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Tauberbischofsheim
IOC-Präsident Thomas Bach: Der Tausendsassa aus Tauberbischofsheim
Nach dem Sport wechselt Thomas Bach in die Wirtschaft. In Teil 2 unserer Serie über den mächtigsten Mann im Weltsport beleuchten wir seinen Weg von Adidas ins IOC.
Thomas Bach ist seit zehn Jahren IOC-Präsident. Damit ist der Ex-Fechter und Putin-Freund Herr der Olympischen Ringe und eines gigantischen Wirtschaftsbetriebs mit Milliarden-Umsätzen.
Foto: Witters, dpa / GettyImages / Collage: Daniel Biscan | Thomas Bach ist seit zehn Jahren IOC-Präsident. Damit ist der Ex-Fechter und Putin-Freund Herr der Olympischen Ringe und eines gigantischen Wirtschaftsbetriebs mit Milliarden-Umsätzen.
Achim Muth
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:42 Uhr

IOC-Präsident Thomas Bach (69) aus Tauberbischofsheim ist der mächtigste Mann im Weltsport. Vor zehn Jahren wurde er in Buenos Aires als erster Deutscher in dieses Amt gewählt. In einer dreiteiligen Serie porträtieren wir den Weg Bachs aus der Kleinstadt an der Tauber zum Fecht-Olympiasieger und an die Spitze der Olympischen Bewegung. Teil 2: Der Strippenzieher.

Eine Zäsur. Ohne Frage bedeutet der Boykott der Olympischen Spiele 1980 in Moskau eine Zäsur in der Vita des Sportlers Thomas Bach. Nach dem Einmarsch russischer Truppen in Afghanistan setzen sich die USA unter Jimmy Carter an die Spitze der Boykottbewegung, insgesamt bleiben 42 Nationen aus politischen Gründen den Spielen in Russland fern. Darunter – auf Empfehlung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt – auch Deutschland.

Für Thomas Bach, mit 26 Jahren voll in der Blüte, ein Niederschlag, der ihn prägt und den er Zeit seines Lebens als Antrieb für sein Tun sieht. Er hält den Boykott für einen großen Fehler. "Kein einziger Soldat hat sich aus Afghanistan herausbewegt, nur weil einige Mannschaften nicht bei den Olympischen Spielen gestartet sind", sagt Bach im Buch "En garde! Allez! Touché! – 100 Jahre Fechten in Deutschland".

Thomas Bach trennt seit dem Olympia-Boykott von 1980 strikt zwischen Sport und Politik

Thomas Bach ist seitdem ein leidenschaftlicher Verfechter der strikten Trennung von Sport und Politik. Die Autonomie der Athleten erhebt er zu seiner Maxime. Ein Denkmuster, das ihm später – vor allem in Deutschland – noch viel Kritik einbringen wird.

Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in Düsseldorf beschließt das Nationale Olympische Komitee von Deutschland 1980 den Boykott der Olympischen Spiele von Moskau. Anwesend damals auch Fechter Thomas Bach (rechts) sowie die Kanutin Ulrike Deppe und der Turner Eberhard Gienger.
Foto: Wilhelm Leuschner, dpa | Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in Düsseldorf beschließt das Nationale Olympische Komitee von Deutschland 1980 den Boykott der Olympischen Spiele von Moskau.

Der Boykott von Moskau ist für Bach der Anfang vom Ende seiner sportlichen Laufbahn. Der Beruf rückt in den Vordergrund. Zielstrebig agiert er auch hier.

"Er war schon als Kind extrem wissenshungrig. Man sagte: Er hat wahrscheinlich mit drei Jahren schon die FAZ gelesen", sagt sein früherer Mannschaftskollege Matthias Behr. Die beiden hatten gemeinsam in der Kleinstadt Tauberbischofsheim unter Emil Beck das Fechten begonnen und waren 1976 gemeinsam Team-Olympiasieger geworden.

