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Würzburg
"Wir hatten zum Glück keinen Ehemann, der uns gesagt hat, dass wir nicht arbeiten dürfen": 7 Würzburgerinnen zum Weltfrauentag
Ist die Gleichberechtigung der Geschlechter hierzulande erreicht? Sieben Frauen erzählen, was ihnen der Weltfrauentag am Mittwoch bedeutet, und warum es wichtig ist, Zeichen zu setzen.
Am Internationalen Frauentag wird auf die Rechte von Frauen aufmerksam gemacht. Auch in Stadt und Landkreis Würzburg beschäftigen sieben Frauen unterschiedliche Probleme und Missstände. Oben v.l.: Alicia von Schenk, Jasmin Schmidt, Sarah Christina Körschenhaus. Unten v.l.: Nane Löser, Anneliese und Margarete Schwarzmann, Juliane Meißner.
Foto: Alicia von Schenk, Kaj Schmidt, Sarah Christina Körschenhaus, Nicole Schmidt, Thomas Obermeier, Judith Mathiasch | Am Internationalen Frauentag wird auf die Rechte von Frauen aufmerksam gemacht. Auch in Stadt und Landkreis Würzburg beschäftigen sieben Frauen unterschiedliche Probleme und Missstände.
Katja Glatzer
 und  Nicole Schmidt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:12 Uhr

Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Seit mehr als 100 Jahren wird an diesem Tag weltweit auf die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam gemacht. Einerseits wird Errungenes in der Frauenrechtsbewegung gefeiert, andererseits wird auf immer noch währende Missstände und Ungleichheiten hingewiesen.    

Immer noch verdienen Frauen im Schnitt weniger als Männer; die Corona-Krise habe die Doppelbelastung von Frauen noch verschärft, so die Gewerkschaft IG Metall zur Gleichstellung der Frau. Gefordert werden unter anderem eine gerechtere Verteilung der Erwerbsarbeit und eine paritätische Verteilung von Funktionen in Politik, Gesellschaft und Betrieben. 

Motto des Weltfrauentages: "Embrace Equity" 

In diesem Jahr wird der Internationale Frauentag unter dem Motto "Embrace Equity" (auf Deutsch: die gerechte Teilhabe umarmen) begangen, was auf die Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern hinweisen soll. In Deutschland ist der Internationale Frauentag seit 2019 in Berlin und erstmals im Jahr 2023 auch in Mecklenburg-Vorpommern ein gesetzlicher Feiertag.

Die Redaktion hat sieben ganz unterschiedliche Frauen befragt, was für sie Frausein bedeutet, wie wichtig der Weltfrauentag für sie ist, und was sich in Zukunft noch ändern muss, um die Rechte von Frauen zu stärken.  

1. Juniorprofessorin Alicia von Schenk sagt, dass Frauen sich mehr vernetzen müssen

Für die Juniorprofessorin im Bereich Angewandte Mikroökonomie mit Schwerpunkt Mensch-Maschine-Interaktion Alicia von Schenk bedeutet Frausein sowohl stark, als auch emphatisch zu sein.
Foto: von Schenk | Für die Juniorprofessorin im Bereich Angewandte Mikroökonomie mit Schwerpunkt Mensch-Maschine-Interaktion Alicia von Schenk bedeutet Frausein sowohl stark, als auch emphatisch zu sein.

"Frausein bedeutet für mich, unabhängig eigene Entscheidungen treffen zu können, stark zu sein und trotzdem nicht die Empathie zu verlieren", sagt Alicia von Schenk. Dass Wissenschaftlerinnen bis heute weniger Studien als ihre männlichen Kollegen veröffentlichen, führt sie auf die "Unterrepräsentation von Frauen in der Wissenschaft im Allgemeinen" zurück. "Ich glaube aber, dass wir hier bereits auf einem guten Weg sind, und dass es sich in Zukunft weiter verbessern wird." Bei Neuberufungen wird laut von Schenk auf einen höheren Frauenanteil geachtet, es gebe Initiativen wie das Netzwerk Women@Wiwi und Forschungsförderung, die sich an Frauen richte.

