zurück
Gelnhausen
Tierhalter nehmen B-Proben: Das Senckenberg-Institut kontert Kritik zu DNA-Analysen bei Wolfsvorfällen
Manche Tierhalter misstrauen bei DNA-Proben von möglichen Wolfsrissen den amtlichen Ergebnissen. Das Senckenberg-Labor im hessischen Spessart erläutert seine Methoden.
Im Labor des Senckenberg Zentrums für Wildgenetik in Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis) werden bei Wolfsverdachtsfällen die Proben aus ganz Deutschland untersucht.
Foto: Boris Roessler, dpa | Im Labor des Senckenberg Zentrums für Wildgenetik in Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis) werden bei Wolfsverdachtsfällen die Proben aus ganz Deutschland untersucht.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 08.03.2024 02:50 Uhr

Der DNA-Befund bei zwei gerissenen Kamerunschaf-Lämmern Mitte Oktober im hessischen Spessart war eine kleine Sensation. Es wurde Goldschakal-Erbgut gefunden – der erste Nachweis eines Goldschakals im Spessart.

Die Ergebnisse stammen aus dem Senckenberg Zentrum für Wildgenetik in Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis), dem nationalen Referenzzentrum für genetische Analysen bei Wolf und Luchs. In diesem Labor lassen im Rahmen des Wolfsmonitorings alle Bundesländer Wolfsverdachtsfälle untersuchen. Die zentrale Analyse von Haaren, Kot, Urin oder Abstrichen aus einem Labor soll die Ergebnisse vergleichbar machen. 6000 Fälle waren es im Monitoringjahr 2022/23.

Tierarzt aus Gelnhausen empfiehlt Tierhaltern, zweite DNA-Probe an anderes Labor zu schicken

Im Fall der Kamerunschaf-Lämmer und dem möglichen Goldschakal aus dem Spessart gab es aber noch eine weitere DNA-Probe. Die untersuchte das private Hamburger ForGen-Labor und fand offenbar einen Hinweis auf einen Wolf. "Es findet sich ein sehr schwaches und nicht reproduziertes Signal, das wir bisher nur bei Wölfen hatten und bei keinem unserer etwa 40 Goldschakale", heißt es im Gutachten aus Hamburg.

Nach Hamburg eingeschickt hatte die DNA-Probe der frühere Tierarzt Michael Weiler aus Gelnhausen. Er hatte dem Schafhalter empfohlen, gleich noch eine zweite Probe nehmen zu lassen, eine sogenannte B-Probe.

Die gefressene Menge Fleisch, der hohe Zaun und ein Pfotenabdruck sprächen für einen Wolf und nicht für einen Goldschakal, sagen Tierarzt Weiler und der Tierhalter. Das Hessische Landesamt für Umwelt hingegen geht von zehn Kilo Fleisch aus, für einen Goldschakal machbar. Der Zaun habe große Schlupflöcher aufgewiesen und bei einem einzelnen Trittsiegel sei es nicht möglich, zwischen einem Wolf und einem großen Hund zu unterscheiden, teilt das Landesamt mit.

Leiter Nowak: Senckenberg vertuscht keine Wolfsvorfälle

Auf Anraten von Tierarzt Weiler ließ auch Familie Söder im Sandberger Ortsteil Kilianshof (Lkr. Rhön-Grabfeld) von ihrem gerissenen Reitpferd Genius B-Proben nehmen und schickte sie an das Hamburger ForGen-Labor. Bei Senckenberg war das Ergebnis "Wolf oder Hund" gewesen. Das Ergebnis aus Hamburg steht noch aus.

"Die B-Proben werden nicht anerkannt bezüglich eventueller Ausgleichszahlungen", sagt der frühere Veterinär Weiler ein. Ihm gehe es darum, dass Weidetierhalter sich nicht beruhigt zurücklehnen, wenn das offizielle Ergebnis nicht "Wolf" lautet.

Senckenberg arbeite fehleranfälliger als ForGen, behauptet er. In Gelnhausen werde hauptsächlich die sogenannte mtDNA untersucht, die ausschließlich mütterliche Erbinformation enthalte. So laute das Ergebnis automatisch "Hund", wenn die Mutter ein Hund, der Vater aber ein Wolf sei. 40 Gutachten von B-Proben aus Hamburg hätten schon ein anderes Ergebnis erbracht als Senckenberg, sagt Tierarzt Weiler.

