Im Winter war es ruhiger beim Thema Wölfe in der Region. Verschwunden waren die Tiere nicht. Ende Januar wurde bei Kilianshof (Lkr. Rhön-Grabfeld) ein Pferd vermutlich von einem Wolf gerissen. Ob es Wolf war, der Mitte Februar einen Nandu bei Schönderling (Lkr. Bad Kissingen) getötet hat, wird noch untersucht. Wie aber geht es weiter, wenn im Laufe des Frühjahrs Schafe und Ziegen Ende April wieder auf die Weiden kommen und sich Wolfsnachwuchs einstellt?
Betrachtet man, was aktuell über die Wölfe in Unterfranken bekannt ist, zeichnen sich Probleme ab. Ein Überblick.
Warum sind Aussagen über die Wölfe nicht einfach?
Wölfe sind sehr mobil und legen enorme Strecken zurück. Sie lassen sich zwar genetisch an Tierrissen oder Losungen und Urinproben bestimmen. Die Auswertung dauert allerdings einige Zeit. Liegt das Ergebnis vor, halten sich die Tiere längst anderswo auf. Und Fotos von Wölfen lassen sich kaum einzelnen Tieren zuordnen.
Ein Problem: Die Wölfe im Dreiländereck halten sich nicht an Landesgrenzen. Sie sind zwischen Bayern, Hessen und Thüringen unterwegs und werden daher von gleich drei Landesämtern erfasst: dem Landesamt für Umwelt (LfU) in Bayern, dem das Wolfsterritorium Hohe Rhön zugeordnet ist, dem Wolfszentrum Hessen, zuständig auch für den Bereich am Truppenübungsplatz Wildflecken (Lkr. Bad Kissingen), und das thüringische "Kompetenzzentrum Wolf, Biber, Luchs" für das Territorium Zella.
Wo gibt es aktuell Wölfe in Rhön und Spessart?
Wo und wie viele der streng geschützten Tiere in der Region unterwegs sind, lässt sich nicht sagen. Da Wölfe im Alter von ein bis zwei Jahren das Rudel verlassen und auf der Suche nach einem Revier und einem Partner Dutzende von Kilometern am Tag zurücklegen, ist immer wieder mit durchziehenden Tieren zu rechnen. Daneben gibt es standorttreue Tiere. Auch ihre Zahl ist nicht genau bekannt. Sie wird aktuell auf etwa zehn geschätzt.
In der Region leben sie in drei Territorien: Am Truppenübungsplatz Wildflecken hat sich vor zwei Jahren eine Wolfsfamilie gebildet. Im Territorium Hohe Rhön ist vor allem die Problemwölfin mit dem Laborkürzel GW3092f aktiv. In der thüringischen Rhön lebt die "Zellaer Wölfin".
Wie groß ist das Rudel auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken?
Das Wolfspaar auf dem Truppenübungsplatz hat sich 2021 gefunden und Nachwuchs gezeugt. 2022 wurden sechs Welpen registriert, 2023 war es sieben. Von den Jungtieren aus dem Jahr 2022 kamen bereits vier ums Leben, drei davon wurden überfahren. Im November 2023 wurden auf dem Truppenübungsplatz anhand einer Fotoserie zehn Wölfe gezählt. Das Wolfszentrum Hessen geht allerdings davon aus, dass Jungwölfe abgewandert sind. Bilder aus diesem Februar zeigen noch sechs Wölfe.
Was ist über das Rudel auf dem Truppenübungsplatz bekannt?
"Das Rudel im Territorium Wildflecken gilt als unauffällig", teilt das Wolfszentrum Hessen mit. Auf dem Truppenübungsplatz wurden bislang zwei Schafe gerissen, der Fall im Juni 2023 wird einem Wolf dieses Rudels zugeordnet: GW3179m, so die Laborkennung des Tieres, attackierte zuvor in Hessen mehrfach Nutztiere und wurde dort "Elmer Isegrim" genannt. Seit dem Sommer ist er nicht mehr aufgefallen. Das Muttertier des Rudels (GW2552f) und ein männlicher Wolf rissen im Oktober 2023 gemeinsam vier Schafe.
