Der gebürtige Göppinger Danny Schwarz (46) ist der sechste Trainer bei Fußball-Drittligist Würzburger Kickers in den letzten 13 Monaten. Am Samstag (14 Uhr)steht für ihn die Heimpremiere gegen Türkgücü München an. Im Interview spricht der Ex-Bundesliga-Profi (VfB Stuttgart, Karlsruher SC, SpVgg Unterhaching, 1860 München) über seine Karriere und die Ziele mit den Rothosen.
Danny Schwarz: Der Verein hier hat eine jüngere Geschichte, die sehr turbulent war. Ich habe natürlich nachgefragt, wie es dazu gekommen ist. Die Verantwortlichen haben mir in den Gesprächen Vieles erklärt. Das, was in den letzten Monaten und im vergangenen Jahr passiert ist, passt nicht zu dem Verein. In meinen Augen sind die Kickers ein harmonischer und bodenständiger Klub. Dass ich hier vor einer riesigen sportlichen Herausforderung stehe, weiß ich auch. Ich kann die Tabelle lesen. Aber es war für mich jetzt Zeit, den Sprung in den Profibereich zu machen. Ich glaube, der Schritt nach Würzburg ist genau der richtige für mich. Es ist doch unrealistisch, zu denken: Ich gehe in den Profibereich zu einem top platzierten Klub, in dem alles reibungslos läuft. Wo der Trainer gewechselt wird, gibt es immer in irgendeinem Bereich Schwierigkeiten. Aber die Lage ist nicht aussichtslos und ich finde, dass in der Mannschaft viel mehr Potenzial steckt, als es momentan den Anschein hat.
Schwarz: Ich gebe zu: Es fällt nicht leicht, den FC Bayern zu verlassen. In neun Jahren als Trainer dort gewöhnt man sich an Vieles und bekommt auch so einiges mit. Da bekommt man ein gewisses Selbstverständnis. Die Aufgabe ist es, Talente nach oben zu bringen. Das ist die eine Seite. Die andere: Beim FC Bayern ist man es gewohnt, in der Tabelle ganz oben zu stehen. Da geht es auch darum, das Mia-san-Mia-Gefühl zu verinnerlichen. Dort ist alles auf Erfolg getrimmt. Dass die Bedingungen in München rundherum top sind, das ist doch klar. Wir reden hier von einer der besten Fußball-Mannschaften der Welt. Dass der Unterbau entsprechend organisiert ist, das ist logisch. Es war schön, das Alles so lange mitzuerleben. Aber es ist nicht so, dass ich jetzt plötzlich in einer völlig anderen Welt aufgewacht bin und mich frage: Was ist denn hier los? Ich habe bei den Kickers alles, was ich als Trainer zum Arbeiten brauche: Ich habe zwei gute Trainingsplätze, ein gutes Team rund um das Team, ein Büro mit einem Fernseher und - ganz wichtig - einer Kaffeemaschine.
Schwarz: Für meine Familie war dieser Schritt brutal - und für mich auch. Ich lebe jetzt seit 15 Jahren in München. Die Familie hat sich daran gewöhnt, dass ich öfters daheim bin. Meine Zwillingstöchter sind 18 Jahre alt. Jetzt werden sie langsam flügge und können auch mal auf mich verzichten. Aber wir haben als Familie eine brutal enge Bindung.
Schwarz: Absolut. Es ist mir nicht leicht gefallen, diesen Schritt zu gehen und ich habe mir schon Gedanken gemacht, wie ich das alles unter einen Hut bekomme. Ich will und muss gerade in der jetzigen Phase hier präsent sein. Aber ich bin hier ja nicht aus der Welt. Das war sicherlich auch ein Punkt im Gesamtpaket Würzburg, der für die Kickers gesprochen hat. Dazu kommen aber noch viele andere. Ich wollte nicht einfach das erstbeste Angebot annehmen, sondern es musste für mich schon passen. Man hat mir glaubhaft gemacht, dass das letzte Jahr nicht für die Würzburger Kickers steht. Ich habe das Gefühl, dass man hier zusammensteht und gemeinsam aus dem derzeitigen Tief herauskommen will.