"Ich denke, dass es gerade in der Wissenschaft noch mehr Vernetzung unter Frauen braucht, auch über Karrierestufen hinweg. Auf diese Weise können wir uns nicht nur gegenseitig bei konkreten Herausforderungen unterstützen, sondern auch inspirieren, eigene oder neue Wege zu gehen", so von Schenk. Als Frau in einem männlich dominierten Forschungsbereich, die meist auch viel jünger als ihre Kolleginnen und Kollegen ist, müsse sie zwar "etwas mehr Energie aufwenden, um die eigenen Standpunkte zu vertreten", aber in den meisten Fällen würde ihr mit viel Respekt begegnet. An der Universität Würzburg fühle sie sich als eine von Deutschlands jüngsten Professorinnen gut unterstützt.

2. Anneliese und Margarete Schwarzmann sind froh, dass sie ihr Leben frei gestalten durften

Die Schwestern Anneliese (links) und Margarete Schwarzmann leiteten viele Jahre das Hotel 'Stadt Mainz' in Würzburg – und behaupteten sich dabei in einer Männerwelt.
Foto: Thomas Obermeier | Die Schwestern Anneliese (links) und Margarete Schwarzmann leiteten viele Jahre das Hotel "Stadt Mainz" in Würzburg – und behaupteten sich dabei in einer Männerwelt.

Die Schwestern Anneliese (79) und Margarete (75) Schwarzmann bezeichnen sich selbst als Freigeister. "Wir hatten zum Glück keinen Ehemann, der uns gesagt hat, dass wir nicht arbeiten dürfen, und unser Vater hat uns kosmopolitisch erzogen. Er hat uns in die ganze Welt geschickt, damit wir unser Leben so gestalten können, wie wir das möchten." Gemeinsam führten die Schwestern das Hotel "Stadt Mainz" in Würzburg. "Wir konnten uns auch in einer Männerwelt entfalten und waren angesehen. Niemand hat uns gesagt, 'da könnt ihr nicht hingehen, das ist nur für Männer'."

Eine Ausbildung in der Hotelbranche absolvierten mit Anneliese aber nur wenige Frauen. "Ich habe mich durchgekämpft und mir nichts gefallen lassen", erinnert sich die 79-Jährige. Ihr Appell an die nachfolgende Generation von Frauen: "Sie sollen ihre Freiheit schätzen und weiterkämpfen." Den Weltfrauentag finden sie wichtig, denn die Gleichstellung sei noch nicht da, wo sie sein sollte. "Dass Frauen, die ihren Ehemännern den Rücken freigehalten, die Hausarbeit und Kindererziehung übernommen haben, stärker von Altersarmut betroffen sind, finden wir furchtbar." Da müsse sich etwas ändern. Auch heute heiße es noch viel zu oft, 'du bist ja nur Hausfrau und machst sowieso nichts'. 

3. Nane Löser erlebt als Personalerin, dass vor allem Frauen in Teilzeit arbeiten

Nane Löser (29) ist glücklich, dass sie heute als Frau Karriere machen und ihre Meinung frei äußern kann. 
Foto: Nicole Schmidt | Nane Löser (29) ist glücklich, dass sie heute als Frau Karriere machen und ihre Meinung frei äußern kann. 

"Ich kann selbst über mein Leben entscheiden, Karriere machen und meine Meinung frei äußern", das bedeutet es für Nane Löser, Frau zu sein. Als Personalerin bekomme sie mit, dass häufig Frauen in Elternzeit gehen und anschließend in Teilzeit arbeiten. Eine Führungsposition zu übernehmen, sei dann oft schwierig. "Für eine Frau, die zwei Jahre in Elternzeit war und wieder in ihren alten Beruf zurückkehrt, ist es schon eine Umstellung. Sie muss sich wieder komplett neu einlernen, arbeitet teilweise mit anderen Kollegen zusammen, und durch die Digitalisierung haben sich auch Arbeitsschritte verändert", erklärt sie. 