Thomas Bach studiert nach der Fecht-Karriere Jura in Würzburg

Auch in Behrs dunkelster Stunde ist Bach dabei: Bei der Fecht-WM 1982 in Rom treffen die Deutschen im Viertelfinale auf Russland. Behr, die Nummer zwei der Welt, auf Vladimir Smirnow, die Nummer eins. Im Gefecht bricht Behrs Klinge, die abgebrochene Waffe bohrt sich durch die poröse Maske ins Gesicht des Gegners. Wenige Tage später stirbt Smirnow. "Damals nach dem Unfall", sagt Behr, "waren Thomas und ich uns sehr nah. Er hat den Arm um mich gelegt und hat mich getröstet. Das hat sehr gut getan."

In Rom ist Bach Zuschauer, er konzentriert sich auf sein Jura-Studium an der Würzburger Julius-Maximilians-Universität und auf seine Doktorarbeit, die er 1983 dort vorlegt. "Der Einfluss von Prognosen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" heißt der Titel der trockenen 211-Seiten-Schrift. Gewidmet ist sie: "Meiner lieben Frau".

Claudia Kargl hat der junge Thomas Bach schon als Schüler am heimischen Matthias-Grünewald-Gymnasium in Tauberbischofsheim angesprochen. "Wenn sich eine Chance ergibt, dann ergreift er sie", sagt Behr über Bach – und meint den Sport. Aber auch im Privatleben scheint der Angriff des jungen Amors in bester Fechtermanier von Erfolg gekrönt: Bereits mit 23 Jahren heiratet er am 5. August 1977 seine Claudia.

1983 macht sich Thomas Bach als Anwalt in Tauberbischofsheim selbstständig

Auch wenn sich Thomas Bach 1983 als Anwalt mit einer eigenen Kanzlei in seiner Heimatstadt Tauberbischofsheim niederlässt, so fährt er doch mehrgleisig. Bereits 1976, kurz nach seinem Olympiasieg von Montreal, tritt er in die FDP ein.

1981 wird er in Baden-Baden zum Athletensprecher im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) gewählt. Ein Jahr später wird Bach ins Nationale Olympische Komitee (NOK) Deutschlands berufen, wo er in Präsident Willi Daume einen Mentor und Förderer findet.

Ein Freund der Kultur: Thomas Bach 2008 zusammen mit seiner Frau Claudia (rechts) sowie dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (Prichsenstadt) und dessen Gattin Ilse bei der Eröffnung des Mozartfests in der Würzburger Residenz. 
Foto: Norbert Schwarzott | Ein Freund der Kultur: Thomas Bach 2008 zusammen mit seiner Frau Claudia (rechts) sowie dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (Prichsenstadt) und dessen Gattin Ilse bei der Eröffnung des Mozartfests in ...

Bald schon knüpft Bach auch Kontakte in die Wirtschaft. 1985 holt ihn Horst Dassler als Berater zum Sportartikelgiganten Adidas. Fußballfreund Bach ist zuständig für die Betreuung der Bundesligavereine.

"Einige Weihnachtsfeiern bei den Bayern sind die Höhepunkte der damaligen Zeit, nette Gespräche und Kontakte zu den Beckenbauers, Augenthalers und Hoeneß haben sich dort damals ergeben, es wurden richtig vielfältige Beziehungen", schrieb Bach einmal in einem Gastbeitrag für unsere Redaktion im Rückblick auf diese Zeit.

1991 wird Thomas Bach Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC)

Thomas Bach spinnt sein Netz. Die Welt ersetzt Tauberbischofsheim. Er erlangt den Ruf eines Strippenziehers, und in den 1990er Jahren startet er dann durch: 1991 wird er ins IOC berufen, schon fünf Jahre später hält er Einzug in das IOC-Exekutivkomitee, die Weltregierung des Sports.

