zurück
Leitartikel: Olympia erhofft sich britischen Anschub
Von Jürgen Höpfl juergen.hoepfl@mainpost.de
 |  aktualisiert: 27.07.2012 21:28 Uhr

Jetzt sind sie also eröffnet, die Sommerspiele der XXX. Olympiade. Doch ein Problem wird London, wird den Gastgebern, wird der größten Sportveranstaltung der Welt erhalten bleiben: Als die Stadt der Queen anno 2005 den Zuschlag erhielt, übrigens gegen den früh ausgeschiedenen deutschen Mitbewerber Leipzig, blühte Großbritannien noch im Wohlstand, schwebte das Vereinigte Königreich unter Tony Blair noch im Stimmungs- und Wirtschaftshoch.

Die Olympischen Spiele, so dachten die Briten, würden zu einer Demonstration ihrer neuen Stärke und Leistungskraft werden. Sieben Jahre, einen Gordon Brown und David Cameron später, ist der erhoffte Wohlstand passé, der Optimismus dahin, stecken das Land und seine Metropole und obendrein der halbe Kontinent im Eurotief und Politpessimismus fest.

Angesichts der vor Ort sehr wohl spürbaren, übelsten Rezession seit einem halben Jahrhundert hätte das Empire eigentlich andere Aufgaben zu stemmen als Olympische Spiele, deren Sicherheitsaufwand sich auf umgerechnet 1300 Euro pro verkaufter Eintrittskarte oder 150 000 Euro pro teilnehmendem Athleten anhäuft. Mit 2,6 Milliarden Euro Etat hatten die Londoner damals, 2005, kalkuliert – gut elf Millionen Euro dürften es tatsächlich werden.

Solche Fakten sind der Grund, warum die Menschen auf der Insel bisweilen nachvollziehbar freudlos reagieren, wenn sie auf „ihre“ Spiele angesprochen werden. Und auch deshalb haben sich die Olympia-Macher auffällig zurückgehalten beim Gestalten des olympischen Erscheinungsbildes: Nichts wird übertrieben, an den allermeisten Stellen der City würden die Gäste gar nicht mal bemerken, dass der olympische Geist Einzug hält, wenn sie nicht deshalb angereist wären. Sydney 2000, selbst noch Athen 2004 oder Peking 2008 präsentierten sich optisch opulenter.

Ungerecht wäre es trotzdem, wenn die Engländer weiterhin behaupten, dass ihnen Olympia – laut „Daily Mirror“ immerhin seitenhoch aufgemacht die „Greatest Show on Earth“ – gar nicht guttäte. Alleine die Stadtentwicklung im einstmals düsteren, verschmähten Londoner Osten wäre ohne die Dynamik und den Schub der Gastgeberrolle undenkbar. In Stratford etwa entstand auf verseuchtem Areal ein Naherholungsraum nebst einem Wohnungsbau, um den andere Kommunen London bloß beneiden können, angebunden durch das dringend nötig gewesene Schienennetz der „Docklands Light Railway“-Züge.

Die Frage, wer wem guttut, ist daher umgekehrt mindestens genauso berechtigt: Wird London der olympischen Idee so dienen wie Olympia seiner Wahlheimat 2012 womöglich doch? Kann das längst an die Grenzen des Gigantismus gelangte Modell des Barons Pierre de Coubertin von 1896 – ausgereizt, wenn nicht gar überreizt; historisch zwar mal makellos, aber inzwischen durchaus zur Diskussion stehend – neue Strahlkraft erhalten? Werden mitreißende Engländer die Welt begeistern – und damit den olympischen Sport aus seinem Tal befördern, in dem etliche seiner Randdisziplinen stecken? London hätte das Zeug dazu, allemal – viele Städte mit noch mehr Potenzial zu attraktiven Spielen gibt es auf diesem Erdball nicht.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
David Cameron
Gordon Brown
Königreiche
Olympiade
Tony Blair
Wohlstand
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top