Es war eine geniale Idee. Dass sich nur in einem gesunden Körper ein gesunder Geist finden kann, wusste man seit der Antike. Und die wollte Baron Pierre de Coubertin in die Neuzeit retten. Er trommelte zwölf Sportfreunde zusammen und präsentierte ihnen in der Sorbonne zu Paris 1894 den Plan, das Internationale Olympische Komitee zu gründen. Fast 120 Jahre später ist aus diesem Komitee eine milliardenschwere Organisation geworden, Olympische Spiele sind eine Geldmaschine.
Coubertin war nicht nur ein fantasievoller, sondern auch ein energischer Zeitgenosse. 1896 fanden die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen statt. Dann vergingen noch vier Jahre, Olympia kam nach Paris und wurde eine Pleite. Coubertin ließ sich nicht entmutigen, sein Plan, dass immer der das IOC führen sollte, der die nächsten Olympischen Spiele veranstaltet, ließ sich aber nicht realisieren. 1904 konnten sich die Amerikaner zunächst nicht einigen, in welcher US-Metropole die Jugend der Welt an den olympischen Start gehen sollte. 1908 sollte es Rom werden, aber es fehlte das Geld, sie gingen nach London. 1906 gab es sogenannte Zwischenspiele in Athen. Zu einem Geschäft wurden die Spiele nicht, Coubertin hätte das auch nicht gewollt. Vielleicht blieb er deshalb der Chef, ehe er 1925 zurücktrat und zum Ehrenpräsidenten ernannt wurde. Im Ersten Weltkrieg hatte der kluge Mann den Sitz des IOC schon aus Paris nach Lausanne verlegt. Willibald Gebhardt war der erste Deutsche im Komitee, obwohl Coubertin, kein Freund Deutschlands, das eigentlich nicht wollte.
Das IOC ist eine Geschichte von Triumph und Skandal. Der größte war vielleicht der Bestechungsskandal um die Vergabe der Spiele an Salt Lake City 1998. Der Schweizer Anwalt Marc Hodler, Vizepräsident unter Juan Antonio Samaranch, plauderte sie in Lausanne aus. Was danach passierte, hatte es so zuvor im IOC noch nicht gegeben. Samaranch musste reagieren und richtete eine Ethik-Kommission ein. Bereits sechs Wochen nach ihrer Gründung wurden sechs IOC-Mitglieder ausgeschlossen, vier traten zurück und zehn weitere Mitglieder wurden verwarnt. Die Modernisierung des IOC war unausweichlich, zumal unter der autokratischen Führung von Samaranch der Korruption in der Bewegung kaum Einhalt geboten werden konnte. Aber auch die Reform war das Werk des umstrittenen Spaniers, der vor allem durch die gnadenlose Kommerzialisierung Olympias das Überleben des IOC sicherte. In den letzten zehn Jahren hat das IOC sein Guthaben verneunfacht und bis 2013 auf 900 Millionen Euro ausgebaut. Wertvollstes Gut sind die Olympischen Sommer- und Winterspiele. Für die Übertragungsrechte an Olympia in Peking 2008 beispielsweise zahlte allein der europäische Senderzusammenschluss EBU 443,4 Millionen Dollar, für die Winterspiele in Vancouver 2010 sowie die Sommerspiele in London im vergangenen Jahr legte die EBU insgesamt 746 Millionen Dollar auf den Tisch des IOC.