Das IOC ist Veranstalter der Olympischen Spiele – und damit Betreiber eines gigantischen Geschäftsmodells: Laut dem Statistikunternehmen Statista lagen die Einnahmen für die Geschäftsjahre 2017 bis 2021 bei 7,6 Milliarden Euro.

Im IOC hat Bach auf internationalem Parkett einen Förderer: Präsident Juan Antonio Samaranch aus Spanien, Freund des Diktators Francesco Franco und immer wieder mit schweren Korruptionsvorwürfen konfrontiert.

Bei einem gemeinsamen Besuch in Würzburg im April 1998 sagt Samaranch bei Zanderfilet und Stracciatella-Eis über Bach: "Als allererstes schätze ich an ihm, dass wir eine sehr freundschaftliche, sehr enge Beziehung haben. Er ist noch jung, ihm steht eine glänzende Zukunft bevor."

Eine Aussage, die sich schnell bewahrheiten sollte. Bei den olympischen Sommerspielen in Sydney 2000 wird Bach zum IOC-Vizepräsidenten und Stellvertreter Samaranchs gewählt.

Thomas Bach (links) und der damalige IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch (Mitte) bei einem Besuch im April 1998 in Würzburg.
Foto: Theresa Ruppert | Thomas Bach (links) und der damalige IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch (Mitte) bei einem Besuch im April 1998 in Würzburg.

Auch den Deutschen Olympischen Sportbund führt Bach erfolgreich

"Bachs Werdegang zeigt, dass er mit einem langfristigen Plan die IOC-Führung angestrebt hat", sagt Clemens Prokop aus Regensburg, früherer Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. "Er war Berater bei Adidas, war Präsident der deutsch-arabischen Handelsvereinigung Ghorfa und Berater bei Siemens. Er hat sich in der Wirtschaft ein Netzwerk aufgebaut, das ihm für seine Ambitionen nicht schädlich war."

Schließlich habe der Tausendsassa aus Tauberbischofsheim 2006 nach der Gründung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) nachgewiesen, "dass er auch einen Verband führen kann", so Prokop. "Das hat er strategisch und machtpolitisch extrem geschickt gemacht. Er hat nach meinem Eindruck immer im Hinterkopf: Wie sind die Machtverhältnisse?"

Erst ein Befürworter, jetzt ein Kritiker von Thomas Bach: Clemens Prokop, ehemaliger Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.
Foto: Achim Muth | Erst ein Befürworter, jetzt ein Kritiker von Thomas Bach: Clemens Prokop, ehemaliger Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.

Thomas Bach ist seit 25 Jahren Aufsichtsratsvorsitzender der Weinig AG in Tauberbischofsheim

Auch wenn Thomas Bach nun um die Welt jettet und zeitweise Chef der IOC-Evaluierungskommission für die Olympia-Bewerberstädte ist: Für geschäftliche Tätigkeiten in der Heimat findet er bis heute Zeit. Seit 25 Jahren ist er Aufsichtsratsvorsitzender der Weinig AG, einem Weltmarktführer für Maschinen und Systeme zur Holzbearbeitung und Tauberbischofsheims größter Arbeitgeber.

Clemens Prokop, wie Bach Jurist und seit Juli 2023 Präsident am Landgericht Regensburg, hat den Weg des deutschen Spitzenfunktionärs lange Zeit hautnah verfolgt. "Ich saß in der Kommission, die damals Bach als DOSB-Präsident vorgeschlagen hat", sagt Prokop.

Nach der Fusion von NOK und dem Deutschen Sportbund war der deutsche Sport Mitte der Nuller-Jahre auf der Suche nach einer Führungsfigur für die neue Organisation. "Ich habe Thomas Bach aus echter Überzeugung unterstützt, weil er zweifellos ein kluger Mann ist, sich im Sport auskennt und über viele spannende Netzwerke verfügte."

Lange habe sie ein harmonisches Verhältnis verbunden, sagt Ex-Leichtathletik-Funktionär Prokop. "Es ist erst in eine Disharmonie abgeglitten, als ich begonnen habe, eine stärke Dopingbekämpfung zu fordern, insbesondere einen stärkeren Eingriff des Staates auf diesem Gebiet. Das wollte er nun gar nicht."

