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LAUSANNE/WÜRZBURG
IOC-Chef Thomas Bach kassierte bei MAN Ferrostaal
Rio 2016 - Olympische Spiele       -  Thomas Bach nahm Türöffner-Funktionen nicht nur für den Sport wahr.
Foto: Orlando Barria (EFE) | Thomas Bach nahm Türöffner-Funktionen nicht nur für den Sport wahr.
Von Frederik Richter und Jens Weinreich (correctiv.org)
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:39 Uhr

Der heutige IOC-Präsident Thomas Bach stand von 2005 bis 2009 auf der Gehaltsliste des Industriekonzerns Ferrostaal. Laut dem Beratervertrag, der dem Recherchezentrum Correctiv vorliegt, kassierte der gebürtige Würzburger 125 000 Euro pro Jahr dafür, dass er Ferrostaal international Türen öffnete. Zur gleichen Zeit war Bach IOC-Vizepräsident und Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

Laut Vertrag gehörte zu Bachs Aufgaben die „Herstellung von Kontakten und, falls erforderlich, Teilnahme an Verhandlungen mit Regierungen, Behörden, Verbänden sowie Unternehmen”. Neben dem Honorar für maximal 20 Arbeitstage wurde eine Pauschale von 5000 Euro pro Tag bei Auslandsreisen zugesagt.

Rüstungsgeschäfte kein olympischer Gedanke

Ferrostaal war für viele deutsche Firmen das Tor zur Welt. Das Unternehmen beschaffte Aufträge, kümmerte sich um die Finanzierung von Geschäften und wickelte als Generalunternehmer in vielen Ländern Großprojekte wie den Bau von Kraftwerken ab. In den 2000er Jahren schmierte Ferrostaal Amtsträger in Griechenland und Portugal, um den Verkauf von U-Booten von Thyssen-Krupp zu unterstützen. 2011 – also deutlich nach Abschluss des Vertrages mit Bach – verurteilte das Landgericht München Ferrostaal zur Zahlung von rund 140 Millionen Euro Geldbuße.

Dass Bach gerade für den Konzern aktiv war, überrascht – allein schon, weil Rüstungsgeschäfte kaum zum olympischen Gedanken der Völkerverständigung passen.

„Bach hat etwas Faustisches“

„Bach hat etwas Faustisches an sich: Zwei Seelen wohnten in seiner Brust“, urteilt der Würzburger Korruptionsexperte Uwe Dolata: „Auf der einen Seite war er ranghoher Vertreter des fairen Kräftemessens im Sport, auf der anderen Türöffner der Industrie.“ Wie sich solche Praktiken mit Compliance-Regeln zum Schutz vor Korruption vereinbaren lassen (die auch bei Firmen wie MAN heute üblich sind), sei eine Frage, die vielleicht ein Staatsanwalt stellen müsse.

Als IOC-Vorstandsmitglied und Chef mehrerer Prüfkommissionen für Olympiabewerber öffneten sich Bach schon sehr früh viele Türen. Denn zu den IOC-Mitgliedern zählen seit jeher zahlreiche Konzernchefs, Minister, Angehörige des Hochadels, Staatspräsidenten, Emire, Milliardäre und zahlreiche Geschäftemacher aus allen Kontinenten. Sie alle sind für die Wirtschaft hochinteressant.

Kontakte durch Beraterverträge

Bach ist gelernter Anwalt. Aber seine Kontakte zu Regierungschefs und Unternehmensführer dürfte er zum größten Teil aufgrund seiner sportlichen Ämter haben. Mögliche Interessenkonflikte bestehen darin, dass er sich die Kontakte mit Beraterverträgen privat versilbern lässt. Bereits 2008 wurde ein Beratervertrag mit der Siemens AG bekannt. Auch Siemens wurde 2008 in Deutschland und den USA zu mehr als einer Milliarde Euro Strafe verurteilt, weil der Konzern sich mit Schmiergeldern um Aufträge bemüht haben soll.