Dass Männer länger als acht Wochen in Elternzeit gehen, erlebe sie nur selten. "Ich weiß, dass in unserem Unternehmen aktuell nur ein Mitarbeiter zwei Jahre Elternzeit macht." Das liege laut Löser auch daran, dass Frauen bis heute weniger verdienen – im Durchschnitt liegt der Gender Pay Gap bei 18 Prozent, bereinigt bei sieben Prozent. "Da merkt man, dass die Gehaltsunterschiede ein Problem sind", so die Personalerin. Sie wünscht sich mehr Führungskräfte in Teilzeit und eine bessere Kinderbetreuung.

4. Für Sarah Christina Körschenhaus ist der Weltfrauentag ein Tag, der zeigt, dass Frauen weltweit diskriminiert werden

Für Sarah Christina Körschenhaus ist es noch ein langer Weg, bis Transmenschen in der Gesellschaft voll akzeptiert werden. 
Foto: Sarah Christina Körschenhaus | Für Sarah Christina Körschenhaus ist es noch ein langer Weg, bis Transmenschen in der Gesellschaft voll akzeptiert werden. 

"Frau zu sein, bedeutet für mich, da angekommen zu sein, wo ich immer hinwollte", sagt die Transfrau Sarah Christina Körschenhaus. "Als ich 2016 mit der gegengeschlechtlichen Hormontherapie angefangen habe, habe ich mich das erste Mal in meinem Körper wohlgefühlt. Man fängt an, sein Wesen komplett zu verändern, wird kommunikativer, sensibler und ausgeglichener." Der Weltfrauentag zeige, dass Frauen weltweit diskriminiert werden. "In Westeuropa fällt es uns schwer zu verstehen, wie in manchen Ländern Frauen niedrig gehalten und teilweise auch misshandelt werden. Wenn ich nach Afghanistan schaue, da hat die Frau keine Rechte und keinen Wert."

Probleme gebe es jedoch auch hierzulande. Körschenhaus, die zwei Jahre lang die Selbsthilfegruppe Trans-Ident geleitet hat, habe nach ihrem Coming-out keine negativen Erfahrungen gemacht, bei vielen sehe das anders aus: "Ich kenne Leute, die wurden systematisch übergangen oder dazu gedrängt, ihren Arbeitsplatz zu verlassen." Über Transgender gebe es noch viele komische Vorstellungen. "Ich habe oft gehört, wenn Leute mich das erste Mal so gesehen haben, wie ich bin: 'Ach, du siehst ja ganz normal aus, ich dachte, du kommst im kurzen Rock'."

Bis Transpersonen voll akzeptiert werden, sei es noch ein langer Weg. Wichtig sei nun die Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes, durch das Transpersonen ihren Geschlechtseintrag leichter ändern können. "Das bisherige Vorgehen ist menschenunwürdig", sagt sie. Bisher muss ein Antrag gestellt und ein psychologisches Gutachten erstellt werden. Das sei nicht nur teuer, so Körschenhaus, sondern Transpersonen würden auch über ihre sexuelle Vergangenheit befragt. 

5. Jasmin Schmidt erinnert daran, dass wir nicht vergessen sollten, wie es früher war

Jasmin Schmidt wird in ihrem Alltag als Studentin immer wieder mit der Thematik des Genderns konfrontiert. Für sie sind die Diskussionen darüber unverständlich. 
Foto: Kaj Schmidt | Jasmin Schmidt wird in ihrem Alltag als Studentin immer wieder mit der Thematik des Genderns konfrontiert. Für sie sind die Diskussionen darüber unverständlich. 