Senckenberg-Institut hält Vorwürfe zu DNA-Untersuchungen für Unsinn

Carsten Nowak, Leiter des Senckenberg-Standorts in Gelnhausen, sagt, dem Institut werde mitunter vorgeworfen, parteilich zu sein oder Wolfsvorfälle vertuschen zu wollen. Das sei Unsinn. "Senckenberg entscheidet nicht, wer der Rissverursacher ist." Dass in vielen Fällen keine verwertbare DNA gefunden wird oder bei 13 Prozent "Hund" als Ergebnis herauskommt, sorge verständlicherweise für Skepsis, sagt Nowak. Oft seien Hunde vermutlich aber nur Nachnutzer an gerissenen Tieren.

Zu anders ausfallenden B-Proben sagt er: "Das hat sich eigentlich nie bestätigt." Erst einmal hätte sein Haus ein ForGen-Gutachten einer B-Probe gesehen. Das Ergebnis sei identisch gewesen, nur die Beurteilung eine andere und aus seiner Sicht zweifelhaft, sagt Nowak.

Das HAmburger ForGen-Gutachten im Goldschakal-Fall sei ihnen nicht bekannt, auf Anfrage habe es Senckenberg nicht bekommen. ForGen-Laborleiterin Dr. Nicole von Wurmb-Schwark sagt: An Dritte gebe sie Gutachten nur heraus, wenn der Auftraggeber einverstanden sei.

Warum das Hamburger Labor Gutachten von B-Proben nicht einfach herausgibt

Auch die Hamburger Laborleiterin behauptet, Senckenberg arbeite fehlerhaft. Angeblich gebe es dort etwa einen Laborhund. Außerdem könne man Hybriden zwischen Hund und Wolf nicht so einfach ausschließen, wie Senckenberg dies oft tue. Und in Gelnhausen würden gewisse DNA-Marker ignoriert, die nur bei Wölfen vorkommen.

Auf Anfrage zu den Vorwürfen teilt die Pressestelle von Senckenberg mit, dass viele Falschbehauptungen im Umlauf seien: "Wir arbeiten mit denselben Methoden wie die angrenzenden Referenzlabore, etwa in den Niederlanden, Belgien, Dänemark, Österreich oder Tschechien." Die seien nicht geheim.

Bei Senckenberg dürften sich zwar Hunde aufhalten, aber nicht im Labortrakt. "Im Labor arbeitende Personen dürfen keinen engen Hundekontakt haben." Kontaminationen mit Hunden habe Senckenberg im Haus noch nie erlebt.

Senckenberg: Wolf-Hund-Hybride sind in Deutschland sehr selten

In Gelnhausen untersuche man schon seit 2010 auch Kern-DNA, nicht nur die mtDNA. Nur so ließen sich einzelne Wölfe identifizieren und Rudel rekonstruieren. So könnte Senckenberg auch beurteilen, dass Hybride in Deutschland sehr selten sind. Ob man jedes Mal im Befund schreibe: "Hund" oder "Hund oder im extrem seltenen Ausnahmefällen Hybrid" würde in der Praxis nichts ändern.

Das würde, "wie das auch bei den ForGen-Gutachten zu sehen ist", bei den Auftraggebern nur zu irrigen Annahmen führen. Es sei allgemein bekannt, dass es Merkmale gebe, die nahezu nur bei Wölfen, nicht bei Hunden auftauchen.

Johann Söder aus der Rhön, der B-Proben seines gerissenen Reitpferds nach Hamburg geschickt hat, sagt, ihm gehe es nicht um Entschädigung. Die bekäme er wegen eines fehlenden Schutzzaunes ohnehin nicht. Er möchte nur Gewissheit.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gelnhausen
Kilianshof
Björn Kohlhepp
B-Probe
Labors
Tierhalterinnen und Tierhalter
Tierärztinnen und Tierärzte
Wölfe in Unterfranken
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top