Schwarz: Wichtig wird sein, realistisch an die Sache heranzugehen. Zu sehen, was möglich ist. Wir sind ein Zweitliga-Absteiger, deshalb sind die Ansprüche hoch. Aber die Mannschaft ist inzwischen eine andere. Es geht zuerst darum, Teamspirit zu erzeugen. Wir müssen ein verschworener Haufen werden, sonst haben wir keine Chance. Ich habe noch kaum eine Mannschaft erlebt, die sich mit spielerischen Mitteln aus dem Tabellenkeller herausballert. Da geht es erst einmal um andere Komponenten.
Schwarz: Da gibt es verschiedene Ansätze. Ich glaube nicht, dass es reicht, drei Mannschaftsabende zu machen. Entscheidend ist nur, was auf dem Platz passiert. Ich muss mich auf dem Platz auf den Kollegen verlassen können - dann wird man zum Team. Eine Einheit wird man nur über viel Training, miteinander quatschen, Fehler verzeihen und letztlich auch Erfolgserlebnisse. Fußball spielt sich zu 90 Prozent oben in der Birne ab. Es bringt nichts, dem Team künstlich von außen etwas überzustülpen.
Schwarz: Anfangs war er Co-Trainer von Rolf Fringer. Dann gab es einen Trainerwechsel, und Jogi wurde zum Chef. Für damalige Verhältnisse war er ein sehr moderner Trainer. Pure Ausdauerläufe gab es bei ihm nicht. Er hat mir damals als jungen Spieler ein gutes Gefühl gegeben. Ich hätte mir mehr Spielzeit gewünscht, aber ich hatte mit Spielern wie Zvonimir Soldo auch eine unheimlich starke Konkurrenz. Letztlich habe ich deshalb den Schritt nach Karlsruhe gemacht, der sich im Nachhinein als genau richtig erwiesen hat. Aber kein Vorwurf an Jogi: Ich hätte damals als junger Trainer auch nicht auf einen 21-Jährigen gesetzt. Persönlichkeiten wie Bobic, Elber, Balakov zu erleben und auch der DFB-Pokalsieg, bei dem ich im Finale immerhin zwei Minuten mitspielen durfte, das hat mich als jungen Spieler geprägt.
Schwarz: Ich bin ja zu den kleinen Bayern gegangen, bin gebürtiger Schwabe und kein Ur-Münchner. In der Fanszene war das aber trotzdem ein Thema. Nachdem ich zuvor bei 1860 Kapitän war, war es manchen nicht Recht, dass ich plötzlich im roten Trikot herumgesprungen bin. Ich habe zusammen mit dem damaligen Trainer Mehmet Scholl das Gespräch mit den Fans gesucht. Nach neun Jahren ist die blaue Farbe aber schon längst mit Rot überstrichen. Trotzdem gab es mal ein Transparent: 'Einmal Feind, immer Feind'. Ein kleiner Kern hat das grundsätzlich nicht gerne gesehen, dass ich in dem Verein war. Mit fast allen hatte ich aber ein sehr gutes Verhältnis. Ich bin locker damit umgegangen. Letztlich war das für mich nie ein Problem. Es blieb ja immer bei Transparenten. Persönlich bin ich nie angegangen oder beleidigt worden.
Schwarz: Ja, mit Unterhaching, als wir 2000 Leverkusen am letzten Spieltag zu Hause geschlagen haben. Dass wir damals das Zünglein an der Waage sein durften, das war für uns die Belohnung vom Fußballgott am Ende einer unglaublichen Saison. Da haben wir, wie man so sagt, unser Leben auf dem Platz gelassen. Dieses Erlebnis wird mir keiner mehr nehmen können. Wir sind am Ende Zehnter geworden. Das war unglaublich. Wir, als das kleine gallische Dorf in der Bundesliga. Wir sind damals in Frankfurt mit einer 0:3-Niederlage gestartet. Da waren wir, glaube ich, zweimal über der Mittellinie. Hinterher saßen wir alle in der Kabine und dachten: Die Saison kann ja witzig werden! Aber wir sind zusammengestanden und Haching wurde zur Festung. Wir haben hart trainiert. Wir wussten, wenn wir versuchen mitzuspielen, dann werden wir abgeschossen. Deswegen haben wir gesagt: Okay, dann machen wir es anders. Wir gehen dem Gegner auf die Nerven und dann kommt unsere Konterstärke. Der Erfolg hat unserem Trainer Lorenz-Günther Köstner Recht gegeben.