Der Siemens-Vertrag sicherte dem Tauberbischofsheimer Ex-Fechter ein Jahreseinkommen von zuletzt 400 000 Euro und Spesen von 5000 Euro pro Tag. Nachdem Medien Details veröffentlicht hatten, ließ man den Kontrakt auslaufen, den Bach frühzeitig der Ethik-Kommission des IOC offenbart haben will.

„Stets sauber getrennt“

Thomas Bach verteidigt sich seit Jahren damit, er habe weder in seiner „Lehrzeit“ bei Adidas noch bei Siemens je irgendetwas mitbekommen von unsauberen Machenschaften. Er habe stets sauber zwischen Ehrenämtern und seinen beruflichen Tätigkeiten als Lobbyist, Anwalt und Berater unterschieden. Interessenskonflikte? Bach prägte die Formulierung der „vielfältigen Lebenssachverhalte“.

Wie schwierig es gewesen sein muss, zwei Aufgaben auseinanderzuhalten, zeigt ein Beispiel: Anfang 2005 (kurz bevor er den Ferrostaal-Vertrag unterschrieb) setzte er sich beim damaligen Energieminister Scheich Ahmad dafür ein, Kuwait für Siemens als Großaktionär zu gewinnen. Der „Spiegel“ zitierte aus E-Mails von Bach an den Siemens-Vorstand Rudi Lamprecht: Er habe „die Investitionsfrage noch einmal mit dem Energieminister vertraulich besprochen“. Unter IOC-Kollegen.

Er lehnt es jetzt gegenüber Correctiv ab, Fragen zu seinem Engagement für Ferrostaal und dem Beratervertrag zu beantworten. Auch der Konzern beantwortete keine Fragen.

Am Erfolg beteiligt

Der Ferrostaal-Vertrag zeigt, dass von dem Sportfunktionär mehr erwartet wurde als die Herstellung von Kontakten: Der Mann, der an der Spitze einer Organisation steht, die für sauberen Sport eintritt, war laut Vertrag ein Handelsvertreter für Ferrostaal und mehr als 70 konsolidierte Gesellschaften der MAN Gruppe in mehreren Dutzend Ländern.

Für erfolgreiche Abschlüsse im Wert von über 29 Millionen Euro erhielt er eine Umsatzbeteiligung als „Sonderbonus“, wie es im Ferrostaal-Vertrag geregelt ist. Pikant ist, dass Ferrostaal in jenen Jahren auch Kriegsschiffe vertrieb, mit dem Stahl- und Rüstungskonzern ThyssenKrupp, der die U-Boote und Fregatten auf seinen Werften herstellte.

Firmen aus dem Siemens-Imperium haben seit zwei Jahrzehnten bei nahezu allen Olympischen Spielen und vielen anderen Sport-Großveranstaltungen Aufträge im Wert von mehreren Milliarden Euro erhalten. Siemens ist zudem größter Einzelaktionär des Konzerns Atos, der wiederum zur erlesenen Gruppe der IOC-Sponsoren gehört und bei allen Olympischen Spielen dieses Jahrtausends einen Großteil der IT-Infrastruktur organisierte und etliche andere Großaufträge erhielt.

Derlei vielfältige „Lebenssachverhalte“ wurden 2013 – als Bach für die IOC-Präsidentschaft kandidierte – ausnahmsweise öffentlich thematisiert. Herausforderer Dennis Oswald, IOC-Mitglied in der Schweiz, wetterte in einem Radiointerview, Bach benutze „seine Position“ im IOC, „um für die Gesellschaften, die er vertritt, Vorteile herauszuholen“.

Dagegen wünschte sich Oswald einen „unabhängigen Kandidaten, der nicht auf bestimmte Allianzen angewiesen ist und seine Position für nichts anderes nutzt als zum Wohle des Sports“.

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