Darüber hinaus geriet und gerät das IOC stets in den Blickpunkt politischer Interessen. Erstmals 1976 in Montreal wurden die Spiele aus politischen Gründen boykottiert. 1980 boykottierte der Westen die Spiele in Moskau, nachdem Russland in Afghanistan einmarschiert war. Vier Jahre später blieb der Osten in den Zeiten des Kalten Krieges den Spielen in Los Angeles fern. 1896 hatte das IOC 15 Mitglieder, heute dürfen es nach der olympischen Charta maximal 115 sein. Wichtigste Aufgabe des IOC ist die Vergabe und Überwachung der Olympischen Spiele. Erstmals gab sich das Komitee 1924 feste Regeln, die in der Charta zusammengefasst sind. Die Charta bildet die Grundlage der olympischen Bewegung. Mitglieder benannte in der Gründungsphase allein Pierre de Coubertin. Aktuell werden neue Mitglieder von bestehenden gewählt. Da sich das Komitee lange Zeit vorwiegend aus Aristokraten und Honoratioren zusammensetzte, stieg das Durchschnittsalter im „Altherren-Zirkel“ bis 1980 auf 67,1 Jahre an. 1999 wurde eine Altersbeschränkung auf 70 Jahre eingeführt. Sie bleibt aber umstritten.
Seit 1921 ist die Exekutive der Vorstand des IOC und besteht aus dem Präsidenten, vier Vizepräsidenten und zehn weiteren Mitgliedern, die durch geheime Wahl bestimmt werden. Die Mitglieder der Exekutive sind für vier Jahre gewählt und können dann nochmals für vier Jahre bestätigt werden. Die Exekutive überwacht die Einhaltung der Charta. Das oberste Organ des IOC ist die Session, die in jedem Jahr einmal tagt. Nur die Session wählt und bestimmt den Ausrichter der Olympischen Spiele. Das IOC hat aktuell 103 Mitglieder. Der Ägypter Mounir Sabet ist derzeit unter anderem wegen Geldwäsche unter Hausarrest, der finnische Eishockey-Spieler Saku Koivu sagte aus persönlichen Gründen ab. Von den restlichen 101 Mitgliedern dürfen die jeweiligen Landsleute der Kandidaten in der ersten Wahlrunde nicht mit über den neunten IOC-Präsidenten abstimmen. Das betrifft die Deutsche Claudia Bokel sowie die Schweizer Joseph Blatter, Rene Fasel, Patrick Baumann und Gian-Franco Kasper.
Damit bleiben 96 stimmberechtigte Mitglieder für die erste Runde übrig. Der Bewerber mit der absoluten Mehrheit gewinnt die Wahl – das wären in der ersten Runde 49 Stimmen. Sollte der Kandidat ihres Landes ausscheiden, dürften die zuvor nicht stimmberechtigten Mitglieder wieder mitwählen. Der Kandidat mit der geringsten Stimmenzahl scheidet jeweils aus.
Gesucht wird der neunte IOC-Präsident und der Nachfolger des Belgiers Jacques Rogge. Als Rogge 2001 in Moskau zum Nachfolger des Spaniers Juan Antonio Samaranch gewählt wurde, präsentierte er sich als olympischer Idealist, als einer, der die große Reform des olympischen Zirkels wollte. Die Zwänge des Amtes machten aus diesem sympathischen Mann einen Taktiker, oft zögerlich. Der Idealist wandelte sich zum Pragmatiker. Die dauernden Gegensätze im IOC diplomatisch auszugleichen, laugte den Belgier aus. „Nicht immer“ habe er seine Amtszeit genossen, sagt er, er scheide nicht mit Wehmut aus dem Amt, dem IOC und den Olympischen Spielen wird er treu bleiben. „Und meine Enkel zur Schule bringen.“ Die Wende seiner Amtszeit waren die Olympischen Spiele in Peking. Wehrlos musste er zulassen, dass die chinesische Staatsführung Internetzensur betrieb und Olympia für ihre Ziele missbrauchte. Auch die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi stehen unter politischem Druck. Wladimir Putins Anti-Homosexuellen-Gesetz könnte dem IOC trotz der Zusicherungen des Präsidenten, man werde die olympische Charta einhalten, Schwierigkeiten bereiten. „Gute und schlechte Momente“ bescheinigt sich der Belgier. Er, selbst ein olympischer Athlet, habe bei allen seinen Überlegungen immer das Wohl der Sportler im Blick gehabt. „Das habe ich geschafft“, sagt Rogge.