Schwarz: Genau darum geht es. Ich weiß, dass wir erst sechs Tore geschossen haben. Aber in unserer Situation, wenn du hinten in der Tabelle stehst, passieren die verrücktesten Dinge. Da denkst du, alles hat sich gegen dich verschworen. Dagegen musst du dich stemmen. Und da fangen wir erst einmal hinten an. Das Heil in der Offensive zu suchen, geht meistens schief. Wir brauchen erst einmal eine gesunde Basis hinten, dann nach und nach Lösungen mit dem Ball. Ich bin ein Trainer, der den Ball haben will. Und letztlich wollen wir dann auch im Angriff für den Gegner eklig werden.
Schwarz: Der jetzige Kader hat das volle Vertrauen. Aber, ich glaube, der Verein muss sich alle Optionen offen lassen, um vielleicht im Winter noch nachjustieren zu können. Wenn man sieht, wo es noch hakt. Aber nun haben erst einmal alle die Chance, sich zu präsentieren. Ich glaube, niemand will noch einmal einen aufgeblähten Kader von 35 Leuten. Um eine verschworene Gemeinschaft zu werden, braucht man einen kleinen Kreis.
Schwarz: Die Tabelle spiegelt etwas wieder. Es war nicht nur Pech, dass wir hinten drin stehen. Aber: Die Mischung im Kader ist gut. Wir haben nicht nur junge, sondern auch erfahrene Kicker wie Marvin Pourié oder Fanol Perdedaj. Jetzt kommt es darauf an, eine Achse zu finden, an der sich die jungen Spieler orientieren können. Das heißt jetzt nicht, dass diese Führungsspieler laut sein müssen. Es gibt genügend Spieler, die führen Ihr Team durch Leistung und nicht durch Reden.
Schwarz: Fußball ist nicht so kompliziert. Das meiste spielt sich im Kopf ab. Natürlich bekommen die Jungs auch etwas an die Hand. Man kann Taktik bis zum Erbrechen machen, aber wenn die Bereitschaft und die Einstellung nicht passen, dann hilft dir die ganze Taktik nichts. Ich versuche eine gesunde Balance zu finden, die vielleicht eher nicht in die taktische Richtung ausschlägt.
Schwarz: Wenn man das so einteilen will, ja. Aber ich habe von Pep sehr viel gelernt. Auch wenn ich nie ganz nah dran war. Aber das, was ich bei ihm aus der Ferne beobachtet habe, hat mir in vielen Bereichen die Augen geöffnet.
Schwarz: Da kann man als Trainer nicht immer alles richtig machen. Fest steht: Der Einfluss eines Trainers von außen ist während eines laufenden Spiels nicht so groß wie man denkt. Da bekommt man als Spieler nicht viel mit. Ob ein Trainer 90 Minuten ruhig am Rand sitzt oder auf und ab tigert, sagt nichts über seine Qualität.
Schwarz: Jetzt geht es für uns erst einmal darum, den Klassenerhalt zu schaffen. Dann wollen wir hier etwas aufbauen, das ist der Plan. Hier steht vieles in den Startlöchern. Ich weiß, dass ein Trainingszentrum und ein Stadion viel Geld kosten und es Zeit braucht, solche Pläne umzusetzen. Aber natürlich geht es auch darum, professionelle Strukturen zu schaffen. Dann ist Würzburg auch für viele Spieler ein sehr interessanter Standort, um sich weiterzuentwickeln. Hier ist etwas möglich.