
Bayerns größtes Bergwerk in Bayerns zweitgrößtem Wasserschutzgebiet - was paradox klingt, könnte bald ein "Präzedenzfall" sein. So nennt das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg (WWA) das Szenario, das im Landkreis Würzburg tatsächlich Realität werden könnte.
Dann nämlich, wenn die Firma Knauf aus Iphofen die Genehmigung erhält, bei Altertheim in großem Stil Gips abzubauen. Und wenn um das Bergwerk herum trotzdem ein riesiges Schutzgebiet auswiesen wird, um das Trinkwasser für halb Würzburg zu sichern. Denn im Untergrund des Landkreises verläuft die wichtigste Wasserader der Stadt.
Gehen Gipsabbau und Trinkwasserschutz wirklich zusammen, wie ein Knauf-Gutachten behauptet? Oder ist die Gefahr zu groß, wie Kritiker befürchten? Das zu prüfen, ist Aufgabe des Wasserwirtschaftsamtes. Im Bergwerksverfahren hat die Behörde eine Stellungnahme zu den Knauf-Plänen abgegeben. Nun äußern sich Leiterin Jane Korck und Tobias Schmitt, der Fachbereichsleiter für Wasserversorgung und Grundwasserschutz, erstmals öffentlich dazu.

Tobias Schmitt: Die Zeller Quellstollen sind für die Wasserversorgung der Stadt Würzburg von überragender Bedeutung: In der Summe sprudeln dort sechs Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Im Hinblick auf die gewonnene Wassermenge ist das genutzte Grundwasservorkommen somit auch von regionaler Bedeutung.
Jane Korck: Dass es ein wirklich außergewöhnlicher Fall ist. Geplant sind Bayerns größtes Bergwerk und Bayerns zweitgrößtes Wasserschutzgebiet im gleichen Gebiet. Wenn wir die Fragen, die sich aus der Überlagerung zwei solcher großer Verfahren stellen, gelöst haben, dürfte es in ganz Bayern aus wasserwirtschaftlicher Sicht kaum wieder etwas Kniffligeres geben.
Korck: Ein Bergwerk unter einem Wasserschutzgebiet ist zunächst gegen jede wasserwirtschaftliche Intuition. Aber das heißt nicht, dass es nicht geht! Wir im Wasserwirtschaftsamt sind nicht die Verhinderer, die die technischen Möglichkeiten, ein Bergwerk mit dem Grund- und Trinkwasserschutz kompatibel zu gestalten, pauschal ausschließen. Als fachlicher Gutachter gehen wir zwar erst einmal von einem Verbot aus und versuchen, alle möglichen Gefahren im Vorfeld abzuklopfen. Aber dann ist unsere Aufgabe, zu prüfen, ob es nicht doch gehen kann.
Korck: Schon 2017 haben wir von der Firma Knauf ein umfangreiches Bohrprogramm gefordert. Diese Bohrungen und weitergehende, vielfältige Untersuchungen wurden durchgeführt. Das Ergebnis unserer Prüfung der Antragsunterlagen: Nach Ende des Gipsabbaus nach 60 Jahren würde weniger als ein Prozent der Quellschüttung an den Zeller Stollen verloren gehen. Und das Wasser würde sich im schlimmsten Fall um weniger als ein Milligramm pro Liter zusätzlich mit Sulfat anreichern. Unser Fazit: Die Auswirkungen des Gipsabbaus wären aus wasserwirtschaftlicher Sicht akzeptabel.
Korck: Die Annahmen sind plausibel. Die Gutachter haben fachlich sauber gearbeitet und offengelegt, wie sie vorgegangen sind. Das Einzige, was sie nicht ausräumen konnten, ist das Restrisiko.
Korck: Ja. Das liegt in der Natur der Sache. Aber wir als Fachleute verwenden den Begriff Restrisiko nicht im streng juristischen Sinn. Wenn wir von Restrisiko reden, meinen wir eine verbleibende Wissenslücke, wie die Verhältnisse im Untergrund aussehen. 19 Bohrungen sind 19 Bohrungen und kein 3D-Modell im 50-Zentimeter-Raster. Es ist unmöglich, den Untergrund im Vorfeld in einem Modell so abzubilden, dass man alles erfasst, was in der Realität eintreten kann. Wie hoch das Restrisiko ist, können wir heute nicht abschließend sagen. Das heißt aber nicht, dass man mit dieser Unsicherheit nicht umgehen kann.
