
Zwei Mal war Michael Schiele nach seinem Rauswurf noch am Dallenberg. Einmal, um seine Sachen zu packen, die sich in fast genau drei Jahren als Cheftrainer der Würzburger Kickers angesammelt hatten. Es dürfte ziemlich sicher der unangenehmste Besuch für den inzwischen 43-Jährigen gewesen sein. Nur zwei Monate später, dann als Chefcoach des SV Sandhausen, führte Schieles erste Auswärtsfahrt mit dem neuen Klub ihn erneut nach Würzburg. Er schlug die von Bernhard Trares angeleiteten Kickers mit 3:2, jegliche Form von Schadenfreude verkniff er sich hinterher. An diesem Montagabend (19 Uhr) kommt er - sollte Corona keinen Streich durch die Rechnung machen - zum dritten Mal zurück an den Dallenberg, als Cheftrainer von Eintracht Braunschweig. Es könnte ein unerwartet nüchternes Wiedersehen werden.
Drei Jahre sind eine lange Zeit. Besonders im Profifußball, der so gerne als "schnelllebiges" Geschäft bezeichnet wird. Brutal und herzlos waren im Oktober vergangenen Jahres schon eher die Adjektive, die den Anhängern der Rothosen in den Sinn kamen, als Schieles Entlassung offiziell geworden war. Der Aufstiegstrainer, bei Fans und Spielern gleichermaßen beliebt und quasi das Gesicht der Kickers, bekam nur einen Minikader zur Verfügung gestellt, verlor zwei Mal und wurde nach nur zwei Spieltagen geschasst. Felix Magath, Berater des Investors, hatte den Daumen gesenkt. Es war wahrscheinlich ein großes Glück für den Verein, dass sich die Welt gerade in einem Ausnahmezustand befand. Die Proteste der Fans gegen den eigenen Klub fanden, wie nahezu alles, nur im digitalen Raum statt. Die Anhänger saßen einfach nur stinksauer vor dem Fernseher.
So auch bei Schieles zweiter Rückkehr, bei der Partie des SV Sandhausen gegen die Kickers. Aufgrund der Pandemie durfte kaum jemand ins Stadion. Keine Fans, keine Stimmung, keine Sprechchöre für den vom Hof gejagten Ex-Coach. Wohl auch deshalb war bei Schiele damals keine Regung zu erkennen, als er nach Spielende im ihm so vertrauten Würzburger Presseraum saß. "Ein bisschen komisch" sei es zwar gewesen, als Gästetrainer an alter Wirkungsstätte zu Gange gewesen zu sein. Aber sonst? Kein weiterer Kommentar, danke, tschüss. Heute klingt das anders. Im Telefonat gibt er zu, dass das Wiedersehen sehr wohl "brutal emotional" gewesen war. Es war Schieles erstes Auswärtsspiel als SVS-Chefcoach.
Wiedersehen unter Flutlicht
Die Umstände an diesem Montag wären andere. Es geht wieder eine Liga weiter unten zur Sache. Dort, wo Schieles Geschichte mit den Kickers begonnen hatte. Außerdem: Flutlichtspiel, Zuschauer auf den Rängen, die Wetterprognosen sagen leichten Nieselregen voraus. Mit einer an Studenten gerichteten Aktion versucht der Verein, die zuletzt spärlich besetzten Tribünen aufzufüllen. Ob das Duell des Tabellenvierten bei den auf Rang 18 platzierten Kickers deshalb zu einem emotionalen Wiedersehen mit Michael Schiele und den Würzburger Fans werden wird? Es darf zumindest bezweifelt werden.
Denn: Es ist fast niemand mehr da aus Schieles Zeit beim FWK, abgesehen freilich von Sponsor Thorsten Fischer. Dessen Berater Felix Magath? Hat sein Engagement beendet und gibt wieder den Fußballfachmann in Talkshows oder aber Speerwerfern Trainingstipps in der Bild-Zeitung. Der Vorstandsvorsitzende Daniel Sauer, der die undankbare Aufgabe übernommen hatte, Schiele von dessen Entlassung zu unterrichten? Hat seinen Vertrag nicht verlängert und ist nicht länger Teil des Klubs. Sportvorstand Sebastian Schuppan, der Schiele und die Kickers als Kapitän gegen den Halleschen FC in die 2. Liga geschossen hatte? Entlassen. Die Spieler, Schieles "Jungs"? Werden immer weniger. Aus der Aufstiegsmannschaft sind noch Daniel Hägele, Dominik Meisel, Robert Herrmann und Maximilian Breunig übrig, Saliou Sané und Niklas Hoffmann wirkten unter ihm immerhin noch ein halbes Jahr mit.

Deshalb glaubt auch Schiele selbst nicht an ein allzu emotionales Spiel. "Es ist viel Zeit vergangen", sagt er. "Aber ich freue mich, zurückzukommen und die Spieler zu sehen. Ein paar sind ja noch da. Es sind positive Gedanken, auch wenn es damals negativ geendet ist."
Neue Hoffnung unter Danny Schwarz
Inzwischen hat Danny Schwarz Schieles ehemaligen Platz eingenommen. Er ist der fünfte Fußballlehrer am Dallenberg seit der Demontage des Braunschweig-Trainers. Und der erste, unter dem wieder Zuversicht aufkeimt in Würzburg. Sieben Punkte aus drei Spielen lassen das Stimmungsbarometer seit einer gefühlten Ewigkeit, genauer gesagt seit Schieles Rauswurf, erstmals wieder nach oben klettern. Man fühlt sich an alte Zeiten erinnert, und das nicht nur aufgrund des ähnlich klingenden schwäbischen Idioms der beiden Trainer. Es macht den Eindruck, als könne wieder etwas entstehen bei den Kickers. Ein bisschen ist es vielleicht wie im echten Leben: Eine neue Liebe macht die schmerzhafte Trennung schnell vergessen.
Noch ist es sicherlich viel zu früh, Schwarz' Engagement bei den Kickers auf eine solche Ebene zu hieven. Seit gerade einmal drei Spielen hält der 46-Jährige das Zepter in der Hand. Fakt ist: Die Rothosen stehen noch immer auf einem Abstiegsplatz, haben drei Punkte Rückstand zum rettenden Ufer. Würzburg steckt mitten im Kampf um den Klassenerhalt. Es ist das eigentliche Thema, das über dieser Partie schwebt. Die Rückkehr von Michael Schiele wird wohl nur noch ein Nebenaspekt sein. Es ist viel passiert am Dallenberg.
Die Entlassung damals nach 2 Spielen (!!) war sicher nicht spontan, sondern von Herrn Magath lange geplant. Was daraus geworden ist, hat man ja dann gesehen.
Ich weiß nicht, ob die Kickers auch mit Michael Schiele als Trainer abgestiegen wären. Vermutlich schon. Aber das Ganze wäre dann zumindest mit Stil und Anstand passiert.
Herzlich Willkommen in Würzburg, Eintracht-Trainer Michael Schiele !
Es ist mehr als fraglich, ob sich die Kickers von diesen Tiefschlag wieder erholen können.