"Als Kind hatte ich noch das klassische Rollenbild: Die Frau muss den Haushalt machen und kümmert sich um die Kinder. Irgendwann habe ich realisiert, dass es okay ist, wenn man keinen Kinderwunsch hat oder nicht in einem sozialen Beruf arbeiten möchte", sagt Jasmin Schmidt. Den Weltfrauentag findet sie wichtig, um nicht zu vergessen, dass Frauen auch in Deutschland lange Zeit nicht alle Rechte hatten. "Allein die Vorstellung, dass ich erst einen Mann fragen müsste, ob ich arbeiten gehen und Geld verdienen darf, ist heutzutage schon sehr absurd", so die Studentin.

In ihrem Alltag an der Fachhochschule komme sie regelmäßig mit dem Thema Gendern in Kontakt. "Wir haben ein paar Professoren, die alles gendern, was ich cool finde. Gleichzeitig gibt es auch immer wieder Kommilitonen, die absolut dagegen sind", sagt sie. Für sie ist es unverständlich, wie sich manche so sehr dagegen wehren können, dass alle Menschen sprachlich einbezogen werden.

"Interessant finde ich, dass es zum Beispiel im Alltag bei Berufen immer heißt, der Anwalt, der Richter, der Polizist und gleichzeitig die Krankenschwester, die Pflegerin, die Lehrerin. Da ist es in Ordnung, von Frauen zu reden." Berufe, die in ihren Augen als klassische Frauenberufe gelten. Sie sagt: "Man ist sehr schnell darin, Leute auszugrenzen, aber diese wieder ins Boot zu holen, ist schwerer."

6. Juliane Meißner lenkt den Blick auf die Frauen im globalen Süden

Juliane Meißner (Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V.) beschäftigt die Situation der Frauen in Afghanistan. Regelmäßig tauscht sie sich in ihrem beruflichen Alltag mit dort ansässigen Partnerorganisationen des DAHW aus. 
Foto: Judith Mathiasch/DAHW | Juliane Meißner (Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V.) beschäftigt die Situation der Frauen in Afghanistan.

Durch ihre Tätigkeit bei der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) ist der Internationale Frauentag für Juliane Meißner ein Tag, um Bilanz zu ziehen, wie es um die Rechte der Frauen weltweit steht. "Da sieht es leider nicht gut aus", sagt sie, "die Rolle der Frau ist im globalen Süden oft noch von traditionellen und patriarchalischen Vorstellungen geprägt." Vor allem die Situation der Frauen in Afghanistan beschäftigt sie, dort "haben wir hautnah miterleben müssen, wie die Rechte von Frauen und Mädchen immer weiter eingeschränkt und sie aus der Öffentlichkeit verbannt wurden." 

Unter anderem dürfen Frauen dort nicht mehr studieren, oder ihnen wird der Zugang zu Gesundheitsleistungen verwehrt. "Zuletzt wurde ein Arbeitsverbot für Mitarbeiterinnen in NGOs ausgesprochen, das verstärkt die ohnehin schon prekäre Situation", so Meißner. Da sie selbst bei einer NGO arbeitet, mache sie das wütend. Es brauche gezielte Aufklärung, die die Frauen und Mädchen darin bestärkt, ihre Rechte einzufordern.

 
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  • S. W.
    Der Krankenbruder
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  • P. v.
    Jeder hat eine eigene Meinung? Was richtig ist??Ging ohne diesen Bericht die Welt unter??
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  • R. D.
    Naiv und weltfremd
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  • T. M.
    Nunja liebe Frauen, wieviele Kinder habt Ihr eigentlich?
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  • D. E.
    Off topic.
    Es sei denn, Ihrer Meinung nach dürfen Frauen nur eine Meinung äußern, wenn sie auch Mütter sind. In dem Fall: armer alter weißer Mann traurig
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  • R. D.
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