Schmitt: Sollten die prognostizierten Sickerwassermengen überschritten werden, muss aus unserer Sicht die Bergwerksplanung überprüft und angepasst werden.
Korck: Die Was-Wäre-Wenn-Frage ist aus heutigem Stand nicht zu beurteilen. Das ist auch nicht unsere Aufgabe als Wasserwirtschaftsamt, sondern Aufgabe der Bergaufsichtsbehörde.

Schmitt: Wir haben uns fachlich mit den Antragsunterlagen auseinandergesetzt. Bei einzelnen Bohrungen waren wir vor Ort, um uns ein Bild von den Bohrkernen zu machen. Trotzdem können wir nicht alle Aspekte des Gutachtens bis ins letzte Detail prüfen. Zum Beispiel sind an einem Wasserwirtschaftsamt nicht die Kapazitäten und technischen Voraussetzungen vorgesehen, um numerische Grundwassermodelle nachzurechnen. Fragen der Gebirgsmechanik oder der Standsicherheit des Grubenbaus beurteilen wir auch nicht - das ist Aufgabe des Bergamtes.
Korck: Dass sich Experten uneins sind, je weiter man ins Detail geht, ist gerade bei hydrogeologischen Fragestellungen durchaus nicht unüblich. Noch mal: Wir können nicht alles überprüfen. Wir haben bislang als Träger öffentlicher Belange zum bergrechtlichen Antrag der Firma Knauf Stellung genommen. Nicht mehr und nicht weniger.
Schmitt: Ich gehe davon aus, dass wir uns noch mit der Kritik der Wasserversorger auseinandersetzen, wenn wir von der Rechtsbehörde dazu aufgefordert werden. Bisher ist dies noch nicht geschehen. Es ist wie bei einem Ping-Pong-Spiel. Erst stellt der Vorhabensträger seinen Antrag, also in dem Fall Knauf. Den prüfen wir. Dann kommt von Einwendungsberechtigten Kritik, zum Beispiel von Wasserversorgern. Schließlich kommt das Bergamt oder die Regierung von Unterfranken wieder auf uns zu, und wir prüfen diese Kritik.
Korck: Der Wasserschutz steht über allem, aber wir kommen auch nicht an der Realität vorbei. Wir haben ein ureigenes Interesse, dass es der Wirtschaft gut geht. Sonst können wir beispielsweise auch keinen hochwertigen Gewässerschutz bezahlen.
Wie hoch ist der Druck, der auf Ihnen lastet?
Korck: Der Druck ist da. Gleichzeitig habe ich großes Vertrauen in unser Wasserrecht. Dieses Ping-Pong-Spiel, von dem wir sprachen, zeigt doch, wie intensiv sich die Verwaltung mit dem außergewöhnlichen Projekt auseinandersetzt. Auch wenn es vielleicht politische Wünsche gibt: Das Verfahren wird nach fachlichen und rechtlichen Gesichtspunkten entschieden werden!
Wo befindet sich ein Bergwerk in ähnlichem geologischen Gebiet unter einen Grundwasserleiter?
Kommen Sie mir nicht wieder mit der Aufzählung der Tagebau-Abbaugebiete im Harz.
Knauf konnte auf Nachfrage keine Erfahrungen mit einem ähnlichen Bergwerk benennen.
Das TWV Gutachten bewertet sachlich das Knaufgutachten und kommt zu anderen Ergebnissen.
Das eigentliche Problem entsteht durch Personen, die keine fundierten Kenntnisse haben und nur unnötige Bedenken äußern.
Hier einige Beispiele für den Gipsabbau in verschiedenen Regionen:
• In Niedersachsen, insbesondere im Harz, wird seit Jahrzehnten Gips abgebaut, vor allem im Bereich des Gipskarsts.
• Im Taunus und rund um Wetzlar sowie Idstein in Hessen wird ebenfalls seit vielen Jahren Gips abgebaut.
• Auch im Schwarzwald und in anderen Teilen von Baden-Württemberg gibt es Gipslagerstätten, die abgebaut werden.
• In Sachsen, insbesondere rund um Dresden und Chemnitz, gibt es ebenfalls Gipsvorkommen, die abgebaut werden.