Dass es bislang nicht mehr Angriffe auf die Herden auf dem Militärgelände gab, führt das hessische Wolfszentrum auf die Herdenschutzhunde zurück. Das Zentrum widerspricht auch anderslautenden Stimmen: "Hinweise auf den Rückgang der Zahlen von bejagbarem Wild gibt es im Bereich des Territoriums Wildflecken nicht."
Lebt die Zellaer Wölfin noch?
Die Zellaer Wölfin (GW1422f) ist mehrfach wegen Angriffen auf Schafe und Ziegen auch in Bayern aufgefallen. Inzwischen ist es still um sie geworden. Bekannt wurde die Wölfin, als sie sich im Frühjahr 2022 mit einem Hund paarte und fünf Wolf-Hund-Mischlinge zur Welt brachte.
Diese Hybride gelten als gefährlicher für Menschen, weshalb sie getötet werden sollten. Proteste von Tierschützernwaren die Folge. Drei der Hybriden wurden inzwischen "entnommen". Die beiden anderen Mischlinge sind laut Umweltministerium Thüringen "aller Wahrscheinlichkeit nach" entweder "abgewandert oder natürlich verendet".
Der letzte genetische Nachweis der Wölfin stammt vom März 2023 in Rhön-Grabfeld. Dazu zeigen Aufnahmen von Fotofallen aus Zella aus dem Sommer 2023 einen Wolf, bei dem es sich laut dem Sprecher mit "hoher Wahrscheinlichkeit" um "die dort weiter territoriale Fähe" GW1422f handelt.
Welche Neuigkeiten gibt es von der Problemwölfin?
Die Fähe GW3092f aus dem Territorium Hohe Rhön hat es zu einiger Berühmtheit gebracht. Auf sie gehen mit rund 40 Nachweisen inzwischen deutschlandweit die meisten konkret zugeordneten Angriffe auf Nutztiere zurück. Zuletzt riss die Wölfin am 12. Februar im hessischen Ehrenberg zwei Schafe. Eine Genehmigung, die Wölfin und ihren Partner zu töten, war Ende 2023 nach wenigen Tagen von Gerichten in Würzburg und Kassel aufgehoben worden.
Die Wölfin war gleich mehrfach bei Angriffen auf Nutztiere identifiziert worden, an denen auch ein männliches Tier (GW3222m) beteiligt war. Die Spekulation: Würden sich beide verpaaren? Zuletzt trat der Rüde nicht mehr in Erscheinung, bestätigt das LfU. Ende Februar wurde stattdessen bei einem Wildtierriss nahe Unterweißenbrunn (Lkr. Rhön-Grabfeld) auch ein möglicher neuer Partner nachgewiesen: GW3519m, ein Jungtier aus dem Wildfleckener Rudel.
Warum wäre es problematisch, wenn das neue Wolfspaar Nachwuchs bekommt?
Bilden die beiden nun ein Paar und in der Hohen Rhön entsteht ein neues Rudel? Wölfe verpaaren sich Ende Februar, Anfang März. Mit Nachwuchs wäre im Mai zu rechnen. Damit wären die Elterntiere zunächst geschützt. Wie das LfU bestätigt, könnten sie "im Regelfall" nicht getötet werden, bevor ihr Nachwuchs selbständig ist.
Das größere Problem: Jungtiere ahmen auch bei der Jagd das Verhalten ihrer der Eltern nach. "Es ist nicht auszuschließen, dass das individuell gelernte, gezielte Überwinden von zumutbaren Herdenschutzmaßnahmen auch an andere Wolfsindividuen weitergegeben wird", so das LfU. Betrachtet man das bisherige Verhalten des Muttertieres wäre es denkbar, dass demnächst ein ganzes Wolfsrudel in Rhön oder Spessart Jagd auf Nutztiere macht. Eine Perspektive, die Fachleuten und Tierhaltern große Sorgen bereitet.