Clemens Prokop kritisiert Bachs Haltung im Kampf gegen Doping

Prokop trifft Bach an seiner empfindlichsten Stelle. Eine Einmischung des Staates in die Belange des Sports? Auch wenn der Anwalt aus dem Taubertal stets die Politik einband, wenn es um die finanzielle Förderung des Sports oder die Ausrichtung von Olympischen Spielen ging und sie ihm nutzte – von Ex-Kanzler Helmut Kohl bis zu Russlands Präsident Wladimir Putin – so strikt verwahrt er sich gegen politische Einflussnahme.

"Bach hat damals in den Raum gestellt, dass es der Dopingbekämpfung schaden würde, wenn zwei konkurrierende Systeme, Sportgerichtsbarkeit und Justiz, ermitteln und zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen würden", sagt Prokop, ein Verfechter für das Gesetz, das letztlich 2015 in Deutschland eingeführt wurde.

"Genau das Gegenteil ist eingetreten: Das Anti-Dopinggesetz hat die Dopingbekämpfung in Deutschland auf ein neues Niveau gehoben und die Effizienz deutlich gesteigert. Unser Verhältnis hat sich damals abgekühlt. Ich hatte den Eindruck, dass es ihm schwerfällt, zwischen fachlicher Auseinandersetzung und persönlichen Differenzen zu unterscheiden."

Bisher sind alle möglichen Affären an Thomas Bach abgeperlt

Der damalige DOSB-Präsident Thomas Bach präsentiert 2011 zusammen mit Katarina Witt und dem damaligen Oberbürgermeister Christian Ude auf dem Marienplatz die Bewerbung Münchens für die Olympischen Winterspiele 2018. Das Projekt scheiterte.
Foto: Marc Müller, dpa | Der damalige DOSB-Präsident Thomas Bach präsentiert 2011 zusammen mit Katarina Witt und dem damaligen Oberbürgermeister Christian Ude auf dem Marienplatz die Bewerbung Münchens für die Olympischen Winterspiele 2018.

Vielleicht ist Thomas Bach auch nur so sensibel in dieser Frage, weil die Diskussion – auch nach Recherchen dieser Redaktion über die westdeutsche Dopingforschung Ende der 1960er Jahre – im Jahr 2013 zu einer Zeit Fahrt aufnimmt, die ihm reichlich ungelegen kommt: Bach befindet sich im Wahlkampf um das Amt des IOC-Präsidenten.

Eine Affäre um Betrugsvorwürfe seines Fechtlehrmeisters Emil Beck um die Jahrtausendwende, Kritik an der hohen Entlohnung seiner Beratertätigkeiten für Ferrostaal (125.000 Euro pro Jahr) und für Siemens (laut Medienberichten 400.000 Euro pro Jahr plus 5000 Euro Tagessatz) und an einem möglichen Interessenskonflikt sowie mehrfach versemmelte Olympiabewerbungen Deutschlands – alles ist an ihm fein abgeperlt wie Tropfen auf einem Lotusblatt.

Jetzt, wo Thomas Bach seinem Lebensziel so nah ist, soll diese deutsche Debatte um ein Anti-Dopinggesetz nicht alles gefährden. Es ist August 2013. Nur noch wenige Tage bis zur Wahl des IOC-Präsidenten in Buenos Aires . . .

Lesen Sie im dritten Teil unserer Serie über Thomas Bach: Wie er als IOC-Präsident Nachhaltigkeit zum Thema gemacht hat, aber nach dem Skandal um russisches Staatsdoping und wegen seiner Nähe zu Putin stark in der Kritik steht.

Teil 1 der Serie über Thomas Bach über seine Fecht-Karriere für den FC Tauberbischofsheim können Sie hier lesen.

 
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