1. die südliche Frankenalb / der Altmühltaler Gipskarst (Bayern)
2. die Hohenloher Ebene (Baden-Württemberg)
3. das Kyffhäuser- und Hainleite-Gebiet (Thüringen)
Ja, in Deutschland gibt es mehrere geologische Gebiete mit Gipsvorkommen, die dem Gebiet der Altertheimer Mulde ähnlich sind !!!
wo ebenfalls Gips abgebaut wird. Trotz unterschiedlicher Gutachten sehen alle Experten den Abbau unter Auflagen als möglich an. Zwar äußert der TWV Bedenken, Sollten belastbare Fakten vorliegen, wird sich auch die Position des TWV entsprechend anpassen. In diesem Zusammenhang trägt Knauf eine besondere Verantwortung für verantwortungsvolles Handeln.
Trinkwasserschutzgebiet und ein mögliches Gipsabbaugebiet.
Beides betrifft viele Menschen – sei es durch die Wasserversorgung oder durch Arbeitsplätze und verbundene Existenzen. Paar Sätze mit Angst bringen niemandem etwas. Lassen wir Fachleute prüfen, was möglich ist. Zur Frage nach vergleichbaren Gebieten habe ich geantwortet. !!
"Das eigentliche Problem entsteht durch Personen, die keine fundierten Kenntnisse haben..."
Der Laie steigt aus, wenn der Fachmann spricht. 😄
und hier wird über "Restrisiko" fabuliert. Was "Restrisiko" bedeuten kann, haben wir an der Kernkraft gesehen - auch wenn es Experten gab, die einen schweren Unfall vielleicht alle 30.000 Jahre für möglich hielten, haben wir in ca. 30 Jahren drei Stück davon gehabt (Three Mile Island, Tschernobyl, Fukushima - s. Wikipedia), und zwar aus ganz unterschiedlichen Ursachen von verfehltem Design der Überwachungsinstrumente über menschliche Selbstüberschätzung bis hin zum Ignorieren längst vorhandenen Wissens über mögliche Naturkatastrophen. Hm - will ich wissen, welche Fehlermöglichkeiten das hier diskutierte Gutachten aus welchen Gründen nicht berücksichtigt hat? Andererseits wird es mich aus biologischen Gründen vmtl. nicht mehr betreffen, sollte sich das "Restrisiko" hier realisieren...
Unsachlich auf einen sachlich hinterfragten Bericht!
Alternativen wurden hier schon häufig genannt.
Die Summe der Antworten ist
"Nichts Genaues weiß man nicht".
Zum "Restrisiko":
Stimmt, nahezu nichts ist ohne Risiko.
Daher gilt es abzuwägen.
Auf der einen Seite die Wasserversorgung von über 100000 Menschen.
Die Klimakrise spitzt die Situation in Bezug auf die Wassersituation zusätzlich zu. Diesbezüglich erreichen uns täglich neue beängstigende Meldungen.
Das zeigt uns doch auf, wo die Priorität liegt.
Es ist eine staatliche Aufgabe (Daseinsfürsorge) die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
Auf der anderen Seite das Interesse eines Weltkonzerns seinen Gewinn zu maximieren. Das Knauf Arbeitsplätze erhalten will und die Versorgung mit einem Baustoff sicher stellen will, will ich gar nicht in Abrede stellen.
Aber Knauf kann auch ohne Altertheim diese Ziele erreichen.
Spätestens in 60 Jahren, wenn das Bergwerk ausgeräumt wäre, müsste Knauf ja sowieso einen anderen Weg einschlagen.
Es ist so ne Sache mit dem "Restrisiko" - es ist allgegenwärtig!
Und es ist eben ein Restrisiko, dass man nie ganz ausschließen kann.
Würde also alles, was mit einem Restrisiko behaftet ist, nicht mehr stattfinden, gäbe es auf der Erde kein menschliches Leben.
Denn selbst in einem Land wie dem unseren besteht das Restrisiko, jeden Augenblick eines nicht natürlichen Todes zu sterben oder zumindest schwer zu erkranken.
Handy, TV-Geräte, Akkugeräte, Batterien, deer Straßen-, Schienen - und Luftverkehr , und selbst beim Essen - überall gibt es ein Restrisiko.
Warum vertrauen wir im Fall "Gipsbergbau" nicht auch die Experten genauso wie im "richtigen" Leben?
Gerhard Fleischmann
Rein statistisch sterben die meisten Menschen im Bett - vertrauen wir darauf, morgen früh wieder aufzuwachen.