es nicht, um alle Felder zu bewässern. Zucchini oder Zwiebeln vertrocknen. Andere Landwirte in der Bergheimer Mulde beregnen ihre Felder weiter mit großen Sprühern.

19. bis 20. August 2022: Die Wasseruhr eines Landwirts läuft um fast zwei Millionen Liter Wasser rückwärts
Zwischen 19. und 22. August 2022 läuft die Wasseruhr eines Landwirts in der Bergtheimer Mulde rückwärts. Fotos der Umweltgruppe "Wasser am Limit" belegen den Rückgang des Zählers um 1800 Kubikmeter. Der Landwirt erklärt, dass die Menge versehentlich zurück in den Brunnen gepumpt worden sei. Landrat- und Wasserwirtschaftsamt halten diese Erklärung für plausibel und schalten die Polizei nicht ein.
Doch Fachleute und andere Landwirte glauben nicht, dass 1,8 Millionen Liter - mehr als doppelt so viel wie der Inhalt des 25-Meter-Becken des Würzburger Nautilands - unbemerkt ins Grundwasser gepumpt worden sein können.
Diese Redaktion macht den Wasseruhr-Skandal publik. Landtagsabgeordnete aus der Region reagieren: Die Grünen-Politiker Kerstin Celina, Paul Knoblach und Patrick Friedl sowie SPD-Abgeordneter Volkmar Halbleib fordern die Staatsregierung auf, den Fall aufzuklären und verschwenderische Bewässerungspraxis in der Bergtheimer Mulde zu beenden.
Aufgrund einer anonymen Anzeige beginnt die Staatsanwaltschaft Würzburg am 1. September zur rückwärtslaufenden Wasseruhr zu ermitteln. Es geht Umweltrechtsverstöße sowie um Betrug, sollte der Zähler absichtlich manipuliert worden sein.
Im Januar 2023 werden in einem anonymen Schmähgedicht massive Vorwürfe gegen den Betreiber der Wasseruhr in Umlauf gebracht. Die Polizei ermittelt wegen Beleidigung und übler Nachrede.
März 2023: Das Landratsamt Würzburg kündigt stärkere Kontrollen an, die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter
Während die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch immer nicht abgeschlossen sind, reagieren Wasserwirtschaftsamt und Landrat Thomas Eberth (CSU) auf den Wasseruhr-Skandal: Künftig soll die Polizei die Brunnen in der Bergtheimer Mulde kontrollieren, digitale Zähler sollen eingeführt werden. Wie Wasser gerechter verteilt werden könnte, ist bei den Behörden noch kein Thema.
Juli 2023: Die Staatsanwaltschaft Würzburg erhebt Anklage gegen den Besitzer der Wasseruhren
Oberstaatsanwalt Tobias Kostuch teilt auf Anfrage mit, dass die Staatsanwaltschaft Würzburg wegen des Verdachts der Fälschung technischer Aufzeichnungen Anklage gegen den Besitzer der Wasseruhr erhoben hat. Kostuch geht davon aus, dass der Fall in den nächsten Monaten vor dem Amtsgericht Würzburg verhandelt wird.
Das Strafgesetzbuch sieht für die angeklagte, der Urkundenfälschung ähnliche Straftat eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass der Landwirt im August 2021 zwei Wasserzähler manipuliert hat.
Zu sehen ist die Beregnung eines Feldes zwecks Nahrungserzeugung.
Das ist keine Verschwendung. Das ist Nutzung. Sinnvolle Nutzung.
Zwar gibt es effizientere Formen der Bewässerungstechniken, als die Überkopfbewässerung per Sprenger, aber dennoch erfüllt der größte Teil des aufgewendeten Wassers seinen Zweck.
Wahre Symbole für Verschwendung wären Bilder von privaten Pools, vom Wasserschlauch zum Autowaschen, von sattgrünen Sportrasen im Dürresommer, oder von zigtausenden Kloschüsseln.
Von 130 l pro Person und Tag, den Privathaushalte im Schnitt verbrauchen, dienen nur 3 Liter dem tatsächlichen Trinken und der Zubereitung von Nahrung. Keine 3%.
Weit mehr wird einfach das Klo runter gespült.
Wurde eine Beregnungsanlage als "Symbol für Verschwendung" auserkoren, weil sich damit schön bequem auf wenige andere zeigen lässt, statt sein eigenes Verhalten zu reflektieren?
Was Sie mit der Wasserrechnung bezahlen, sind Kosten für Bau und Unterhaltung/Betrieb von Brunnen, Leitungen, Pumpen, den Kosten für das Personal usw.
Aber keinen Cent für das Wasser selbst.
Wer das Wasser selbst entnimmt, etwa ein Landwirt zwecks Bewässerung oder ein Industriebetrieb oder Kraftwerk zur Kühlung, zahlt ebenso keinen Cent für das Wasser selbst, trägt aber all die oben genannten Kosten selbst.
Unterm Strich ist das Wasser also für niemanden umsonst.
Gerade heutzutage bei den Energiepreisen, Löhnen, Baukosten usw.
Auch ohne Wassercent hat jeder Wassernutzer ein wirtschaftliches Interesse, Wasser sparsam einzusetzen. Wer verschwendet, gibt dafür eine Menge Geld aus.
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Wer soll denn das Geld verlangen?
Gehört dem das Wasser, dass er es verkaufen darf?
Und erhalten dann Eigentümer von Äckern usw, unter denen das Grundwasser sich ja bildet (schlicht weil dort Regen versickert) das Geld vom Eintreiber weitergereicht?
Aus einer großen Baustelle muß dort ständig wegen der Schaffung von Tiefgaragen Wasser abgepumpt werden, Tag für Tag rund um die Uhr.
-Grundwasser -
Die Dimmension der Leitung läßt auf eine gewaltige Menge schließen.
Wurde darüber schon mal ein Wort verloren?
Was da abgepumpt ist Wasser das nur wenige Meter unter der Erdoberfläche ist.
In der der Bergtheimer Mulde sind Brunnen ab 20m bis über 60-70 m Tiefe.
Hier betrifft das ganz andere Grundwasserkörper ,die auch nicht miteinander korrespondieren.
Wegen der seit 20 Jahren herrschenden Trockenheit und Regenmangel werden diese tiefen Reservoirs nicht mehr aufgefüllt.
Man möchte meinen, angesichts dieser Reichweite greift die Mainpost den Weltwassertag auf, um ihn zu nutzen, wofür er einst ausgerufen wurde: Die Menschen zu einem sorgsamen Umgang mit Wasser zu ermahnen.
Doch weit gefehlt. In der heuteigen Zeitung zu privatem Wasserverbrauch, Spartipps, dem Zuwachs an Pools, der zunehmenden Bewässerung von Freizeit- und Sportrasen (Fußball, Golf, etc) usw. kein Wort.
Stattdessen nutzt die Mainpost mit gleich 3 ! Artikeln in der heutigen Zeitung die Gelegenheit, mit dem Finger auf einige wenige zu deuten und Missgunst gegen die zu schüren.
Alle Achtung.
Wird der Löwenanteil sein.